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Wo Arbeitgeber Unternehmen übernehmen
oder Unternehmer Übernahmen übergeben,
die Arbeitnehmer übergehen
und Untergebenen Vergehen nicht vegeben,

wenn Arbeitgeber Arbeinehmer übergeben,
die eine Übernahme eh nicht überleben,
weil ihre Arbeiten zu wenig Mehr ergeben,
was ist das für ein Leben?
Was macht man dann?

Dann ruft man Ackermann.

Und Ackermann plappert.

Plakative Plattitüden

plappert Ackermann.

Andere ackern.

Ackern, rackern und placken.

Für ein paar Tacken.

Doch Ackermann -

was macht Ackermann da?

Ackermann sammelt die Tacken.

Läßt die Tacken ackern.

Im großen Tacken-Acker.

Tackenmacker Ackermann

zieht all die Tacken ran,

macht sich vom Acker dann,

der Tackensack.

Und wenn die Reichen dann noch reicher sind ein Weilchen
und bei den Armen ihre Arme nicht mehr reichen,
um all das zu begleichen,
dann kommt der Stein
brück.

Denn wenn der Reichtum wie im Scheichtum bis zum Deich reicht
und dieser Deich von jetzt auf gleich dem Druck im Teich weicht,
weil er nur seicht reicht,
dann ist das kein
Glück.

Der Leistungsnehmer muß dem Leistunträger etwas mehr geben.
Denn der muß in dem schrecklich teuren Haus am Meer leben
(und kann sich Steuern gar nicht leisten).

Solange hier noch irgendwer von Hartz bis vier lebt
und ihr ihm Bier gebt,
geht das nicht an.

Erst wenn der letzte Arbeitslose auf Diät ist
und es dafür bis dann noch immer nicht zu spät ist,
dann könnte man.

Dann könnte man.
Wenn’s dann noch geht.

Olaf Scholz, den die FR neulich noch ernsthaft einen “Linken in der SPD” genannt hat, knallt in einem Interview mit der FAZ all sein neoliberales Gold auf einmal auf auf die Theke und bestellt Schampus für Freund Guido.
Eingangs betet er brav sein Credo, das Bekenntnis zur Agenda 2010:

Man tut niemandem einen Gefallen, wenn man die Krise ständig in den düstersten Farben malt und alle sich angstvoll am Händchen halten. Jetzt sind die Mutigen gefragt, nicht die Feigen. Zum Glück haben wir den Arbeitsmarkt mit den Schröderschen Reformen rechtzeitig effizienter gemacht. Das hilft uns jetzt.”

Richtig, die Millionen, die in ungesicherten Arbeitsverhältnissen ihre Minilöhne kassieren, bekommen demnächst nicht mehr das Schwarze unterm Nagel oder werden nach Hause geschickt, in ihr Heim mit Hartz. Viele hatten nie die Gelegenheit, in die Arbeitslosenversicherung einzuzahlen. Sie stehen dem Ein-Euro-Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung.
Was “mutig” ist und was “feige” in dem Zusammenhang, erschließt sich mir nicht recht. Ist “Mut” der Steinbrücksche Optimismus, der die Krise noch nicht sieht, wenn die Möbel schon abgeholt sind? Oder geht es einfach darum, ein bißchen Kriegspropaganda zu machen, weil das immer gut kommt? Fehlt nur noch ein Feind, gegen den man derart “mutig” zu Felde ziehen kann. Wen hätten wir denn da? Terroristen, Islamisten, Sozialschmarotzer?

Bemerkenswert kritisch fragen Oliver Hoischen und Markus Wehner nach:

[FAZ :] Wie lautet die Überschrift für den Wahlkampf der SPD, wenn Sie eine vorschlagen sollen?

[Scholz :] Arbeit sichern! Darum muss es gehen. Wir sollten uns zur Bedeutung der Arbeit für unsere Gesellschaft bekennen.

[FAZ :] Das könnte auch Guido Westerwelle sagen. Was mögen Sie an ihm?

[Scholz :] Guido Westerwelle ist ein intelligenter, beweglicher Politiker. Mit dem man regieren kann.

