Er kann’s nicht lassen. Für sein aktuelles Stasi2.0-Projekt will er einmal mehr das Grundgesetz demontieren und den Bundesrat seiner Kontrollfunktion berauben, solange eine Koalition aus CDU/CSU und SPD noch “groß” ist. Für SpOn faßt Severin Weiland die Reaktionen darauf gut zusammen. Schäuble hat sich einen willigen SPDler geschnappt, den stellvertretenden SPD-Fraktionschef Fritz Rudolf Körper, und mit ihm im Schlepptau Forderungen an den Bundesrat gestellt: Die Koalitionen in den Ländern sollen nur dann ein Votum haben, wenn sie passend dominiert werden. Enthaltungen sollen künftig nicht mehr als Hindernis gelten, wohl wissend, daß damit die Bedenken der “kleineren” Parteien übergangen werden. Für eine Große Koalition im Bundestag hieße dies, daß sie ohne effektive Kontrolle des Bundesrates durchregieren könnte.
Entlarvend ist wieder einmal das Lavieren des Vaterlandsverteidigers Wiefelspütz:
Der Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz erklärte auf SPIEGEL ONLINE, er könne sich mit dem Vorschlag “inhaltlich durchaus anfreunden”, fügte aber hinzu: “Gut gemeint ist nicht gut gemacht.” Er glaube daher nicht, dass der Vorstoß Aussicht auf Erfolg habe. “Wenn er aus tagesaktuellen Erwägungen gemacht wird, merkt jeder die Absicht dahinter” “.
Wiefelspütz ist ein Charakterzwerg, der Machtpolitik ohne jede Scham betreibt und dabei nicht einmal selbst agiert. Er ist einer, der nachher sagen kann, er habe nur seine Pflicht getan. Das einzige, das ihn stört, ist das Timing, die Taktik und vor allen die Offenheit, mit der jemand wie Schäuble den Rechtsstaat ruiniert. Er stimmt allem zu, es ist ihm aber peinlich, daß da draußen jemand etwas “merkt”. Die “Absicht dahinter” soll geheim bleiben. Es ist sehr zu begrüßen, wenn immerhin zwei der fünf Parteien Schäubles Rücktritt fordern und eine dritte sich offensiv gegen dessen Pläne stellt, obwohl er für den favorisierten Koalitionpartner Innenpolitik macht. Wiefelspütz hingegen schleimt sich aus der Schußlinie, und es ist zu befürchten, daß die Gefahr, die von diesem Nützling ausgeht, schwer unterschätzt wird. Die Hoffnung, daß er so ölig davontropft, wie er an seinem Herrn und Minister herabläuft, ist mehr als trügerisch. Wiefelspütz vertritt heute die Partei, die in ihren besten Zeiten einmal “mehr Demokratie wagen” wollte. Wäre er ein Mann von Prinzipien, würde er auf das Grab von Willy Brandt pissen.
Heribert Prantl ist es vorbehalten, zu sagen, was ist. Er nennt Schäubles Vorhaben einen “machtgeilen Plan” und erinnert daran, daß die letzte Große Koalition beinahe ein Zweiparteiensystem etabliert hätte. Diktatur ist machbar, doch immerhin scheint es noch einige im Establishment zu geben, die dagegen halten. Das ist in diesen Zeiten aber auch schon alles, was man dem hiesigen politischen System zugute halten kann.