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Es mag etwas kapriziös erscheinen, aber ich habe heute einen Artikel von Dietmar Dath gelesen, der mich geärgert hat. Er hat mich deshalb geärgert, weil er den Begriff “Ideologie” willkürlich mit Assoziationen behängt, die ihm eine unsinnige Komplexität verleihen und damit mehr verschleiert als erhellt. Das mag daran liegen, dass der Autor, der hier einen merkwürdigen Anspruch an “Praxis” formuliert, dieser wohl kaum selbst standhält.

   dogma

Dath zieht eine nicht ungefährliche Schublade auf, die nämlich, in der die Dämonen der Fleischhauers lauern, eine flache Kritik der nach-68er:

“In den siebziger und achtziger Jahren [...] verstand man unter Ideologie das schlechthin “affirmative” Denken und Reden, also jede Form der gesellschaftsbezogenen Äußerung, mit der vorhandene Widersprüche unzutreffenderweise als versöhnt dargestellt wurden.”

Das bürgt für Qualität: “Er gilt als …”, “Man versteht …” Wer bitte verstand das wo und woher hat er das bloß? Nein, affirmatives Reden ist nicht Ideologie. Ideologie ist hingegen affirmativ. Ideologie kennt nichts anderes als Bestätigung und daher keine Kritik. Nicht jedes Befürworten eines Zustandes ist aber deshalb gleich Ideologie.

Common Sense ist noch keine Ideologie

Und auch gesellschaftliche Widersprüche, die in Rituale übergehen, ein Habitus oder das, was man eben mitmacht, sind nicht unbedingt Ideologie. Common Sense ist nicht grundsätzlich ideologisch, deshalb taugen auch die Beispiele wenig, wie dieses:

“Wir trennen bereits den Müll, haben aber noch keine stimmige Energiewirtschaft”

Na und? Auf das eine hast du Einfluss, auf das andere nicht. Niemand behauptet, mit der Mülltrennung sei alles gut. Ich trenne auch Müll, obwohl die Energiewirtschaft für mich genauso eine Mafia ist wie die Entsorger. Wo ist jetzt das ideologische Moment? Und warum befragt Herr Dath ausgerechnet Lenin und Engels? Haben die auch ihren Müll getrennt?

“Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es Leute, die sich auf den Begriff sogar positiv bezogen: Noch Lenin schreibt lobend von einer proletarischen oder dialektisch-materialistischen Ideologie, die er der von ihm abgelehnten bürgerlichen und idealistischen entgegensetzt.”

So, dann gehen wir doch bitte mal an die Wurzel des Begriffs. Er entstammt meines Wissens dem Enzyklopädismus, dem Versuch, das gesamte Wissen der Welt lexikalisch festzuhalten. Ein für das 18. Jahrhundert zeitgemäßer, wenn auch rührender Ansatz. Im Anschluss daran versteht man auch das Problem der Ideologie: Sie möchte vollständig sein, strebt zwangsläufig zum totalen Weltbild und gerät deshalb zu einer Ideenlehre, die schon bald nur mehr damit beschäftigt ist, auszuschließen anstatt zu erschließen. Sie verbreitet eine fertige Idee und entwickelt diese nicht weiter. Das ist der Kern jeder Ideologie. Dath schaufelt weiter die Kohlen in seine Lok, die leider auf dem falschen Gleis davon rattert:

Das sagt mir gar nichts

“Aber Engels sagt mehr. [...] Er sagt, was genau an der Sorte Bewusstsein falsch ist, die Ideologie produziert: Weil ihr Träger die in gesellschaftlichen Verhältnissen gebundenen Kräfte, die ihn bewegen, nicht kennt, imaginiert er falsche und vergisst, dass sein Denken von seinem Handeln abhängt”

Schön, dass Engels das sagt, mir sagt das aber überhaupt nichts. Warum muss man den Begriff “Ideologie” mit diesem Praxis-Schmarrn behaften? Warum kann ein theoretischer Versuch nicht theoretisch bleiben, vor allem aber: Warum muss ich den Umweg über ein “Handeln” gehen, wenn Ideologie auf der theoretischen Ebene, der sie angehört, bereits zum Scheitern verurteilt ist? Ihre Grundpfeiler, der Anspruch auf Vollkommenheit und die Anmaßung, Ideen zu lehren, sind vormodern. Deshalb taugt das Ganze nichts. Die Kritik Adornos und der Frankfurter Schule ging deshalb sehr viel tiefer als Dath sie vorführt: Sie richtet sich am Ende gegen jede Theorie, die ins Positive dreht. Einfach gesagt: Alles Wissen hat ein Haltbarkeitsdatum. Das ist es, was die Ideologen nicht begreifen.