Man fragt sich, warum die SPD nicht einfach in die FDP eintritt. Das deprimierend stupide Motto “Arbeit sichern!” ist ein unverhohlener Ableger des neoliberalen Kampfmottos “Sozial ist, was Arbeit schafft”. Ausdrücklich angeknüpft an die Agenda 2010, ist nichts Gutes zu erwarten. Die SPD wird vermutlich ihre Mindestlöhne durchsetzen wollen, um sie dann sofort senken zu können. Und damit sich Arbeit auch lohnt, wird das ALG II gleich mit gedrückt. Nein, das ist kein Witz. Das sehe ich so kommen.
Am Ende auch noch den antikommunistischen Amokläufer und unbelehrbaren Marktbefreier Westerwelle zu loben, zeigt deutlich, wo Scholz wirklich steht: Mit beiden Beinen auf dem Rücken der Geringverdiener, mit dem Kopf tief im dunklen Hintereingang der “Leistungsträger”.

Ich kann es mir nicht vorstellen, ich hoffe und bin mir sicher, dass es sich um Einzelfälle handelt.*

Wir müssen über alles reden können, und dazu gehören auch die Tarifpolitik und Veränderungen beim Kündigungsschutz.

Deutschland braucht nicht nur flexiblere, sondern vor allem auch längere Regelarbeitszeiten.

Mit der Festsetzung eines solchen Mindestlohns würden wir unseren ohnehin überregulierten Arbeitsmarkt noch weiter fesseln.

Die Beschäftigten sollten selber entscheiden können, ob sie zur Sicherung ihres Arbeitsplatzes auf tarifliche Ansprüche verzichten wollen.

Das ist blamabel für Deutschland und wirft kein gutes Licht auf unsere Reformfähigkeit.

Der Vorstoß ist genau richtig und würde den Krankenstand senken. Die Kosten für die Lohnfortzahlung sind noch immer zu hoch.

Wir müssen durch Deregulierung und mehr Wettbewerb im Gesundheitssystem die Lohnzusatzkosten senken und so zu mehr Beschäftigung kommen.

Wir brauchen noch viel mehr Hartz – die Deregulierung des Arbeitsmark-
tes hat begonnen. Jetzt müssen die Schritte Hartz V bis VIII kommen.

Wir versinken immer tiefer im Schuldensumpf.

Das ist blamabel für Deutschland und wirft kein gutes Licht auf unsere Reformfähigkeit.

Wenn der Kanzler ruft, dann kommen wir.
 

Wir versinken immer tiefer in Einzelfällen.

Das ist blamabel für Deutschland.

Wenn die Deregulierung ruft, dann kommen wir.

Das ist blamabel für Deutschland.

 

*[zu den Bespitzelungen von Lidl-MitarbeiterInnen]
- – -
Michael Rogowski soll als Mitglied im “Lenkunsgausschuß” für die unfähige Bundesregierung darüber entscheiden, welchen Konzernen Milliarden an Steuermitteln in die hohlen Krallen geworfen wird. Dazu ein Lesebefehl.

Mindestlohn ist DDR pur ohne Mauer.
Erhalten wir die soziale Marktwirtschaft, oder werden wir zu einer DDR light?
Das ist der Weg in die Planwirtschaft. Es ist mir zu viel DDR.

Die Regierung ebnet den Weg in den Kassensozialismus und die Planwirtschaft.
Brüder zur Sonne zu Faulheit.
Es gibt kein Recht auf staatlich bezahlte Faulheit.

Eine Enteignung – das ist Sozialismus, aber nicht soziale Marktwirtschaft.
Die guten Menschen geben ihr eigenes Geld, die Gutmenschen – wie sie da sitzen – verteilen das Geld anderer Leute.
Multikulti als Beliebigkeit ist gescheitert.

Es geht um gesunden Patriotismus, nicht um dumpfen, spießigen Nationalismus.
So redet sonst nur noch die NPD.

Lust auf Leistung ist das beste Konjunkturprogramm.
Steuern runter, Arbeit rauf!
Es gibt nichts unsozialeres als diese Steuererhöhungspolitik.

Der wahre Sklavenhalter ist der Staat.
So funktioniert Demokratie.

So redet sonst nur noch die NPD.
So funktioniert Demokratie.

Die Erhöhung von Hartz IV war ein Anschub für die Tabak- und Spirituosenindustrie.
Ich halte nichts davon, wenn 85-Jährige noch künstliche Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen.
Wir müssen über einen Systemwechsel nachdenken.

Eine Erhöhung um acht oder zehn Euro hat den Gegenwert von zwei Schachteln Zigaretten oder zwei großen Pils.

Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.

