Die kommende Bundestagswahl wird für die SPD in einem Desaster enden. Man muß nicht den aktuellen Umfragen glauben, um dies kommen zu sehen. Im Kern hat die Partei zwei Probleme, die sich nicht loswird und die sich gegenseitig bedingen. Zuerst ist da ihre Zerrissenheit, bedingt durch eine Führung, die nicht mehr sozialdemokratisch denkt. Wir haben das schon oft besprochen: Selbst eine Basis, die erschreckend geschrumpft ist, läßt sich nicht auf Agenda-Kurs zwingen. Sie ist nicht anti-links und sie läßt sich nicht zum Abnicken von Beschlüssen zwingen. Ausgerechnet der Parteiflügel, der die Bundesführung innehat, hält sich nicht einmal selbst an Partei-und Fraktionsbeschlüsse, wenn es dem neoliberalen “Gewissen” nicht paßt. Ein Gewissen gegenüber der Partei haben diese Leute ebensowenig wie eines gegenüber den sozial Schwachen, deren Vertretung “ihre” Partei immer sein wollte.
Der Schulterschluß der Agenda-Fraktion mit den Ideologen des Kapitalismus, der gerade an sich selbst zugrundegeht, ist in jeder Hinsicht fatal für die SPD. Was die Führung ihre “Politik” nennt, kann man bei CDU und FDP besser haben. Die Kumpanei mit den Medien, die Kampagnen, durch die eine Politik durchgesetzt wurde, welche nichts Sozialdemokratisches mehr hat, wird sich bitter rächen. Der letzte große Coup dieser Geisterfahrer, der die Herrschaft von Roland Koch gerettet hat, ist eine Streubombe, die ihre verheerende Wirkung erst noch entfalten wird. Daß die Legende vom “Wortbruch” Ypsilantis so völlig ungehemmt kommuniziert wurde und wird, hat die Rechte in der SPD maßgeblich zu verantworten. Daß Schäfer-Gümbel so erschreckend dumm ist, selbst vom “Wortbruch” zu sprechen, setzt dem Narren die Krone auf.
Der kommende Wahlkampf wird nicht mehr nur dadurch geprägt sein, daß die “Linke” weiter verteufelt und die SPD zu deren Handlangern erkärt werden wird. Die im Zusammenhang ihrer Entstehung verlogene und tendenziöse Vokabel “Wortbruch” wird der SPD noch viel schlimmer zu Schaffen machen: Dort, wo sie mit Recht angebracht werden wird. Die SPD hat in beinahe jedem Detail und allen Wahlkampfaussagen Wortbruch begangen. Die große Koalition, die nicht in Frage kam, regiert. Der Wahlkampfschlager “keine Erhöhung der Mehrwertsteuer” (wie die CDU dies ankündigte) müntete in einer noch drastischeren Erhöhung als je geplant. Die Rente mit 67 wurde beschlossen. Es ist erschütternd zu sehen, wie Müntefering ohne mit der Wimper zu zucken erst seine Wähler belügt [via] und dann ungerührt das Gegenteil verkündet.
Die SPD hat sich ihren Niedergang redlich verdient, für sie wird es keine Gnade geben. Eine der großen Herausforderungen für eine kritische Öffentlichkeit wird es sein, zu verhindern, daß die unsoziale und inkompetente Politik der Großen Koalition nicht allein an der SPD hängen bleiben wird und die Wähler nicht obendrein der schlimmst möglichen “Alternative” in die Arme treibt: Der FDP. Es wird zu zeigen sein, wer aus welchen Motiven und mit welchen Mitteln eine “Politik” betrieben hat, die nichts anderes ist als die Beförderung eines Wirtschaftsmodells, das derzeit als “Krise”, “Rezession” oder “Abgrund” in aller Munde ist. Und das ist nur die Oberfläche. Denn nicht das absehbare Scheitern dieses Wirtschaftsmodells ist der Skandal, sondern die Opfer, die man diesem Fetisch dargebracht hat. Es ist Politik als solche, die regelrecht vernichtet wurde, weil sie dem Heilsversprechen des Neoliberalismus weichen mußte. Diesen Tatbestand gilt es zu belegen, zu erläutern, namhaft zu machen. Wer was dazu beigetragen hat, wer davon profitiert (hat) und wer darunter leidet, muß deutlich gemacht werden. Welche Alternativen unterdrückt wurden und wie sie endlich entfaltet werden können, muß diskutiert werden. Was war, ist (hoffentlich) nicht mehr zu retten. Was kommen soll, ist zu debattieren. Dies ist weder von den politischen “Eliten”, noch von den teils ratlosen, teils korrumpierten Mainstream-Medien zu erwarten.