Schließlich:

“Sozialkritik, die nicht ihre Positionen offen vermittelt mit der Praxis derer, die da reden, ist Anlauf zur Errichtung oder Verschärfung von Herrschaft”

ist die falsche Diagnose. Es ist recht verständlich, dass die Theorie der eigenen Praxis nicht unmittelbar widersprechen sollte. Sich von Mutti die Bütterkes schmieren lassen und die Weltrevolution planen kommt einfach nicht gut. Das ist aber nicht das Problem. Die Praxis derer, die da reden, ist bereits geprägt von den Möglichkeiten, die Herrschaft noch lässt. Hier ist Theorie geradezu darauf angewiesen, die Praxis virtuell außen vor zu lassen. Was Herrschaft errichtet und verschärft, ist die Gewalt der Ideologie: Ihre Propaganda.

 
notmygauckWas wir einen “Bundespräsidenten” zu nennen uns schämen dürfen, pendelt zwischen den Ruinen einer brachialen Rhetorik, dem Geist des Stahlhelms und den Wirrungen einer manifesten Psychose. Aus seiner aktuellen Rede zitiere ich den letzten Absatz, das geht ab wie Salzwasser:

Wir, zusammen einzigartig, schauen uns an diesem Festtag um. Wir sehen, was uns in schwierigen Zeiten gelungen ist. Und wir sind dankbar für all das, was gewachsen ist. Und eine Verheißung kann uns zur Gewissheit werden: Wir müssen glauben, was wir konnten. Dann werden wir können, woran wir glauben.

Nein, tun wir nicht. Die ersten drei Wörter sind schon eine Zumutung aus schaler Suggestion, desolater Grammatik und völkischem Dung. Das braucht kein Mensch. “Wir” sind gar nichts, und wenn ihm danach ist, für etwas Gewachsenes einen Kollektivdank zu entbieten, dann soll er zum Erntedank in seine gottverdummte Kirche gehen. Vielleicht hat er ja die Reden verwechselt.

Das “Wir” lasse ich dann einmal aus. Ich will kein “Wir” sein mit diesem widerlichen Menschen und seiner Ideologie. “Verheißung zur Gewissheit” – welch ein Pomp, welch billige Sprachbilder riefenstahlscher Dimension, und das verquirlt diese losgelassene Lallbacke mit “glauben, was wir konnten“?! Hä? Etwas, das in der Vergangenheit liegt, kann man wissen und beurteilen. Der Pfaffe aber, der Folgsamkeit und Unwissen sät, ruft stattdessen zum Glauben auf. Den an die Nation übrigens. Woher kenne ich das bloß?

Großmächtiger Einpeitscher

“Dann” wenn wir also glauben, was wir besser wissen sollten, können wir etwas? Nämlich “können, woran wir glauben“? Ist da irgendwo eine Logik, die das “wenn” mit dem “dann” verbindet, die Basiskonstellation aller Logik? Ja wie denn? Fehlanzeige. Dafür ist er nämlich da, der “Glaube”. Der hat übrigens gar nichts am Zettel mit wenn-dann oder Können, er steht ganz im Schatten der völkisch-nationalen “Verheißung”, einer Sprechblase, die mystischen Mumpitz an die Stelle kritischer Reflexion setzt.

Dies ist nur ein Absatz aus einer Rede, in deren Atmosphäre sich wie geölt “Engagement” und “Verantwortung” sagen lässt, wo jeweils “Krieg” gemeint ist. Seinen Neusprech hat der Einpeitscher wie immer großzügig über die Zeilen verteilt.

In den Kommentaren sagte ich heute: Der oberste Pfaffe als polternder Demagoge, genau so habe ich mir das vorgestellt. Als ich mich über die Köhler-Rede geärgert habe, dachte ich nicht, dass der Mann gleich zurücktritt. Als Wulff auf den Sessel gehievt wurde, schickte sich ein gemütlicher, vergleichsweise ungefährlicher Spießer an, den Grüßaugust zu geben. Dann kamen die Grünen mit ihren NATO-Christen und haben uns diese aggressive deutschnationale Variante beschert. Einen schneidigen Pfaffen als Einpeitscher für Großmachtsambitionen – im Rahmen marktkonformer Demokratie, versteht sich.

 
fyMax hat heute seine Wahlempfehlung abgegeben, und es ist auch für mich an der Zeit, meine persönliche Entscheidung zur Diskussion zu stellen. Bekanntermaßen habe ich mich vor der letzten Bundestagswahl an einer Kampagne zur Wahl der “Linken” beteiligt, und meine Gründe waren denen von Max extrem nahe. Kann ich alles unterschreiben. Das Dilemma besteht nun darin, dass die Beteiligung an einer solchen Wahl generell infrage steht. Am Ende muss man sich entscheiden, ohne mit Sicherheit sagen zu können, welcher Weg der bessere ist, von “richtig” und “falsch” einmal ganz zu schweigen.

Es ist richtig zu sagen, dass der Beobachterstatus einer Partei wie “die Linke” dafür sorgt, dass Informationen ans Licht kommen, die sonst nur schwieriger zu erheben sind, vielleicht gar nicht zu bekommen. Man muss sich aber auch darüber im Klaren sein, dass die Wahl von Abgeordneten nicht zu diesem Zwecke geschieht und sie eben noch andere Konsequenzen hat. Nicht zufällig hatte ich zuletzt gehadert, ob ich nicht die Wahl der FDP empfehlen sollte, damit das Maximum an Korruption und ideologiefester Inkompetenz den entsprechenden Ausdruck erfährt. Hat ja auch so geklappt.