Wir stehen dazu, dass wir in drei Jahren zwei Millionen weniger Arbeitslose haben wollen.
Wenn jeder mitmacht, kriegen wir die zwei Millionen in drei Jahren hin.
In drei Jahren beginnend ab heute elf Uhr.
Dann wird sich die Stimmung im Land spürbar verändern.

Wir müssen über einen Systemwechsel nachdenken.

In drei Jahren beginnend ab heute elf Uhr.

Dann wird sich die Stimmung im Land spürbar verändern.

Wir müssen über einen Systemwechsel nachdenken.

[mit freundlicher Unterstützung der Herren Mißfelder, Steinbrück, Müntefering, Hartz und Schröder.]

Wir müssen aufpassen, dass wir nicht einen Tag nach der Konjunktureuphorie die nächste
Rezession herbeireden.

Wir sind nicht in einer Rezession.

Es ist komplett verantwortungslos von einigen Pessimisten zu behaupten, dass das Schreckgespenst der
Rezession umhergeht.

Wir sind nicht in einer Rezession.

Einige Herren haben mit ihren Einlassungen jedes Augenmaß verloren und arbeiten aktiv an einer kollektiven
Pessimismusfalle mit.

Wir sind nicht in einer Rezession.

Wer 25 Milliarden Euro Steuersenkung fordert, hat so wenig Augenmaß wie der, der ein
50-Milliarden-Investitionsprogramm fordert.

Wir sind nicht in einer Rezession.

Wir haben alle in einen Abgrund geblickt.

Deutschland ist in einer Rezession.

Wir haben noch nie in einen so tiefen Abgrund geschaut.

Deutschland ist in einer Rezession.

Deutschland ist in einer Rezession.

[Anmerkung: Dieser Text erschien erstmalig am 11.02.2009 in der Community des Freitag. Bislang poste ich einige Artikel doppelt, es wird aber dauerhaft eine Trennung der beim “Freitag” geposteten Inhalte von denen hier geben. Selbstverständlich bleibt Feynsinn mein Blog, der Rest ist Nebensache.]

In der gegenöffentlichen Debatte spielt der Begriff des “Neoliberalismus” eine zentrale Rolle. Er bezeichnet die Ideologie der westlichen Marktwirtschaft, des zeitgenössichen Kapitalismus. Protoptypisch ist diese Ideologie in Deutschland formuliert und institutionalisiert worden. Dafür stehen Think Tanks wie die “INSM”, politische Großprojekte wie die “Agenda 2010″ und das Grundkonzept des deutschen Neoliberalismus, das Lambsdorff-Papier. Seit dem Ende der sozialliberalen Koalition hat sich ein Konzept etabliert, das auf einigen simplen Grundannahmen beruht und ebenso effizient wie aggressiv umgesetzt wurde. Ein wichtiger Aspekt der Umsetzung des Konzepts ist schon in diesem selbst angelegt: Der Zwang zum Optimismus, die Rede vom “Aufschwung”. Zunächst aber zu den Grundpfeilern des Konzepts. Diese sind:

- Niedrige Löhne
- Niedrige Kosten der Sozialabgaben für Arbeitgeber, Senkung der Lohnersatzleistungen
- Niedrige Steuern, insbesondere für Unternehmen
- Niedrige Staatsausgaben, “Konsolidierung” der öffentlichen Haushalte
- Deregulierung
- Privatisierung
- Bindung des Freiheitsbegriffs ans Privateigentum, Unantastbarkeit des letzteren
- Ausschließlich positive Kommunikation der wirtschaftlichen Lage.

Kurze Geschichte einer Ideologie

Begleitet wurde dieses Grundkonzept von einer äußerst differenzierten und forcierten öffentlichen Kommunikation. So gelang es, die Inanspruchnahme von Lohnersatzleistungen mit der Vokabel “(Sozial-)Mißbrauch” zu konnotieren, die Bezieher hoher Einkommen als “Leistungträger” zu kommunizieren und Arbeitslosigkeit mit “Eigenverantwortung” zu verbinden. Letzteres ist eine besonders gelungene Kombination, die sowohl die Möglichkeit bietet, Arbeitslosen allerlei zuzumuten unter dem Vorwand, ihre “Eigenverantwortung” zu aktivieren, als auch die Möglichkeit, sie selbst für ihre Lage verantwortlich zu machen. Strukturelle Bedingungen der Arbeitslosigkeit oder massenhafter Stellenabbau trotz exorbitanter Gewinne geraten so in den Hintergrund.

