Man könnte es eigentlich bei einem Satz, vielmehr einer Frage belassen: Wenn also auf Flüchtende geschossen werden darf, dann handelt es sich nicht um einen Krieg? Damit wäre zumindest eine Debatte, die um den semantischen Feuerschutz nämlich, beendet.
Aber es gibt natürlich noch mehr Fragen. Sehen so Polizeiaktionen aus, die geeignet sind, ein Land zu demokratisieren? Ist es die Aufgabe von Bundeswehrsoldaten, zu urteilen, ob jemand hinterrücks erschossen werden muß, weil er als gefährlich einzustufen ist? Wie sieht denn die dem entsprechende Ausbildung aus?

Rhetorische Fragen, paradoxerweise vor allem für jemanden, der sie wörtlich nimmt. Aber es soll ja nicht gefragt werden. Es geht doch um unsere Sicherheit. Diese absurde Konstruktion ist offizielle deutsche Staatsräson.
Nimmt man ernst, was behauptet wird, daß es nämlich um Aufbau und Terrorbekämpfung gehe, längst in umgekehrter Reihenfolge, dann sollte man sich für einen Augenblick verdeutlichen, welche Welten dort aufeinander prallen. Die Afghanen kannten bereits Besatzer, die sie militärisch unterjocht haben. Viel mehr Erfahrung haben sie mit den Europäern und Amerikanern nicht. Sie verstehen nicht deren Sprachen, sie tragen nicht deren Kleidung, haben nicht deren Religion, spielen nicht ihre Musik und haben andere Gepflogenheiten. Das gilt nicht nur für die plakativ brutalen Extrem-Islamisten, sondern für alle Stämme und Völker in der Region.

Man hätte sich überlegen können, wie man diese Kulturen erreichen könnte. Meinetwegen auch, wie man sie unterwandern oder korrumpieren könnte – was mit den “Taliban” zum Zwecke der Russenbekämpfung ja auch hervorragend funktioniert hat. Was aber die dümmst mögliche Intervention darstellt, das ist eine Invasion in dem Glauben, man könne ein bißchen Polizei aufstellen, ein paar sprachbegabte “Politiker” in der Hauptstadt versammeln und hätte dann eine offene quasi-westliche Zivilgesellschaft.

Nehmen wir an, nach Weltkrieg zwo, als die Deutschen als der übelste terroristische Abschaum der Welt gelten durften, hätten Samurai das Land unter ihre Kontrolle gebracht. Sie hätten mit ein paar chinesichen Freunden und den besten Absichten ein wohlgeordnetes aristokratisches System aufbauen wollen, mit einer fairen Gerichtsbarkeit und materiellen Annehmlichkeiten – zunächst für eine kooperartionswillige Oberschicht. Was wäre wohl dabei herumgekommen? Einsichtige Deutsche, die eifrig die Befehle der Besatzer auswendig lernen und sich einem Mix asiatischer Kulturen anpassen?

Und nehmen wir an, sie hätten es nicht spontan getan, sondern es hätte militanten Widerstand gegeben – von Nazis ebenso wie von völlig anderen Gruppierungen, die aber allesamt als Nazis gegolten hätten. Hätte man Deutschland befrieden können, indem man Wahlen zugelassen hätte, bei denen das Volk sich aus verschiedenen Aristokraten die besten aussuchen kann? Hätten sie das wohl als “ihr Land” akzeptiert? Und wenn sie, weil es eben alles nicht in knapp acht Jahren funktioniert hätte, gehört hätten, daß sie auf der Flucht erschossen dürften, wenn man sie für gefährlich hält, hätte das wohl ihr Vertrauen gestärkt?

In Afghanistan wird auf diese Weise unsere Sicherheit verteidigt. Mit eben den beschriebenen Mitteln. Gegner sind “die Taliban”, denn jeder, der dort Widerstand leistet, gilt als ein solcher, auch wenn er nie den Koran in den Händen hielt. Im Zweifelsfall ist er halt ein Terrorist oder Verbrecher. Wer fragt schon nach Motiven?
Dieser Krieg ist einer reinsten Wassers, das Ende der Wahrheit und gerade dort barbarisch, wo er angeblich zivilisieren soll. Er ist eine Schande für jeden demokratischen Rechtsstaat, und es entscheidet sich nicht zuletzt an dieser Front, ob Deutschland noch einer sein möchte.
Jetzt heißt es wieder: “Auf der Flucht erschossen”. Es ist zum Heulen.