Eine parlamentarische ‘Demokratie’, die man satirisch nicht mehr einholen kann – ich habe das hier beschrieben – zwingt zu der Einsicht, dass eine Wahl nicht mehr stattfindet. Reduziert auf die Möglichkeit zur Einflussnahme in dem Sinne, dass man entweder die Einheitsfront wählt oder diejenigen, die nicht mitspielen dürfen, ist diese Veranstaltung ohnehin eine Farce. Ich gebe überdies zu bedenken, dass durchaus die Möglichkeit besteht, am Ende doch in eine sog. “rot-grün-rote” Koalition zu schlittern. Dies würde bedeuten, dass ‘die Linke’ demselben Korruptionsprozess unterworfen würde wie zuvor SPD und Grüne. Diese Strategie liegt auf der Hand, sie wird über kurz oder lang umgesetzt werden, wenn die Verhältnisse sich nicht völlig verändern.

Satire, Farce, Realität

Ich zitiere mich kurz:
Habe ich mir einen Quatsch zusammenphantasiert: Einen Sozen-Kanzler, der Arbeitslose schikaniert bis aufs Blut. Lässt Gesetze von einem Industriemanager machen, der seinen Betriebsrat korrumpiert, indem er ihn in den Puff mitnimmt. Einen SPD-Vorsitzenden, der unter dem Beifall seiner Genossen ausruft: “Wer nicht arbeitet, muss auch nicht essen”. Einen SPD-Sozialexperten, der eine neue Rassentheorie auflegt und dabei von Ausländern schwafelt, die Erbgutschäden in die Gesellschaft tragen.

Inzwischen habe ich das starke Bedürfnis entwickelt, unter diesen Umständen nicht noch einmal in dasselbe Programm einzusteigen und mir vorzumachen, man könnte das Schlimmste verhindern, indem man glaubt, ‘Sand im Getriebe’ zu sein. Zudem ist die Wahrnehmung des aktiven Wahlrechts immer auch eine Legitimation des Prozesses. Was da geschieht, hat aber nichts mehr mit Demokratie zu tun, nicht einmal ansatzweise, und ist auch mit dem Wortlaut des Grundgesetzes nicht mehr in Einklang zu bringen. Ich muss mich dem jetzt verweigern.

Das ist keine Enthaltung, sondern ein entschiedener Wahlboykott. Wenn ich das schon nicht ändern kann, will ich wenigstens nicht mehr so tun, als hielte ich das auch nur entfernt für akzeptabel. Ich höre jetzt schon die Stimmen derer, die uns vormachen, eine solche Verweigerung sei quasi extremistisch und antidemokratisch. Diesen Stuss erwähne ich exakt deswegen, weil das gemeinhin genau die sind, die eine Wahlpflicht in staatssozialistischen ‘Demokratien’ schrecklich finden. Überzeugend finde ich da eher schon die Aussage, dass wer sich an solchen ‘Wahlen’ beteiligt, nachher kein Recht hat sich darüber zu beschweren, dass er betrogen wird. Das nämlich ist das Programm.

 
frogIch habe hier schon eine Menge über Doping (im Radsport) geschrieben, weil ich mich mit der Materie ganz gut auskenne und mir alle Jahre wieder den Skalp von der Fontanelle kratze angesichts der hirnrissigen Berichterstattung über “Sünder”, “Einzelfälle” oder “sauberen Sport”. In diesem Zusammenhang habe ich am Rande stets darauf aufmerksam gemacht, dass es sich beim Leistungssport nicht bloß um Wettkampf handelt, sondern vielmehr um ein Geschäft, mit allen dazugehörenden Widrigkeiten. Es sind Interessen im Spiel, Verwertungsinteressen, es geht um Geld. Das der Teams, der Medien, der Sponsoren, der Zulieferer und ganz am Ende der Nahrungskette das der Sportler.

Jüngst wurde öffentlich, wie die Infrastruktur der vorgeblich ehrenamtlichen westdeutschen Sportverbände und ihrer Dopingforschung dasselbe Geschäft betrieben haben wie andere nationale Verbände auch. Im Radio hieß es dazu kürzlich, es habe hier “kein Staatsdoping” gegeben wie in der DDR. Das ist so dämlich, dass man es getrost als “neuen Tiefpunkt” bezeichnen darf und das Recht auf drei Weizen hat, um das noch zu ertragen.

Breitmaulfrösche? Gibt’s hier nicht

Es ist gerade der gängigen kapitalistischen Ideologie unerträglich, dass der geheiligte “Wettbewerb” sich auf allen Ebenen als das entpuppt, was er ist: Betrug, Ausbeutung, Fassade, Mittel zum Zweck der Kapitalisierung. Es gibt keinen fairen Wettbewerb, keine gleichen Bedingungen, keine Transparenz, schon gar nicht Ehrlichkeit, Rücksicht oder Fairness. Jeder betrügt wie er kann, ob Investmentbanken, die alles manipulieren, was angeblich neutrale Vertragsbasis ist, und zwar systembedingt je reicher, desto ungehemmter. Es kann sich nicht jeder leisten, Rohstoffpreise oder Ratings zu manipulieren, und es kann auch nicht jeder die besten Sportler täglich mit den wirksamsten Wundermitteln vollpumpen.