Die “Agenda 2010″, die im Grunde aus den “Hartz”-Gesetzen, der Liberalisiserung des Börsenhandels, Steuerbegünstigungen für Aktiengesellschaften und weiterer Privatisierungen besteht, ist eine 1:1-Umsetzung des Lambsdorff-Papiers. Was die Regierungen Kohl sich in dieser Radikalität nicht zugetraut haben, durfte eine Rot-Grüne durchsetzen, weil ihr Wählerklientel diejenigen waren, die dagegen hätten aufbegehren müssen. Da Schröder aber ein Arbeitsmarktwunder versprochen hatte und auch sonst allerlei Nebelmaschinen anwarf, gab es keinen großen Widerstand. Die parlamentarische Opposition besteht seitdem in einer einzigen Partei, die als linke mit Vergangenheit problemlos als Schmuddelkind diktatorischer Herkunft denunziert werden konnte.

Eine aufklärersiche Presse, die dagegen gehalten hätte, gab und gibt es nicht in relevanter Verbreitung. Es zeigt sich, daß die Demokratie aufhört zu funktionieren, wenn zwischen den Leitlinien der etablierten Parteien kein kritischer Widerspruch besteht. Die “freie Presse” erweist sich als Konglomerat von Parteigängern mit fester Anbindung ans Establishment. Es findet sich kein großer Printverlag, der sich mit diesem anlegt. Im Gegenteil werden einerseits Informationen nur in esoterischen Zirkeln von der Politik an die Medien weitergegeben, andererseits sind aus den Verlagen Konzerne geworden, die sich am Gewinn orientieren und diesem ihre aufklärersiche Funktion strikt unterordnen.

In diese Struktur sickern die vorbereiteten mundgerechten “Informationen” der neoliberalen Think-Tanks ein wie warmes Öl. Nahtlos passen sich “Erhebungen” und “Studien” von “Instituten” ein, deren Organisation straff auf Tendenz abgestellt ist. Als trauriges Beispiel sei hier Forsa erwähnt, das als “Demoskopie” verkauft, was tatsächlich die Meinung eines einzelnen verbreitet, nämlich des Institutschefs Güllner, einem stramm rechten SPDler schröderscher Prägung.
Daß Rotgrün erst verwirklichte, wovon Schwarzgelb unter Kohl nur träumte, war der Anfang. Die Große Koalition forciert diesen Kurs mit aller verfassungsgebenden Macht.

Der wahrscheinlich ernst gemeinte ökonomische Kern dieser Ideologie besteht in dem Glauben, daß die optimalen Bedingungen für die Erwirtschaftung von Gewinnen in einer globalen Wirttschaft zum “Wohlstand für alle” führt. “Alle” sind in diesem Fall allerdings nur die Deutschen, denn es wurde wieder einmal hier so gnadenlos wie nirgends sonst darauf gesetzt, daß die Welt uns diene. Wir schickten Waren statt Truppen und sind abonnierter “Exportweltmeister”. Tatsächlich hat das in den vergangenen gut 25 Jahren trotz der “Kosten der Wiedervereinigung” zu gigantischen Wirtschaftsleistungen geführt.

Zwei maßgebliche ökonomische Aspekte sind aber außer Acht gelassen worden, größtenteils bewußt, teils, weil das Konzept eben nicht aufgeht: Der “Wohlstand” kommt nur den wenigsten zugute, was unmittelbar zu einer dauerhaften Lähmung des Binnenmarktes geführt hat, und die Deregulierung hat zu einer fatalen Aufblähung des Finanzsektors geführt. Dies führt zunächst zu einer enormen Beschleunigung der Schieflage bei Einkommen und Vermögen. Dem Kreislauf der Warenwirtschaft, Produktion und Konsum, wurde das Geld massiv entzogen, weil sich mit Spekulation viel höhere Gewinne erzielen ließen. Diese Gewinne kommen nur denen zugute, die das Geld dafür zur Verfügung haben.

Da sich aber dauerhaft nur Gewinne erzielen lassen, wenn solvente Kunden etwas kaufen, mußte dieses System zwangsläufig zusammenbrechen, weil zuletzt die hohen Gewinnerwartungen nur noch durch windige Geschäfte zu befriedigen waren. Die Kredite, die amerikanischen Häuslebauern angedreht wurden, welche mit Verstand betrachtet von vornherein insolvent waren, sind das finale Symptom dieses Irrsinns.

