Ein höchst interessantes Thema schneidet Wolfgang Koydl bei Sueddeutsche.de an: Der britische Geheimdienst MI5 will gezielt bekennende Homososexuelle anwerben.
Zwei Gegensärtliche Aspekte spielen dabei angeblich eine Rolle:
- “Seit den Terroranschlägen auf die Londoner U-Bahn im Juli 2005 hat sich die Zahl der MI5-Mitarbeiter mehr als verdoppelt. Vor allem britische Muslime und Kandidaten mit Kenntnissen orientalischer Sprachen wurden gezielt angeworben. Ben Summerskill, Vorsitzender von Stonewall ["Großbritanniens führende Homosexuellen-Lobby"], glaubt, dass der Geheimdienst nun Homosexuelle umwirbt, weil auch sie mehr “Erfahrung darin haben, mit Leuten umzugehen, die anders sind”, als die Mehrheit der Gesellschaft” und
- “Ein ungenannter Sprecher, der offenbar MI5 vertrat, stimmte zu: “Der Dienst strebt an, das ganze Spektrum der britischen Gesellschaft widerzuspiegeln, der er dient.” Auch Summerskill glaubt allerdings nicht an eine rasche Transformation. “Ich bin optimistisch, dass das Personalprofil von MI5 dem des modernen Britannien ähneln wird”, meinte er. Wann? “In zehn bis 15 Jahren.”
Wenn ein Inlandsgeheimdienst neben Muslimen auch Homosexuelle anwirbt, läßt das in Zeiten des Terrowahns und der Aufrüstung im Überwachungssektor nichts Gutes ahnen. Während Homosexuelle und andere diskriminierte Minderheiten sich organisieren und damit offener werden, mag dahinter die Furcht stecken, daß sich Netzwerke bilden, zu denen die Geheimdienste bislang keinen Zugang haben. Man traut ihnen nicht. Solange sie im Verborgenen ihren unmoralischen Neigungen nachgingen und als erpressbar galten, wähnte sich die staatliche Sicherheit sicher vor ihnen. Jetzt, da sie sich nicht mehr schämen und selbstbewußter leben, bilden sie eine offensive Subkultur. So etwas muß überwacht werden können.
Ein bißchen weniger Staat im Staate wäre andererseits eine Exekutive, die sich nicht mehr in einer Atmosphäre des Common-Sense, der schulterklopfenden Einheitsmeinung einbunkern könnte. Gerade in der neuen Blütezeit des Feindstrafrechts kann es den Bürgerrechten Vorschub leisten, wenn nicht des Spießers Abneigung unmittelbar in die Verfolgung der “Anderen” mündet – weil diese mit am Tisch sitzen.
Es wäre hilfreich gewesen, hier den Zusammenhang mit internationalen Überwachungsmaßnahmen herzustellen: “Zur Terrorabwehr sollen Deutschland und die USA künftig auch Informationen über das Sexualleben eines Verdächtigen oder seine Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft austauschen können“,heißt es in einer Meldung von April dieses Jahres. Wenn sich also “Verdachtsmomente” und Anwerbungskriterien von Geheimdiensten decken, kann ich darin nicht wirklich einen “Meinungsumschwung” entdecken. Das Gegenteil steht zu befürchten.