Ein Staatsdoping findet also nicht statt, es machen sich nur alle Institutionen, staatlich, “gemeinnützig” oder privat, zum Zuträger des Big Business. Dass Jugendliche in staatlich geförderten und ‘beaufsichtigten’ Programmen gedopt wurden, ist kein Staatsdoping, das ist fairer Wettbewerb®. Wer sich nicht erwischen lässt, ist so lange ein sauberer Sportler®, bis er eben erwischt wird. Dann ist ein Sünder®, den man vielleicht noch mal brauchen kann, wenn er bereut und danach wieder als sauberer Sportler® zurückkehrt und schwört. Wird er noch einmal erwischt, ist er ein Betrüger®.

Der Wettbewerb® an und für sich ist nämlich fair® und wird nur durch Sünder und Einzelfälle verunreinigt, auch bekannt als schwarze Schafe®. Ein systematischer Betrug, ein systemischer gar, muss ausgeschlossen werden. Das wäre nämlich Sozialismus, und der kennt ja gar keinen fairen Wettbewerb®.

Deutsche Polizisten wissen, wie es geht. Ein Befehl, den sicher niemand dokumentiert hat, rechtswidrig sowieso – Recht ist dazu da, gebeugt zu werden wie der Gang der Untertanen – und schon marschieren sie los. Der propagandistische Vollblödsinn von der “passiven Bewaffnung”, die seit Jahrzehnten ein Vorwand ist loszuschlagen, mündet in eine neue Qualität absurden Theaters: Regenschirme und Sonnenbrillen verstoßen also nunmehr nach Ansicht der Obrigkeit und ihrer Vollstrecker vor Ort gegen das ‘Vermummungsverbot’. Ein herausragender Schachzug – sofern man ein Brettspiel, das mit dem Gummiknüppel gespielt wird, als “Schach” bezeichnen möchte, denn so ist bei jedem Wetter ein Teil der Teilnehmer Anlass zur Prügelorgie. Nur nackte Demonstranten wären danach nicht vermummt, die kann man dann aber wegen Erregung öffentlicher Erregung festnehmen.

Wenn ein Beamter im Laufe sogenannter “Verhandlungen” über die Frage, auf welche Weise das Demonstrationsrecht ad absurdum geführt werden solle, seinen Erschießungsphantasien freien Lauf gelassen hat, klingt dies nicht wirklich nach Fiktion. Die bewaffneten und vermummten Polizeikräfte – was ist eigentlich das Gegenteil von “Elite”? – und Handlanger jedes halbirren Obersheriffs mit Hang zum Krawall sehen in Demonstrationen ganz offenbar nicht die Wahrnehmung eines demokratischen Rechts. Schlimmer vielleicht noch: Womöglich sehen sie das eben doch, sie können aber genau das nicht leiden. Sie als die Guten und ihre Führer als die Besten der Besten wissen doch stets besser, was sich gehört. Sie selbst sehen keinen Grund zu demonstrieren, im Gegenteil gilt ihnen die Versammlung freier Bürger/innen als Respektlosigkeit. Wenn sie als Beamte unter dem Befehl der Obrigkeit stehen, deren Autorität da offenbar angezweifelt wird, kann ja wohl etwas nicht stimmen.

Die Besten der Besten

Dass es Menschen gibt, die nur zu Demonstrationen fahren, um vermummt auf den Souverän einzuprügeln, kann niemand mehr ernsthaft bestreiten. Diese Leute sind häufig Berufsanfänger, viele mögen den Dienst in einer kasernierten Einheit, die ursprünglich eine bewaffnete antikommunistische Truppe war, welche nach 1968 auch gezielt auf Demonstrationen losgelassen wurde. Zwar sind die Bereitschaftspolizeien Ländersache, sie agieren aber überregional. Kurz gesagt erfüllen sie alle die Kriterien, die sie ihren Feinden vorwerfen.

Das Feindbild ist schon immer dumm gewesen, weil eben ein Feindbild, und inzwischen qualifizieren sich die verfassungsfeindlichen Schläger als Deppen der Nation, die bewaffnete Autonome nicht mehr von singenden Rentnern unterscheiden können. Solche Experten braucht es, wenn künftig immer häufiger Bürger/innen zusammengeschlagen werden müssen, die ihren Unmut kundtun. Dazu passt auch die rhetorische Aufrüstung gegen faule Arbeitslose, die man vielleicht bald in Massen vor sich haben wird. Tröstlich, dass die Honks, die das noch gut finden und sich mit ihrem primatenhaften Auftreten brüsten, keine Ahnung haben, was wirklich ein aggressiver Pöbel ist. Gegen den helfen auch keine Schusswaffen.