Der Niedergang und seine Ursachen

Nun rächt sich jedes Detail der neoliberalen Plünderung. Eine Wirtschaft, die sich selbst überlassen ist, die niedrige Löhne etabliert hat, private Haushalte mit hohen Kosten für Sozialversicherungen und Energie belastet und dann von den Zinsen profitieren will, die diese Haushalte aufbringen sollen, kann nur kollabieren. Zuerst kam diese Erkenntnis bei den Banken an, dann bei der Realwirtschaft. Nichts geht mehr, das Geld ist weg. Diejenigen, die kaufen wollen und müßten, haben keins mehr. Diejenigen, die es haben, können dafür nichts kaufen, was sie brauchen. Und sie können es auch nicht mehr ausgeben, um mehr daraus zu machen.

Symptomatisch für die Zwangsneurose der Gewinnmaximierung sind die Beschwörung des “Aufschwungs”, die Blindheit gegen die schiere Möglichkeit einer Rezession und die schon 1982 im Lambsdorff-Papier zementierte Ablehnung jeder Form vom Kritik am Zwangsoptimismus:

Eine Hauptursache für die seit Jahren anhaltende Labilität der deutschen Wirtschaft liegt zweifellos in der weitverbreiteten und eher noch wachsenden Skepsis im eigenen Lande. Die seit über zwei Jahren andauernde Stagnation, die immer neu hervortretenden Strukturprobleme, die wachsende Arbeitslosigkeit, die große Zahl von Insolvenzen, das Bewußtwerden internationaler Zinsabhängigkeit sowie nicht zuletzt die Auseinandersetzungen und die Unklarheit über den weiteren Kurs der Wirtschafts-, Finanz- und Gesellschaftspolitik haben in weiten Bereichen der deutschen Wirtschaft zu Resignation und Zukunftspessimismus geführt.

Bisher ist es jedoch dadurch nicht gelungen, die pessimistische Grundstimmung zu überwinden und die wirtschaftlichen Zukunftserwartungen zu verbessern. [...]Eine die Wirtschaft nicht überzeugende Konsolidierungspolitik kann aber keine neuen Unternehmensinitiativen wecken; sie kann sogar durch das Zusammentreffen von staatlicher Nachfragekürzung ansteckendem Pessimismus in der Privatwirtschaft einen noch gefährlicheren circulus vitiosus in Richtung Depression auslösen

Die Farce zum Finale

Wer in den vergangenen Monaten die Reden von Steinbrück verfolgt hat, hat dieses Schauspiel noch einmal in seiner ganzen Erbärmlichkeit miterlebt. Von “Crisis-what Crisis?” über “Nur nicht die Rezession beschwören” bis hin zum “tiefsten Abgrund” waren es nur einige wenige Schritte. Ohne jede (Selbst)-Kritik manifestiert sich da das “Weiter so” ohne ein “Weiter” und ohne ein “So”, um in einem bräsigen “oder so” zu verhallen.

Die letzte Schlacht einer realitätsblinden Strategie ist ebenso konsequent wie tragisch. Diese war von vornherein darauf angelegt, sich gegen jede Kritik abzuschotten und jedes Opfer hinzunehmen. Der Neoliberalismus kann sich nicht anders denken als alternativlos. Die Verhöhnung und Beschuldigung der Verlierer, das Zusammenrücken derer, die sich als “Elite” betrachten, das Hinnehmen jeder schreienden Ungerechtigkeit auf dem Weg in den Abgrund waren Programm. Die Gleichsetzung von “Privateigentum” mit Freiheit hat die Frage gar nicht zugelassen, wie denn die Menschen ohne Vermögen zu ihrer “Freiheit” kämen. Daraus folgt unmittelbar die Notwendigkeit, sie für ihr Los persönlich verantwortlich zu machen.

Ganz selbstverständlich ist den Ideologen auch der Untergang nur ein dummer kleiner Unfall und die Verantwortung bei anderen zu suchen – am Ende beim Schicksal und bösen Einzeltätern.
Eines aber ist heute und für alle Zeiten klar: Es gab und gibt keine Alternative.

Sozial ist, was Arbeit schafft.
Eine unabdingbare Voraussetzung der Freiheit
ist das Vorhandensein von persönlichem Eigentum.
Wir müssen Eigenverantwortung fördern.

