Manchmal sitze ich hier und schüttele einfach nur den Kopf. Nachdem ich gestern Nacht eine launische Polemik abgelassen und die ersten vierhundert Tippfehler korrigiert hatte, dachte ich so bei mir: Naja, ganz okay. Immerhin brachte mir das Reaktionen von Lobpreisungen bis zur Abokündigung ein. Das ist das Schöne an der Bloggerei: Das Feedback kommt an, und zwar sofort.
In der Hinsicht ist Politik das völlige Gegenteil. Egal wie klug, verschlagen, hinterfotzig, grenzdumm oder schamlos die Taten der Parteiheroen sind, sie hören nicht recht heraus, was das Volk davon denkt. Denn sie lesen keine Blogs, und was der Wählmichel so an Optionen hat, um das Treiben seiner Bekreuzigten zu kommentieren, ist halt arg begrenzt.
Selbst wenn man ihm sozusagen politisch aufs Maul haut, vielmehr: insbesondere dann steht er vor dem Wahllokal wie die Kuh vor dem neuen Tor. Heute hat er wieder einmal allen Grund, sein Kreuzchen von morgen heute schon einmal selbst zu verbrennen, ehe er es ernsthaft zur Urne trägt.
Was zunächst gerüchteweise durch die Medien lief und von Oskar Lafontaine als “Katze aus dem Sack” bezeichnet wurde, hat nun immerhin ein Prominenter CDU-Politiker für gut und richtig befunden: Oettinger, der alte Menschenfreund, findet eine höhere Mehwertsteuer auf Lebensmittel prima und sagt das frei heraus.
Da kann ich mir noch so viel Sarkasmus abringen, gegen die Spaßvögel der neoliberal-rechtskonservativ-agendatreuen Front bleiben die besten Pointen immer “denen” überlassen.
Zwar gibt es eine aufgeregte “Diskussion” über den Plan, die Banken und Konzerne von Sozialhilfeempfängern finanzieren zu lassen, aber eine solche gab es auch vor der letzten Butawa, nämlich um die allgemeine Mehrwertsteuer. Daß die Leute sich nun sehr gut daran erinnern können, wie das gelaufen ist, wird nicht nur für die “SPD” sondern nach Oettingers Spaß auch der CDU zur leuchtenden Pappnase. Und wenn schon einmal Karneval ist, wettet keiner darauf, daß ausgerechnet die FDP die Massen verschonen würde, um ihre Urklientel zu bedienen. Die Grünen machen eh alles mit, die Linken dürfen nicht mitspielen, und nun sage mir, lieber Michel, welches dieser unappetitlichen Zankweiber du zu deiner Angetrauten machen willst?
Das wird vernutlich nicht einmal ein Aufreger. Was ist schon die Mehrwertsteuer? Haben wir doch alles schon überstanden, und sicher kommt bald einer daher und erklärt, daß das sogar einen fetten Aufschwung brachte. Es wird Statistiken geben, die zeigen, daß diese Maßnahme alternativlos und gut für die Wirtschaft ist. Es wird Umfragen geben, die sagen, daß 70% denen zustimmen, die uns mit ihren alternativlosen Maßnahmen durch die Krise führen. Wir werden CDU wählen oder FDP oder eine der anderen CDUen und FDPen. Und Alles wird gut.
Juni 26th, 2009 at 00:14
Und was hat jetzt die Überschrift mit dem Text zu tun?
…
Juni 26th, 2009 at 00:54
Da ist die FDP vergessen worden. Die will -Tusch- die Mehrwertsteuer sogar senken. Jedenfalls für Gaststätten und Hotels, was ja der natürliche Aufenthaltsort des Prekariats ist.
Juni 26th, 2009 at 01:12
Mögen “die” auch die beste Pointe haben, die allerletzte Pointe, quasi bevor der Vorhang fällt und das Licht ausgeht, also sozusagen der gespielte Witz, kommt vom Wähler.
Juni 26th, 2009 at 09:15
Verstehen werd ich Michel nie, nun weiß er, daß CDU FDP SPD nur sein bestes wollen (also sein Geld), und er wählt die am Ende trotzdem. Nun sind die Alternativen zwar begrenzt, und möglicherweise auch nicht mit Helligkeit gesegnet, aber für Knüppel aus dem Sack reicht so eine Linke oder die Piraten schon …
Aber ach nee, die sind ja nicht wählbar, sagen die in den Medien, die müssen das ja wissen.
Dann auf eine neue Runde neue Armut.
Juni 26th, 2009 at 10:04
der derzeitige wähler wird selbst bei solchen aussagen zu dumm sein, die richtigen konsequenzen zu ziehen und weiterhin brav konservativ wählen – nur um sich irgendwann zu wundern, weshalb er kaum noch geld hat, die reichen dafür aber weiterhin problemlos auskommen.