Die Aussichtslosigkeit demokratischer Opposition ist am Ende beinahe ein gutes Zeichen. Wut ist reichlich da, aber keine Hoffnung. Die parlamentarischen ‘Vertreter’ werden von niemandem mehr als solche betrachtet, der sich mit ihnen befasst. Die Exekutive tritt zunehmend feindlich auf, unter dem Befehl oft korrupter Regierungen. Dennoch wenden sich die Zornigen noch nicht autoritären Ideologien zu. Sie haben offenbar ein trotziges Vertrauen in eine Demokratie, von der sie wissen, dass sie anders sein muss als das, was von Parteisoldaten und ihren militanten Handlangern derzeit in Schutt und Asche regiert wird.

 
Daniel Cohn-Bendit ist ein “widerwärtiger” Typ, findet der erzsympathische Generalsekretär der CSU, Alexander Dobrindt. Weil er mit ‘Pädophilie’ in Verbindung gebracht wird, jedenfalls in einem Buch sexuelle Handlungen an Kindern beschreibt, die er vollzogen habe. Die aktuelle Ausrede, für die der Grüne Star sich von Multifunktionstool und Emanzenpäpstin Alice Schwarzer Absolution erteilen lässt (was immer die nun damit zu hat): Das sei alles “Angeberei” gewesen. Welch eine tolle Leistung, sich von Kindern am Hosenlatz fummeln zu lassen und ‘zurückzustreicheln’. In der Tat kann ich mir wenig Erbärmlicheres vorstellen als diese Collage aktuellen und historischen Schwachsinns, diese Orgie des Opportunismus, Rückgratlosigkeit, Verlogenheit. Statt einer kritischen Stellungnahme eine heuchlerische Beichte. Aber das überrascht mich keineswegs.

Hinzuzufügen ist die seinerzeit allerdings nicht unübliche Inkompetenz vieler ‘Erzieher’ vor allem in den Sphären, die sich für “links” hielten. So wie sie es meist für “antiautoritär” hielten, Kindern keinerlei Grenzen zu setzen, hatten sie auch entweder nicht den Mut oder den Verstand, sich selbst abzugrenzen. In bezug auf sexuelle Freizügigkeit hielten sie es offenbar auch nicht für angezeigt, Probleme wie Macht und Gewalt auf dieser Ebene erkennen zu wollen. Das wäre vermutlich “spießig” gewesen. Cohn-Bendit hatte also nicht die Eier in der Hose, sie dort drinnen zu lassen, wenn Kinder zugegen waren. Ich nehme an, das hat ihm keinen Spaß gemacht, hatte er also nicht einmal die Courage, das zu sagen? Musste er vielmehr seine Unterwerfung unter einen vermeintlichen Kindeswillen auch noch öffentlich aufblasen?

Mitmacher, Angeber, Helden

Dass er ein Angeber ist, stimmt insofern als dass er die schiere Opportunität als seinen persönlichen Revoluzzergeist verkauft hat. Einereits hatte er offenbar die tumbe Ideologie übernommen, dem unstruktierten Willen von Kindern dürfe man nichts entgegensetzen, um ihnen derart die Autorität zu übertragen. Andererseits musste die ‘sexuelle Revolution’ immer und überall sein und er mittendrin. Keinerlei Distanz, keine Meinung, keinen Willen – nur der erste, der lauteste, der frömmste Revolutionär von allen. Cohn-Bendit erinnert mich stark an “Ace” aus “Quadrophenia“, einen Kofferträger, der sich feiern lässt, weil er vor Gericht mit großer Geste und dem nötigen Kleingeld auftrumpfen kann.

Dass dieser Superheld und Chefmitmacher später zu denen gehörte, die am strammsten durch die Institutionen marschiert sind, nimmt nicht wunder. Der andere Frankfurter mit der großen Klappe, seinerseits der Größte in den Posen vom Straßenkämpfer über den Turnschuhminister bis zum Armani-Atlantiker ist eine vergleichbare Karriere. Immer das Angesagte tun mit einer Prise falschen Esprits und dem unbändigen Willen zur Umdeutung aller früheren Stationen. “Vorwärts und alles vergessen” ist die Parole dieser Verräter ihrer selbst. Wenn diese Exlinken von anderen Exlinken und Neureaktionären angepinkelt werden als die furchtbaren “Achtundsechziger”, als “Linke”, die an allem möglichen Schuld sind, kann man sich nur totlachen, weil hier der eine Spießer dem anderen seine Spießigkeit unter die Nase reibt, ohne das je zu bemerken.

Das ist der Grund, warum Führerfiguren fast zwangsläufig als Reaktionäre enden. Jene, die extrem erfolgreich den Zeitgeist verkörpern, sind in der Regel nur besonders geübte Opportunisten. Sobald sie, besoffen vom vermeintlichen Verdienst und als kernlose Persönlichkeiten vom Establishment hofiert werden, finden sie eine neue Umwelt, der sie sich anpassen können. Wichtige Freunde, die vermeintlich ihrer eigenen Größe entsprechen. Für Emanzipation ist da kein Platz mehr, für Kritik schon gar nicht, aber reichlich für Lebenslügen, von denen keine zu peinlich sein kann.