Wir müssen persönliches Eigentum schaffen.
Sozial ist, was unabdingbare Voraussetzung der Freiheit,
Eigenverantwortung fördert,
das Vorhandensein von Arbeit.

Eine unabdingbare Voraussetzung der Eigenverantwortung
ist das Vorhandensein von Arbeit.
Sozial ist, was persönliches Eigentum schafft.
Wir müssen Freiheit fördern.

Eine Freiheit der Eigenverantwortung
ist unabdingbare Voraussetzung von Arbeit.
Das Vorhandensein von Voraussetzung ist sozial
von persönlichem Eigentum.

In einem Interview mit Oskar Lafontaine zelebriert Ulf Poschardt für die “Welt” seine heillose Verstrickung in einen Sprachgebrauch, der nichts anderes mehr zulassen will als Definitionen, die der verinnerlichten Ideologie zuträglich sind. Während Lafontaine es sich nicht nehmen läßt, die Dinge so zu erläutern, wie er sie denkt, hält der Interviewer ihm die Arroganz medialer Definitionsmacht entgegen. Der Journalist will nicht diskutieren, er will Bedeutungen festgelegt wissen:

WELT ONLINE: Meinen Sie Chancen- oder Ergebnisgerechtigkeit?

Lafontaine: Das sind Täuschungswörter des Neoliberalismus. Schon von Chancengerechtigkeit zu reden ist angesichts der gravierend ungleichen Verteilung der Startchancen ein schlechter Witz.

Es soll nur als “Gerechtigkeit” gelten dürfen, was in den genannten Dualismus paßt. Selbstverständlich ist “Ergebnisgerechtigkeit” dann falsch, weil sozialistische Gleichmacherei. Es soll ergo nur “Chancengerechtigkeit” geben, die unter Hand als gegeben behauptet wird. Mit Recht hält Lafontaine dem die soziale Realität entgegen.

Lafontaine: All diejenigen, die die Menschen mit den Lügenwörtern des Neoliberalismus hinters Licht führen.

WELT ONLINE: Was ist aus Ihnen geworden, dass Sie das Wort „liberal“ als Schimpfwort einsetzen? Sie galten früher in der SPD als ein moderner Linksliberaler.

Die Gleichsetzung von “Neoliberalismus” mit “liberal” und der anschließende wirre Vorwurf zeugt von einem Geist, dem die Sprache abhanden gekommen ist. Es geht nur noch um das Hüben vs. Drüben der vermeintlichen ideologischen Gräben.

WELT ONLINE: Dann verstehen Sie sich als Liberaler?

Lafontaine: Moment. Ich will noch etwas sagen. Und drittens: Einer der Vordenker des Neoliberalismus, Alexander Rüstow, sagte, der Staat muss dorthin, wo er hingehört, über die Wirtschaft. Davon kann in einer Zeit, in der ein ehemaliger Bundesbank-Präsident zutreffend gesagt hat, die Finanzmärkte kontrollieren und beherrschen die Politik, nicht mehr die Rede sein.

WELT ONLINE: In diesem – zugegebenermaßen kruden Verständnis des Liberalismus – wären Sie dann ein Neo-Liberaler?

Was “krude” sein soll am Verständnis, erschließt sich mir nicht. Die Anschlußfrage taugt nicht einmal mehr zum schlechten Witz. Sie ist schlicht peinlich.

WELT ONLINE: Dennoch benutzen Sie das Wort „liberal“ in diesem Gespräch meist so, wie es im Augenblick viele benutzen: als Schimpfwort. Gemäß dem Diktum von Wittgenstein: Bedeutung entsteht im Gebrauch. Sie galten früher als Feingeist in der Politik, jetzt geben Sie den Polemiker. Macht Ihnen das Spaß?

Schimpfwort gemäß Bedeutung als Gebrauch, das ist also Wittgenstein? Und macht das Spaß? Wittgenstein kann leider nicht antworten, vermutlich würde er den Wörterkasper verklagen.

WELT ONLINE: Dafür erhalten die Arbeitnehmer einen Lohn.

Lafontaine: Das genügt nicht. Der Unternehmer kriegt neben dem Zuwachs des Betriebsvermögens seinen Gewinn und seinen Unternehmerlohn. Uns geht es nicht um die Enteignung der Unternehmer, sondern darum, dass die ständige Enteignung der Arbeitnehmer beendet wird.

