Nun ist es raus, was nicht anders zu erwarten war. Das BVerfG hat die Regelung der Pendlerpauschale gekippt. Die Politik nach Gutsherrenart, die diese Bundesregierung betreibt, rennt immer wieder vor denselben Aktenschrank. Sie sehen sich als Macher und Sparer im Dienste dessen, was sie und ihr favorisiertes Klientel gerade für das Richtige halten. Dabei kommt ihnen nicht in den Sinn, daß sie als Gesetzesschmiede zu einem Höchstmaß an Verantwortung und Weitsicht verpflichtet sind. Die Wurtschtelei hat Kalkül, ihnen ist die Verfassung genauso wurscht wie die essenziellen Interessen der Bürger. So wie Wallenstein seine Strategie von seinem Astrologen hat beeinflussen lassen, ist der politischen “Elite” das Orakeln der Wirtschaftslobbyisten der Maßstab. Nicht nur, daß sie keine Idee davon haben, was ihre Politik für das Volk bedeutet, sie setzen sich permanent und penetrant über die Regeln hinweg, deren Hüter und Bewahrer sie zu sein hätten.
Zum Hintergrund der Pendlerpauschale bleiben die Medien wie so oft an der Oberfläche und kritisieren im Trüben.
Für die “ZEIT” schreibt Katharina Schuler:
Darüber hinaus stellt sich grundsätzlich die Frage, weshalb der Staat dafür aufkommen soll, wo jemand sich niederlässt. Auch die Karlsruher Richter anerkennen in ihrer Urteilsbegründung, dass Fahrtkosten nur zum Teil beruflich bedingt sind.
Dieses Argument von der Stange hat nichts mit der Wirklichkeit der Angestellten zu tun. Abenteuerlich ist im Jahr 2008 die Vorstellung, jemand habe einen gut dotierten sicheren Job in einer Stadt und ließe sich dann im Grünen nieder, um seinen doppelten Vorteil daraus zu ziehen. Dies berücksichtigt nicht die Tatsache, daß es auch den umgekehrten Fall gibt und suggeriert, die Menschen würden eher ihren Wohnort wechseln als die Arbeitsstätte. Daß sie vielmehr in aller Regel dazu gezwungen sind, irgendwo eine Beschäftigung anzutreten, die alles andere als sicher ist, ignoriert solches “Denken”. Es hat verinnerlicht, was der Neoliberalismus den Menschen aufzwingt, als sei dies das Interesse der Betroffenen selbst. Im Gegenteil: Der Mensch braucht und will ein Zuhause. Er ist kein Nomade, der Steuern sparen will, sondern ein Flüchtling, der nicht bleiben darf, wenn er anständig leben will.
Für SpOn erläutert Dietmat Hipp:
Dafür lässt sich laut Gericht die Faustformel verwenden: Je geringer die Entfernung zum Arbeitsplatz, um so eher sind die Kosten für den Weg als “unausweichlich beruflich bedingter Aufwand zu werten”. Was aber auch umgekehrt heißt: Je weiter die Wege, desto eher ist das Privatvergnügen.
Dahinter steckt die eigentliche schallende Ohrfeige für Steinbrücks Geniestreich: Das Abkassieren gerade bei denen, die garantiert nichts davon haben, wo sie wohnen, offenbart, daß es nur darum ging, bei allen und so viel wie möglich zu kassieren. Es trifft gerade diejenigen, die in Wohnortnähe arbeiten und niedrige Einkommen haben. Denen wurde bis heute auch das als “Einkommen” besteuert, was sie aufwenden müssen, um zur Arbeit zu fahren.
Die dumme Diskussion um eine “Subvention” der Doppelsparer ist das eigentliche Problem der öffentlichen Meinung: Die Kosten fürs Wohnen und Arbeiten. Was will der Bürger ohne Lobby? Ein Dach über dem Kopf, einen vollen Kühlschrank und ein Leben mit möglichst wenig Zwang und Angst. Wenn man verhindern will, daß die Steuerzahler sich ihren Luxus vom Staat finanzieren lassen, muß man zusehen, daß man das Nötigste dazu per Gesetz leistet. Die Möglichkeit, sich niederzulassen und dabei halbwegs angstfrei zu leben, sich eine Arbeit zu suchen, von der man leben und die man akzeptieren kann, bedarf der Förderung. Es geht um Geben und Nehmen. Wenn Politik nicht dafür sorgt, daß den Menschen das Wichtigste gegeben wird, kann sie sich nicht obendrein erdreisten, ihnen etwas zu nehmen.
Es geht nicht um “Privatvergnügen”, nicht um Luxus. Leider kennen die hohen Damen und Herren offenbar nicht mehr die Welt, in der es um die schlichte Existenz geht. Es ist zum Gotterbarmen einmal mehr einem “Sozialdemokraten” vorbehalten, an seiner Ignoranz zu scheitern. Er kennt keine Regeln, keine Vernunft und vor allem nicht mehr das Leben der anderen, irgendwo da unten.