 
Wer versucht, sich eine andere Gesellschaft vorzustellen, die sich wirklich demokratisch bildet, also als freiwilliger Zusammenschluss von Gleichen, als Gebilde, aus dem niemand ausgeschlossen wird und das dafür sorgt, dass es keine Herren und Sklaven mehr gibt, kämpft dabei an vielen Fronten. Ich will einmal versuchen, das ein wenig zu sortieren und mit der Wirksamkeit ganz anderer Konzepte zu konfrontieren, zumal mit der rechtskonservativer bis traditionell faschistischer Ideologien, die es sehr viel leichter haben sich durchzusetzen.

Einige der Ebenen, auf denen das große Spiel gespielt wird, lassen sich von vornherein benennen:
1) Machtausübung und -techniken,
2) Struktur und Eingrenzung von Herrschaft
3) Produktion und Versorgung
3) Machterhalt/Zugang zur Macht/Nachhaltigkeit
5) Anbindung der Massen an die Wirklichkeit (Wahrheit/Propaganda/Identifikation)
6) Brüche, Widersprüche, Schwachstellen des Systems

Wahrheit ist eine Option

Zunächst möchte ich auf Letzteres eingehen, mit Blick auf das Problem in 5). Es ist nicht nur Tradition in der aufgeklärten Moderne, dass Theorien versuchen, widerspruchsfrei zu sein. Es ist vor allem in der Linken Usus, Systeme entwickeln zu wollen, die frei von inneren Widersprüchen sind, worauf auch der Anspruch eines “wissenschaftlichen” Sozialismus beruht. Dieser scheitert gleich auf mehreren Feldern: Nicht bloß ist solche Widerspruchsfreiheit nur paradox zu haben, nämlich indem nicht vorhergesehene Widersprüche wahrgenommen werden und zu Korrekturen führen – hieran ist der “real existierende” erbärmlich gescheitert.

Es ist der Masse, die es betrifft, auch kaum zu vermitteln, weil nur wenige in der Lage sind, dies auf dem je aktuellen Stand der Diskussion zu verstehen. Hier ergibt sich gleich das nächste Dilemma: Es soll ja gerade nicht die Herrschaft einer Elite sein, auch nicht die einer intellektuellen, aber wie soll das gehen, ohne dass die Intellektuellen den weniger komplex Denkenden ihre Erkenntnisse zubereiten? Ist das nicht auch schon Propaganda? Hinzu kommt, dass die Bemühungen der wissenschaftlichen Betrachtung ganz und gar unattraktiv sind für den Alltag der Menschen, die aber doch überzeugt sein sollen, da sie ja selbst entscheiden sollen, wie sie leben wollen.

Wer sich an dieser Stelle einmal anschaut, welche Möglichkeiten die Gegenseite zur Verfügung hat, wird keinen Grund zum Optimismus finden und sich nicht wundern, warum sich eine Linke nie hat durchsetzen können:

Die bessere Geschichte

Wer die Herrschaft einer Elite gleich welcher Art befürwortet oder zumindest nicht ausschließt, hat einen ganzen Sack voll Optionen, die er beliebig ziehen kann. Im äußersten Fall stehen knallharte Hierarchien zur Verfügung, die über die bekannten Vorteile verfügen: Sie bieten Orientierung, Sicherheit und Stabilität so lange, bis sie als Ganzes angezweifelt werden, was innerhalb dieser Struktur aber ein hohes Risiko birgt. Varianten davon sind zu beobachten von der Behörde über den Großkonzern bis hin zu Staaten wie Preußen oder Nordkorea. Wer in solchen Verhältnissen die Vorteile eines freiheitlichen Sozialismus anpreist, hat wenig Aussicht auf Erfolg.

Selbst das Minimum an Zugeständnis gegenüber der Bildung von Eliten aber, eine Art Lehrer-Schüler-Verhältnis, führt zu der Errichtung von Herrschaftswissen in der Art, dass die Beschreibung der Wirklichkeit unmittelbare Ausübung von Herrschaft ist. Die Masse ‘weiß’, was ihr die Elite zu ‘wissen’ gibt. So lange es Massenmedien, “Experten”, Schüler und Lehrer gibt, wird auch eine Geschichte erzählt, die das Volk glauben soll. Das ist unvermeidlich. Wer also kein Problem damit hat, die schwache Wahrheit mit ihrer verzichtbaren Widerspruchsfreiheit zu ignorieren, kann die Geschichten so erzählen, dass sie funktionieren. Ein klarer Punkt für Rechts, für die Befürworter von Eliten und deren Herrschaft.

Das einzige Problem, das sich aus der vorsätzlichen Wahrheitsproduktion, sprich: Propaganda als Herrschaftstechnik ergibt, ist das Scheitern der Lügen an der Wirklichkeit, wenn das System als ganzes gefährdet ist. Das aber lässt sich innerhalb des Systems meist gar nicht denken und wirkt sich erst aus, wenn die inneren Widersprüche bereits an den Rand des Zusammenbruchs geführt haben.

Fortsetzung folgt.