WELT ONLINE: Sie betreiben Politik als Sprachspiel.

“Sprachspiel”, das ist dem verunsicherten Tendenzjournalisten jeder Widerstand gegen die selbstproduzierte Entmündigung. Wenn marktliberale jede Steuer als “Enteignung” bezeichnen und jemand daherkommt, der das Spiel von Zueignung und Enteignung aus seiner Perspektive beschreibt, sei das “Sprachspiel”. Ein toller Begriff vom großen Wittgenstein, der übrigens nicht das Mindeste mit dem zu tun hat, was der Interviewer hier auftischt. Ginge es nach diesem, dürften Politiker bald gar nicht mehr sprechen, sondern nur noch vorbeten.

WELT ONLINE: Hat die Linke noch nicht verstanden, dass ihre Form der Sozialtransfers das Prekariat in der Unmündigkeit, ohne Selbstverantwortung, hat verkümmern lassen?

Lafontaine: Wir haben einen anderen Begriff von Verantwortung als die Neoliberalen.”

Nun muß man zuerst einmal feststellen, daß nicht “die Linken” für “Sozialtransfers” verantwortlich sind, sondern die bisherigen Regierungen der Bundesrepublik. Die Behauptung, dies sei “Unmündigkeit, ohne Selbstverantwortung”, ist Neoliberalismus in seiner plattesten Prägung. Zum Thema “Verantwortung” werde ich mich in einem der folgenden Artikel noch auseinandersetzen. Selbstverständlich erklärt der Ideologe hier auch nicht, wie denn mehr “Verantwortung” und “Mündigkeit” aussähen und wer in der Wirklichkeit für was die Verantwortung trägt.

(Lafontaine):Im Zentrum des Christentums steht übrigens nicht Eigenverantwortung, sondern Nächstenliebe.

WELT ONLINE: Ja, aber die wird ja auch in Deutschland praktiziert.

Lafontaine: Na ja, Ihr Wort in Gottes Ohr.

WELT ONLINE: Sie wird in Deutschland sehr umfassend praktiziert. Also es gibt keine linke Form von Selbstkritik, was den Erfolg der Sozialleistungen betrifft?

Die Widerrede zeichnet sich einmal mehr dadurch aus, daß sie weder irgendwelche Fakten nennt, noch sich um eine Begründung bemüht. Ein seriöser Interviewer hält sich entweder mit seiner Meinung ganz zurück oder er steigt in die Diskussion ein. Poschardt hingegen weiß sich des Applauses der Rechten sicher, wenn er den Interviewten unprofessionell zurechtweist.

WELT ONLINE: Da sind sich ja alle einig. Ist ein Thema wie Sozialmissbrauch für Sie tabu?

Lafontaine: Ich habe kein Problem mit dem Thema sozialer Missbrauch. Es gibt auch Missbrauch sozialer Leistungen. Nur, wenn man über Missbräuche in der Gesellschaft spricht, dann darf man ?

WELT ONLINE: Jetzt kommen Sie wieder mit der anderen Seite.

Lafontaine: … nicht einäugig sein.

Deutlicher kann sich der Ideologe nicht entlarven. Er will, daß nur eine vorgefasste Meinung zur Sprache kommt. Die Assoziierung von “Sozialleistungen” und “Missbrauch”, die die Öffentliche Meinung beherrscht, soll gefälligst auch von der Linken übernommen werden. Dazu soll Lafontaine auf seine demagogischen Bezüge auf die Wirklichkeit verzichten. Großartig.

WELT ONLINE: Sie glauben weiter an den Segen der Umverteilung?

Lafontaine: Umverteilung ist ein klassisches Täuschungswort, das von denen missbraucht wird, die durch die Umverteilung der Erträge der Arbeit zu großen Einkommen und Vermögen kommen. In den letzten Jahren ist die Lohnquote um acht Punkte gesunken. Anders ausgedrückt: Hätten wir noch die Lohnquote des Jahres 2000, dann hätten die Arbeitnehmer 140 Milliarden mehr pro Jahr in der Tasche. Über diese gewaltige Umverteilung reden wir.”

Auch hier eine inhaltlich fundierte Meinung, die das Phänomen “Verteilung” aus einer übergeordneten Perspektive betrachtet. Das will aber die “Welt” nicht hören:

WELT ONLINE: Interessant: Wir finden keine gemeinsame Sprache.

