Ein weiteres bahnbrechendes Urteil hat die deutsche Justiz als Vollstreckerin des Willens menschenverachtender Arbeitgeber gesprochen. Diesmal sind es ein paar Maultaschen, Essensreste, die eine 58-jährige Altenpflegerin sich eingepackt hatte. Dadurch sei das “Vertrauen” zerstört, wie es so schön stereotyp heißt, wenn ein Arbeitnehmer gegangen werden soll, den man anders nicht loswird.

Von Verhältnismäßigkeit kann bei solchen Urteilen keine Rede mehr sein. Hier wird Arbeitsrecht zum drakonischen Strafrecht. Die Auswirkungen für die betroffenen Arbeitnehmer stehen in keinem Verhältnis zum oft nur angeblich verursachten “Schaden”. Die Wirkung dieser Rechtspraxis ist die Knebelung und Entrechtung aller Arbeitnehmer. Jeder Fehltritt kann zu verheerenden Strafen führen.

Ergänzt wird dieses Bild durch Urteile zu den Leistungen von Managern und deren Vergütung. Daß jemand einen Betrieb oder Konzern in den Ruin geführt hat, ficht sein Recht auf Millionenabfindungen nicht an. Während mit einer gnadenlosen Leistungs-Ideologie Front gegen Arbeitslose gemacht wird, soll ausgerechnet im Arbeitsrecht Leistung keine Rolle spielen. Wer jahrzehntelang gute Arbeit geleistet hat, fliegt trotzdem wegen eines Brötchens aus seinem Job, wer ein paar Jahre hirnlos gezockt hat, geht mit Millionen.

Die Hetze gegen alles angeblich “Linke” und “68er” hat den perfekten Nährboden bereitet für eine umfassende Attacke gegen alle Aspekte der Rechtsstaatlichkeit. Die Bürgerrechte wären schon längst keinen Pfifferling mehr wert, gäbe es da nicht die letzten Aufrechten im BVerfG. Diskriminierung aller Art hat Hochsaison, weil aus einigen mit bürokratischem Übereifer gestrickten Gesetzen folgt, daß deren Inhalt ins Gegenteil verkehrt werden muß. Wer nicht einmal täglich gegen eine beliebige Minderheit hetzt, ist ein Möhrensaft-Wollsocken-Monster. Arbeitslosigkeit gilt als Makel, Zeichen von Faulheit und Aussatz. Arbeitnehmerrechte sind schließlich auch zum Abschuß freigegeben. Wollte man nämlich dafür sorgen, daß sie nicht im Sog des menschenfeindlichen Zeitgeistes verschwinden, bräuchte man dazu eine Sprache.

Und dann hört man sie plötzlich wieder, die bösen Wörter der Linken: Freiheit, Gleichheit, Solidarität, Menschenrechte. All der Ballast, mit dem die Gutmenschen die neue Zeit aufhalten. In der der Starke stark sein darf und der Schwache sich unterordnet. In der nichts mehr verboten ist, kein Gedanke, kein Wort und am Ende keine Tat mehr.
Die einen grölen dabei mit, die anderen ducken sich. Hauptsache nicht “links” sein, nicht auffallen, nichts sagen. Dies ist der Anfang vom Ende der Solidarität. Wenn das erst erreicht ist, werdet ihr euch wieder einmal alle wundern.