Nach dem jüngsten Amoklauf eines Schülers rattert wieder die Gebetsmühle, und das Rennen der Inkompetenten geht in die nächste Runde. “Killerspiele” sind schuld und gehören verboten. Stoiber fordert das natürlich wieder an vorderster Front und läßt an Deutlichkeit nichts missen, wenn es darum geht, seine Ahnungslosigkeit zu belegen. Nicht nur, daß er nichts beizutragen hat zu der Frage, ob zwischen Spielen und Töten ein signifikanter Zusammenhang besteht, er lebt auch nach wie vor in einer Welt, in der Deutschland, Bayern oder sonstwer Software einfach verbieten kann. Als ob jemand, der sich eine Waffe besorgen kann, nicht auch den Schrank voller illegaler Software hätte, wenn er es wollte.
Erschütternd auch der Beitrag der Süddeutschen zur Debatte. Schon die Behauptung, Spielehersteller legten Wert auf den “den Thrill des authentischen Tötens” ist unsinnig und widerspricht dem Vorwurf der Horror-Ästhetik. Wenn man den Unterschied zwischen den Monstern aus “Doom 3″ und einem Schüler nicht mehr erkennt, ist man wahrscheinlich Journalist. Amokläufer brauchen dazu andere Ressourcen als nur ein “Killerspiel”. Gerade die von der SZ benannten “entmenschlichten Bilder” markieren die Grenze zwischen Fiktion und Realität. Genial auch das Argument, “dass Computerspiele auch nur zeigen, was das Fernsehen zeigt. Stimmt, doch gerade darum kann man sich den Zustrom an überflüssigen Computer-Bildern sparen“. Kann man, tut man aber nicht. Und jetzt?
Die Debatte, immerhin das erkennt Bernd Graff, ist nicht neu und entbrannte bereits an anderen Medien wie Comics und Videos. Wenn man also etwas erreichen will, muß man anders ansetzen. Wie die Droge nicht für die Sucht verantwortlich ist, sind auch die Medien nicht verantwortlich für die psyschischen Zustände der Konsumenten, seien es die als “normal” empfundenen oder die extremen. Hier sind Symptom und Ursache klar unterscheidbar. Moralisch mag man formulieren können, daß wer so etwas herstellt, die Welt nicht besser macht, und man hätte sogar recht. Moral ändert aber herzlich wenig an einer ökonomisch orientierten Gesellschaftsorganisation. Nicht nur, daß es einen florierenden Markt für solche Spiele gibt, den man nicht durch Moralvorstellungen ändert, es gibt vor allem ein Bedürfnis nach solchen Produkten. In der Tat: Es geht um Leben und Tod, Leben zum Tod, Töten und Überleben. Eine soziale Realität, die dem Lauf der Dinge folgt, deren Gesetze sich aus der Produktion von Gegenständen herleiten und die überdies den realen Tod wie schon die Geburt in sterile Krankenhäuser abdrängt, erzeugt das Bedürfnis nach simuliertem Tod – wie übrigens auch simuliertem Leben, was den Erfolg von Spielen wie “Sims” ausmacht. Adorno nannte das Phänomen die “Mimesis ans Tote”, und eine Mimesis ans Restleben ersetzt zusehends die sozialen Beziehungen. Wer das nicht will, will keine Industriegesellschaft. Darüber sollte man vielleicht unaufgeregt debattieren. “Killerspiele” zu verbieten hat hingegen ähnliche Erfolgsaussichten wie ein im Grundgesetz verankertes Verbot von Amokläufen.