Lafontaine: Sie müssen die Begriffe klären, sonst reden wir munter aneinander vorbei.

WELT ONLINE: Ihre Definitionen sind gut verständlich. Nur sind Ihre Definitionen nicht sonderlich marktgängig.”

Man muß für diese Offenheit geradezu dankbar sein, und hier gelingt dem Narren ein fürwahr fürstliches “Sprachspiel”. Er will Begriffe nicht klären, er will sie marktgängig angewandt wissen. Der Markt definiert die Begriffe – der Markt der Großverlage und der großen Marktteilnehmer, der Verdiener und Leistungsträger. Gleichzeitig soll der Begriff dem Markt dienen, seinem guten Ruf und denjenigen, die sich ihm verschrieben haben.

WELT ONLINE: Dann ist die Linkspartei im orwellschen Sinne eine Partei, die eine eigene Semantik aufbaut und einen Newspeak hat. Dann müssen Sie eigentlich vor allem dafür sorgen, dass die Wähler Ihre Definition teilen.

Nicht einmal Orwells “1984″ hat Poschardt begriffen, vielleicht sollte er noch einmal bei Pippi Langstrumpf anfangen. Der “Newspeak” ist die Vergewaltigung der Sprache durch eine diktatorische Herrschaft, bei dem Bedeutungen willkürlich besetzt werden und ihre strikte Anwendung Bürgerpflicht ist.
Wem in diesem Interview diese Rolle tendenziell zukommt, ist nur zu offensichtlich.

Die ruhige Hand regiert. Das Platzen der Ideologieblase “Neoliberalismus” ist traumatisch, Lethargie das Symptom. Die Therapeuten, selbst ratlos, weil sie die Phase der blinden Euphorie einer kranken Wirtschaftspolitik für pure Gesundheit gehalten haben, moderieren schwerfällig die erste Aufarbeitung der Krise. “Das ist gut, daß Sie etwas tun”, sprechen sie dem Patienten zu, dunkel ahnend, daß sie ihm nicht helfen können.
Die Lethargie des Patienten ist nur das erste Symptom und Heilung nicht in Sicht, weil weder der Kranke noch die Therapeuten annähernd die Ressourcen haben, um Hoffnung gedeihen zu lassen. Der Patient kennt nur die Strategien, die er von seinen Ratgebern übernommen hat. Die Ratgeber selbst haben weder die volle Einsicht in ihr Versagen, noch eine Idee, wie sie ihren Strategiewechsel einem Klienten nahebringen sollen, dessen Ich-Schwäche eklatant ist. Der Patient hat nie selbst gehandelt, sich in die totale Abhängigkeit von seinen Ratgebern begeben und ein völlig eindimensionales Handeln entwickelt.
Daß die politischen Handlanger einer neoliberalen Ideologie ratlos sind, ist verständlich. Daß den gescheiterten Theoretikern immerhin dämmert, daß sie falsch lagen, wäre beinahe löblich. Wenn sie in diesen Zeiten dennoch glauben, sie seien qualifiziert, mit ihrer Behandlung fortzufahren, anstatt endlich abzutreten, zementieren sie die Hoffnungslosigkeit.
Daß dieselben Kostensenkungsapostel und Profitanbeter, die maßgeblich die Krise heraufbeschworen haben, jetzt als Besserwisser in Sachen Konsumförderung auftreten, ist eine geradezu tragische Anmaßung. Wer wirklich Rat sucht, fragt nicht mehr den, der sich als ahnunglos, verbohrt und unverantwortlich erwiesen hat. Dabei reicht es nicht, den dümmsten der Dummen von der Liste der Experten zu streichen, es ist vielmehr an der Zeit, diejenigen um Hilfe zu bitten, die man nie gefragt hat und von denen man eine ehrliche Meinung erwarten kann. Die selbsternannten “Weisen” gehören definitv nicht dazu.

Noch einmal sei daran erinnert, was der dümmste der Dummen noch Anfang 2007 von sich gab:

Konsum ist schädlich für das wirtschaftliche Wachstum und unnötig für die Konjunktur. Der derzeitige Boom der deutschen Wirtschaft ist der beste Beweis dafür, dass es für eine gute Konjunktur auf eine sofortige Erhöhung der Konsumgüternachfrage gar nicht ankommt.

Da helfen keine Pillen.