 
Die Reaganomics und der Thatcherismus markieren die scharfe Kurve hinein in die Endphase des Kapitalismus, das neoliberale Fanal und das Ende aller Hemmungen. Zu ihrem wohl kaum zu fassenden Glück ging auch die Systemalternative unter, just als diese sich zu reformieren begann. Ökonomisch wie politisch wurden die Menschen endgültig zu einer Verfügungsmasse, die man atomar verdampfen, foltern, vor allem aber ausbeuten darf. Niemand hat so aggressiv für den ‘Einsatz von Nuklearwaffen’, also den Weltkrieg gestritten wie Reagan und seine Administration, der bereits die Bush-Familie und deren Hintergrund angehörten. Durch die entschlossene (wenn auch teils aus wirtschaftlichen Gründen vorangetriebene) Abrüstung Gorbatschows hat die Menschheit diese Phase überlebt.

Seine Freundin Maggie Thatcher führte derweil ebenfalls ihre Kriege, die bis auf das übersichtliche, aber sinnlose Scharmützel um die Falklands mit ökonomisch-politischen Mitteln geführt wurden, vor allem gegen Gewerkschaften und Unterschicht. Für ihren gnadenlosen und von Verachtung geprägten Kurs wurde sie zu Lebzeiten bereits sprichwörtlich geadelt, jetzt wird für diese widerliche Machtpolitikerin ein absurdes Zeremoniell veranstaltet, das bis hin zum Anhalten der Glocke von Big Ben geht. Ich schlage vor, wir stellen die Atomuhren für diese Zeit ebenfalls ab und benennen einen Kontinent nach ihr. Burn in hell!

Burn in Hell, Hilda!

Die Verlängerung der Ideologie gegen Menschenrechte und für brutalst mögliche Durchsetzung der Interessen jener Gesellschaft, die sich das seitdem leistet, hat der Sohn von Reagans Vizepräsident und dessen Nachfolger mit Hilfe von Vaters Bankern und Großindustriellen vorangetrieben. Die Menschenrechte wurden dabei endgültig außer Kraft gesetzt. Seitdem wird wieder gefoltert, und wer sich jetzt wundert, daß das nicht die Idee einer Lynndie England war, sondern von Bush und seiner Bande höchstselbst, der wird den Knall nicht hören wollen. Es sind unsere gewählten demokratischen Vertreter, die ausgewählte Quälereien und Morde zur Verteidigung ihrer Demokratie vollstrecken lassen. Man wünscht ihnen ein weniger pompöses Begräbnis.

Eine Frage hätte ich da allerdings noch: Der Retter der freien Welt und ihrer Demokratie, Hoffnungsträger der Versklavten und Entrechteten, wie weit ist der eigentlich mit der Erfüllung seines Versprechens gewisser Selbstverständlichkeiten? Oder ist Obama auch nur ein blöder Affe?

 
gauswester

Links: Das findet der Kommunist Gauß “normal”. Rechts: Die Korrektur durch den Bundesaußenminister

Was in gewissen Kreisen, zumal im Netz, als “Neusprech” bezeichnet wird, ist längst nichts Neues mehr, im Gegenteil: Es ist die völlig verkrustete Sprachverwaltung einer Ideologie, die sich seit Jahrzehnten der Realität verweigert. Daher sucht sie ständig Deckung vor dem Licht der Wahrheit und flüchtet sich in ihren absurden Code. Ihre eifrigen Anwender sowie deren Zulieferer aus den PR-Bordellen bewegen sich dabei in so engen Bahnen, dass ihnen bestenfalls Varianten des immer Gleichen einfallen. Die DDR wurde gut 40 Jahre alt. Das Geschwätz der Lambsdorff-Schröder-Westerwelles herrscht seit mehr als 30 Jahren. Ist das ein Zeichen?

Die Journaille assistiert nicht mehr bloß, sie ist eingebettet in die Produktion der Lüge, die natürlich nicht so heißen darf. Eines der skurrilen Tabus in der öffentlichen Debatte ist ausgerechnet das, einen Lügner “Lügner” zu nennen. Das heißt dann höflich-infantil “Unwahrheit”. Die hat sprachlich keinen Akteur, es gibt keinen “Unwahrheiter”. Wie praktisch!

So kommt es dann, dass ein Magazin unbeschadet behaupten darf, die FDP nehme eine “Debatte über soziale Gerechtigkeit an“. Das geschieht in der Form, dass die Sprechpuppe Westerwelle knarzt, es gehe um “Chancengerechtigkeit”, die “Mittelschicht” und nicht um “Umverteilung”. Dies – in Form von Steuererleichterungen – wiederum sei deren “Alternative”. Das Artikelchen hat kaum 20 schmale Spalten und doch geht so viel Lüge hinein. Wo soll man da anfangen?

