Wer Arbeit will, findet auch welche: Die TAZ berichtet von illegalen Jobs in Callcentern, die Arbeitslosen “angeboten” werden. Halbseidene Ausbeuter werden von der “Arbeitsagentur” nicht nur subventioniert, die Mitarbeiter werden ihnen unter Druck und Zwang zugeführt. Während den Hartz-IV-Empfängern die sofortige Kürzung des Existenzminimums droht, schmeißt man auch den Betrügern aller Branchen das Geld und die Leute in den Rachen, kontrolliert wird – vielleicht – später:
Bei einer Überprüfung der Inserate sei man am Freitag auf rund 25 Angebote aus dem Bereich Lottowerbung und Kaltaquise gestoßen. Man sehe aber keine Möglichkeit, diese zu beseitigen, sagte ein Sprecher. Es müsse zunächst geprüft werden, ob tatsächlich “ein Rechtsverstoß vorliegt”. Dafür allerdings benötige man Einblick in die Unterlagen der Firmen, was ohne rechtliche Befugnis nicht möglich sei. [...]
Mit Blick auf Jobs bei Lotto-Call-Centern könnten sich Hartz-IV-Empfänger so in einer Notsituation befinden: Entweder arbeitet man für eine illegale Firma oder muss auf Geld verzichten
.”
Die rechtliche Befugnis zur Entlarvung von Abzockern ist nicht vorhanden, also werden alle als seriös eingestuft. Anders herum geht das bei den “Geforderten”. Hartz 2008: Zwangsarbeit in illegalen Callcentern, gefördert durch öffentliche Mittel und abgespart vom Mund der Ärmsten.
Eine weitere grandiose Idee aus demselben Irrenhaus ist die Vermittlung von tausenden Unqualifizierten in die Altenpflege. Vier Wochen durchlauferhitzt und gewissensgeprüft, will man Langzeitarbeitslose auf Pflegebedürftige loslassen. Die Qualität der Pflege kommt dabei ebenso unter die Räder, wie die schon heute miesen Bedingungen in Pflegeberufen noch verschlimmert werden. Was nämlich angeblich “entlasten” soll, führt nur dazu, daß der physisch und psychisch knallharte Knochenjob in Zukunft noch schlechter bezahlt wird. Der Kostendruck wird dazu führen, daß an ausgebildeten Pflegekräften gespart wird. Das betrifft Qualität wie Quantität. Die Situation in Pflegeberufen ist bereits unerträglich, die Entlohnung der Pflegenden ist ein Schlag ins Gesicht angesichts ihrer Belastung. Es wäre also dringend erforderlich, das Arbeitsumfeld zu verbessern, durch deutlich höhere Löhne, eine Aufwertung der Pflege gegenüber der Ärzteschaft und eine Entlastung der Pflegekräfte im beruflichen Alltag.
Die Zuführung von unausgebildeten Arbeitslosen, die sicher auch unter Zwang ablaufen würde, hätte zur Folge, daß die Struktur sich stattdessen noch einmal verschlechtert: Von unten nach oben gäbe es dann die Hartzer, die Pflegehelfer und die vollausgebildeten Pflegekräfte. Drei Stufen ganz unten, keiner hat etwas zu melden, alle werden miserabel bezahlt. Wünschenswert womöglich: Diese Hierarchie unter den Lohnsklaven sorgt dafür, daß sich das Prekariat gegenseitig die Augen auskratzt. Sie hätten ohnehin nicht die Zeit und die Kraft, sich solidarisch zu organisieren.
Damit ist noch kein Wort verloren über die anderen Opfer dieser Attacke auf die Menschlichkeit: Die Pflegebedürftigen. Auch sie sind nur Kostenfaktoren. Solche zu eliminieren, ist ja das Ziel neoliberaler Wirtschaftsorganisation. Es wird funktionieren.
Dazu paßt ganz vortrefflich, daß der große Betrieb zur Vermarktung des Lebens, vulgo “Politik”, ein Comeback eines Helden der Solidarität und des sozialen Miteinanders beschreit. Franz Münterfering, Ikone der heiligen Reformen, muß wieder ran, fordern aktuell u.a. Sigmar Gabriel und Daniel Cohn-Bendit. Das wäre achsogut für die SPD, ihre Wahlchancen, die Strategie, die Reformen, die Umfragen, die Glaubwürdigkeit, die Währungsstabilität, das Wachstum und sicher einige hundert weitere Substantive aus der Zwischenablage der einschlägigen Propagandisten. Zwei sind freilich nicht dabei: Solidarität und Menschlichkeit. Das ist halt der Preis, wie’s scheint, wenn die Freiheit gegen den Sozialismus verteidigt werden muß.

[update:] Dazu ebenfalls lesenswert:
- Ein Schmarotzer tot, der andere obdachlos (via Amok Koma)
- Leistungsträger, ihre Krawatten und sonstige Leistungen