Ich habe schon lange keinen Artikel in der “Zeit” mehr gelesen, dem ich etwas Relevantes hätte entnehmen können, das nicht woanders ansprechender berichtet wurde. Heute gab es endlich einen Aufreger. Er ist ein Beispiel dafür was passiert, wenn man gänzlich auf Redaktion verzichtet und einfach billigste Propaganda machen läßt. Am besten gleich von denen, in deren Interesse sie liegt.

Ein gewisser Séverin Pabsch darf sich da ungebremst äußern zu dem, was er für Studentenpolitik hält. Niemand erwähnt, daß er SPD-Mitglied und für diese u.a. Bundestagskandidat ist. Auch, daß er den streikenden Studierenden in den Rücken gefallen ist und öffentlichkeitswirksam die linke Konkurrenz anschwärzte, erfährt man nicht.

Es ist vielleicht auch nicht nötig, denn die mentale Krawatte, die sich schneidend eng um sein Hirn gewickelt hat, spricht für sich. Pabsch ist ein Streber, wie die durchökonomisierte Bachelor-Uni ihn sich glatt geschliffener nicht vorstellen könnte. Er kennt nur zwei Sorgen: Einsparungen und die böse Linke. “Extreme Kräfte” nennt er sie, die “Leninisten, Marxisten und knallharte(n) Kommunisten“, “Zentrale der Revolution“, die “verblendete Aktionen starten“, die Brut aus der “Kifferbude mit Gammelsofas und vollgekritzelten Wänden“.

Kurzum: Er hat dieselben Feindbilder wie seine Nazi-Urgroßeltern und denselben Blick auf die Hippies und Gammler. Er ist halt “Sozialdemokrat”.
Als solcher ein ordentlicher, sauberer, disziplinierter und sparsamer Mensch, hält er den extremistsichen Gammlern entegegen, was er unter Studentenleben versteht:
Ein modernes Office mit zwei Assistentinnen, Computern, einem Zentralserver” [...]
Die Buchhaltung haben wir outgesourct an einen professionellen Wirtschaftsprüfer, das kostet zwar, aber so gehen wir sicher, dass mit dem Geld der Studenten nichts Unrechtes passiert. Immer wenn ich Studenten erzähle, wie viel Geld wir verwalten, sagen die: Richtig so. Das darf man doch nicht im Chaos versickern lassen!

Studentische Gelder Wirtschaftprüfern in den Rachen zu werfen, anstatt sich selbst der Verantwortung zu stellen und sich die entsprechenden Kompetenzen anzueignen, die Generationen von Hippies vor ihm hatten, das allein hilft ihm, das “Chaos” abzuwenden. Und daß ihm das “immer” als gut und richtig bestätigt wird, weist wohl darauf hin, daß er nur noch mit sich selber spricht. Oder sind die “Extremen” und ihre Wähler keine “Studenten”?

Überhaupt: Selbstwahrnemung und Kategorien dieses neoliberalen Kriechers sind in faszinierender Weise von jeder Realität abgekoppelt. Wenn drei Viertel der Wahlberechtigten “linke” Gruppierungen wählen, schwätzt er sicher immer noch von “Extremisten”. Und wenn die ganze Welt weit links von ihm stünde, würde er noch immer glauben, er sei die “Mitte”.

Die dümmliche Behauptung, bei geringerer Wahlbeteiligung hätten Extremisten bessere Chancen, muß für diese Selbsttäuschung herhalten. Zehn Prozent von zwei Prozent sind nämlich viel mehr als zehn Prozent von dreißig Prozent. Ist doch klar. Und Aufrufe zum Wahlboykott kommen ja stets aus der “Mitte”, Extremisten gehen immer wählen.

Daß an den Unis – noch immer – junge Menschen zusammenkommen, um ihre eigenen politischen Ziele zu entwickeln und nicht bloß zusehen, daß sie sich möglichst kostengünstig zu rückgratlosen Systemträgern machen, hat eine gute Tradition. In angepaßten Denunzianten wie Pabsch haben sie ihre erbittertsten Feinde.

Zu Zeiten Dutschkes wäre dieser Hanswurst brutalst möglich ausgelacht worden, und selbst zu meiner Zeit hätte er nur beim RCDS oder den Burschenschaften etwas zu trinken bekommen.
Eine alte Weisheit, die Fontane zugeschrieben wird, lautet: “Wer mit 19 kein Revolutionär ist, hat kein Herz. Wer mit 40 immer noch ein Revolutionär ist, hat keinen Verstand.”
Wer mit Anfang 20 schon derart reaktionär daherkommt, hat zwar weder diesen noch jenes, aber allemal das Zeug zu einer ganz großen Karriere – in der SPD.