Einfacher, niedriger, gerechter

Dieser Maximalblödsinn trifft auf eine halbgare Debatte über Armut und Reichtum, wobei die Faktenbasis längst unbestritten ist: selbst fast 80% der FDP-Anhänger wissen demnach, dass Reiche immer Reicher und Arme immer ärmer werden. Selbst die sind nicht so doof, das zu leugnen; warum dann die Funktionäre? Sie müssen Gauß für einen Kommunisten halten, der mit marxistischer Mathematik das Volk aufstachelt. Verteilung, so lernen wir, ist genau die Dynamik der Akkumulation. Jede Form von Ausgleich wäre “Umverteilung”. Allein die Röslers, Westerwelles und ihre kondebilen Trommelschläger leugnen den Klassenkampf und wollen das noch irgendwie “gerecht” finden.

Zu denen gehört selbstverständlich auch das Mastermind Günther Oettinger, der nicht mal den Flassbeck versteht und daher als EU-Bürokrat ausgerechnet die “Wettbewerbsfähigkeit” Deutschlands in Gefahr sieht. Man weiß es nicht: Ist das intellektuelles Versagen interstellaren Ausmaßes oder ebensolche Frechheit?

Ganz Gallien aber glaubt diesen fetten Pfaffen, und die journalistischen Ministranten gehen bei Fuß. Ganz Gallien? Nein. Stephan Hebel zum Beispiel bleibt standhaft und vergleicht den Austeritäts-Schäuble mit einem Mafiaboss. Warum zweifelt er bloß und stimmt nicht ein in die große Erzählung von der Chancengerechtigkeit, die da sagt: Wer arm ist, wird eines Tages die Reichen überholen. Er muss dazu die Reicheren nicht einholen. Er muss nur fest stehen im Glauben an die soziale Marktwirtschaft® und die demokratische deutsche Republik.

 
loeza

Die Schere klappt immer weiter auf, genau wie die zwischen arm und reich: Es gibt Menschen, die sich täglich noch von Boulevard bis TV-Nachrichten umschmeicheln lassen, den Kanon in sich aufnehmen dessen, was gut ist und so bleibt. Sie sind die Mehrheit derer, die nicht wissen können, weil sie nicht wissen wollen warum und wozu. Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die schon seit Jahren nicht mehr hören können, was von Anfang an gelogen war.

Vor allem von Vokabeln aus dem Mantra der Propaganda, Vokabeln wie “Rettung”. Opelrettung, Bankenrettung, Eurorettung, Griechenrettung, Zypernrettung, Kleinsparerrettung. Rettung aus der Not der “Krisen”, die genau so gelogen sind: Immobilienkrise, Bankenkrise, Eurokrise, Staatsschuldenkrise. Von einer unausweichlichen Phase des Kapitalismus keine Spur und auch kein Einsehen, dass eine Rettung keine gewesen sein kann, wenn danach die nächste und dann die übernächste und dann noch eine fällig wird. Nichts ist da zu retten. Zu retten sind am allerwenigsten diejenigen, die diesen Quatsch noch immer glauben.

Alles wird gut

Aber: Die Welt ist mindestens vierdimensional und so scheint es, als sei der Weg von einer Spitze der aufgeklappten Schere zur anderen gelegentlich kürzer als die Strecke dazwischen. Will heißen: Ich vermeine festzustellen, dass der Widerstand der Indoktrinierten geringer wird. Immer häufiger erfahre ich Zustimmung für meine ‘linksradikalen’ Analysen, wo mir vor wenigen Jahren noch der blanke Hass entgegengeschlagen wäre. Das ist das Faszinierende an der Ignoranz der Mehrheit: Sie hören die Botschaften und wiederholen sie sogar, verbinden sie aber immer weniger mit Überzeugung, wie auf Valium. Eigentlich hätte ich ja recht, aber. Lieber vereint im Falschen als zu früh auf der anderen Seite. Es wird schlimm genug, wenn alles für die Katz war, das muss man doch nicht schon vorher wissen.

Auch die Ideologie erstarrt in der Routine ihrer absurden Weltbeschreibung. Schon wieder gerettet, na und? Noch eine Krise – wen interessiert’s? Ein “Exportweltmeister” tödlich bedroht durch „globalen Wettbewerb“, na klar. Nach Jahren des Wachstums und des Verzichts müssen wir kürzer treten, egal. Gewerkschaft fordert Lohnzurückhaltung, who cares? Milliardäre mit Rekordgewinnen; wie wird das Wetter morgen? Eine Propaganda, die ihre Aufgabe ernst nähme, würde vierzehn Minuten Wetterbericht senden und dann kurz die Nachrichten. Aber wozu? Alles wird gut, sagt das Lächeln der Tagesschau.

Als die systemrelevanten Banken gerettet wurden, hieß es, es gäbe keine weiteren Steuergelder mehr. Als die Milliarden an Steuergeldern dann bereitgestellt wurden, hieß es, niemals gäbe es einen Schuldenschnitt. Als die Schuldenschnitte kamen und die Billionen bereitgestellt waren, hieß es, die ‘Spareinlagen’ seien das Wichtigste. Jetzt werden die ‘Spareinlagen’ rasiert, und wie nennen sie das? Richtig: “Rettung” und “vernünftig“. Die Verfechter dieses Systems bezeichnen es nicht nur als “rational”, sondern betrachten es meist als einzig rationales. Das ist nichts anderes als eine schwere Psychose. Dagegen helfen keine Argumente.