Juni 26th, 2009 at 10:40
hatte gestern das vergnuegen einem mdb der spd an den lippen haengen zu duerfen. (haette im nachhinein lieber an seiner zunge gehangen!) es ging um die finanzkrise. neben mir werktaetigen waren etwa 14 rentner/innen anwesend. auf meine bemerkung hin, das leerverkaeufe schon seid der erfindung der boerse im jahre sechzehnhunderttobak des herrn als problematisch bekannt sind, befand er, fuer individuelle fragen waere nach der veranstaltung zeit, denn das wuerde den vortrag zerfasern. neben den ueblichen unschuldszeugungen und lobreden auf steinbrueck und auserechnet asmussen wurden wir gewahr, wieviel geld doch eine frau mit pelzmantel verloren hat! mir schossen die traenen in die augen. danach durfte der geneigte zuhoerer erfahren, die hedgefonds wurden damals nur deshalb von rot/gruen zugelassen, um sie regulieren zu koennen! aha. nun wurde der fragedruck dann doch sehr hoch, aber leider stellte man fest, das fuer fragen keine zeit mehr sei, da der zug nicht warte, hahaha. haette ihn gern noch auf sein abstimmungsverhalten beim internetzensurgesetz angesprochen.
das schlimme ist, (ich sass 2m vor ihm) diese leute glauben wirklich, was sie da von sich geben! scary! OO
Juni 26th, 2009 at 10:55
Ja, ich habe das mal haben wollen, Politik im Interesse der Bürger. Demokratie. Vor 20 Jahren habe ich das haben wollen. Dann wurden die ersten Fürsten installiert, Generalsekretäre um sich scharend, Haie schwammen herein und Bosse mit treuen Händen. Das alles ist nun geschafft, das Heulen ist vorbei bevor es wiederkommt, und jetzt gibt’s zu lachen.
Es ist eine Art Muppettalk mit ausgehöhlten Comic- oder auch Komikfiguren, in die man hinein- und heraus steigen kann, um mit zu spielen. Ja, Zustimmung, Politik macht Spaß. Aus der vorderen Öffnung der Hohlkörper quellen die Blasen: Steuern runter! Nein, Krise, Steuern rauf! Hinten fallen Prozentzahlen aufs Podium und ein paar Kommas hinterher, um deren Anordnung demokratische Streitkultur entsteht Und dann wird das hölzerne Pferd auf die Bühne geschoben, auf dem steht: Führendes Institut. Es kann wiehern, und es wiehert. Wettbewerbsfähigkeit. Nein, keine Konjunkturprogramme, Insolvenz, Ordnungspolitik: geordnete Insolvenz. Wachstum! Wachstum ist das Stichwort, auf das gewartet wird. Beifall, wie aus dem Karton geschüttet.
Politik macht Spaß, auch hier in der westsibirischen Provinz, wo wir auf ewig neu sind, was neugierig machen soll aber nicht mehr so richtig macht. Wir haben gerade einen Welterbetitel der Unesco verloren, also irgendwas mit Kultur. Weil wir und unsere Regierung und deren Regierungspräsidium und nun erst recht wir eine Brücke haben wollen, die in den Elbauenbogen genau so wie in ein Hafenbecken hineinpasst. Mit der sparen wir beträchtliche Kraftstoffmengen.
Juni 26th, 2009 at 15:25
Feedback?
Das koennen die Damen und Herren in Berlin doch jederzeit haben.
Sie nehmen es ja aber gar nicht mehr wahr, wenn es nicht monetaer unterfuettert ist.
Habe das im letzten Jahr mit der Abgeordneten meines ehemaligen Wahlkreises versucht. Was soll ich sgen: sPDlerin und Anlageberaterin mit walisischem billig-MBA.
Dementsprechend negativ waren meine Erwartungen, und die wurden auch nicht enttaeuscht.
Immerhin hat sie (oder besser: ihr Stab in ihrem Namen) mir hin und wieder auch auf meine elektronischen “Anfragen” geantwortet…nach ein bis zwei Wochen Wartezeit. Was da so an Gewaesch rueberkam benoetigte sicherlich nicht so viel Bedenkzeit.
Mittlerweile habe ich eine ausreichende Erfahrungsbasis um mir das Feedback mit gutem Gewissen zu sparen.
Der Fairniss halber muss ich sagen, dass die LINKEN leider auch nicht wesentlich besser sind. Jammern zwar staendig ueber die boesen Medien herum, zeigen aber keine Eigeninitiative. Anscheinen meinen sie, mit Gysis und Lafontaines Reden auf You-Tube ist genug getan.
Eine schoene Politikerkaste haben wir uns da in 90 Jahren Republik herangezuechtet…