Die Ära des Neoliberalismus geht zu Ende. Die Meisten haben es noch nicht verstanden und es wird noch einige Jahre unter heftigen Krämpfen dauern, aber die Ideologie der unkontrollierten Märkte trägt nicht mehr.
Ein wunderbares Beispiel für die Berechtigung, Hedgefonds als “Heuschrecken” zu bezeichnen, gibt die Sueddeutsche in einem Artikel über John Meriwether, der gleich zweimal mit derselben Masche groß abgeräumt und dann Milliarden in den Sand gesetzt hat. Seine Idee war nicht schlecht, und mit der angemessenen Bescheidenheit und einem Blick für realistische Verhältnisse hätte er ein kluger Mann sein können. Seine Unersättlichkeit und die Dummheit des Marktes haben statdessen zu kleinen Katastrophen geführt. Das Problem ist dabei recht einfach: Das Verhältnis von Eigenkapital und Kreditaufnahme ist abenteuerlich, man berauscht sich am Erfolg, solange weiteres Kapital zufließt und die Prognosen halbwegs zutreffen. Wer sich aber wundert, daß die Märkte ab und an in ene Schieflage geraten und die schönen Regeln der Kunst, nach denen man Profite macht, einmal außer Kraft geraten, sollte besser die Finger vom Geld anderer Leute lassen.
Flankiert wird das Treiben dieser Hasardeure von den immer gleichen Phänomenen: Eine Flucht vor jeder Aufsicht, völlige Verantwortungslosigkeit und ein “Optimisums” der Anleger, hinter dem die blanke Gier steckt. Solche Spekulanten lassen sich nicht bremsen, zahlen äußerst ungern Steuern und sind nicht haftbar, wenn es schiefgeht. Sie verhehlen das “Risiko” nicht, zerreden es aber gern und locken mit Renditeversprechen, gegen die ein Banküberfall zu ertragsarm aussieht.
Diese Art von Geschäft geht inzwischen zu oft schief, es profitieren zu wenige davon und die Folgen sind zu schwerwiegend. Deshalb ist die Finanzwelt selbst nicht mehr so begeistert von derartigem. Das ihre “Selbstkontrolle” völlig versagt hat, zuletzt auch noch die Ratingagenturen, kann ihnen selbst nicht gefallen. Diese niederschmetternde Erkenntnis ist tödliches Gift für den Neoliberalismus, denn die Frage ist nicht mehr, ob man die Märkte kontrolliert, sondern nur noch wie. Ein weiterer Schritt wird folgen, der vor allem Deutschland zum Umdenken zwingen wird: Der Vorrang der Exportwirtschaft vor dem Binnenmarkt und die damit verbundende Ideoligie der Kostensenkungen wird sich als fatal erweisen. Aber das ist noch ein anderes Kapitel. Derzeit entfaltet sich ein weiteres Problemfeld, das Lösungen weit jenseits einiger halbgarer Eingriffe in Finanztransaktionen verlangt. Der Kapitalismus wird zum weltweiten Problem, weil er unmittelbar kontraproduktiv wird. Das Geschäft mit Produkten weicht dem mit dem Mangel, es ist profitabler, mit Dingen zu handeln, die man nicht braucht, als selbst etwas zu verarbeiten. Das betrifft die essenziellen Rohstoffe, Nahrungsmittel und Energie. Ein Markt, in dem sich Gewinne machen lassen, indem man den Bedürftigen das Zeug wegkauft, ist blanker Irrsinn, aber sehr im Trend. Die “Bedürftigen” sind hierbei gleichermaßen Hungernde und die produzierende Industrie. Wer investiert noch in Produktion, wenn die Produzenten auf der anderen Seite eines erpresserischen Deals stehen und man sich ganz legal auf die Seite der Gewinner schlagen kann? Wer Öl kaufen kann und keines braucht, ist ein gemachter Mann. Wer satt ist und tonnenweise Nahrungsmittel kauft, darf guten Profit erwarten. Es gibt mittelfristig kaum aussichtsreichere Anlagen, und die weltweite Infrastruktur hat keine Chance, rechtzeitig zu reagieren. Anders ausgedrückt: Die Nachfrage kann nicht so schnell sinken, wie die Preise steigen. Das treibt noch mehr Geld in die destruktive Mangelwirtschaft.
Was “Anleger” dabei ganz selbstverständlich tun, wird in der Jurisprudenz als niedriger Beweggrund eingestuft. Es ist die Habgier des nichtsüchtigen Dealers, der den Tod anderer billigend in Kauf nimmt.
Das weiß der “Anleger” oft gar nicht, der vielleicht ein bißchen Geld in Aktienfonds anlegt, um für schwere Zeiten zu sparen. Es steht ja nicht auf jeder Brötchentüte, welche Folgen dieses Investment hat. Wer glaubt, die Bankenkrise sei ein Problem, darf sich angesichts des Kommenden warm anziehen – im wahrsten Wortsinne..
In Zukunft wird nicht mehr nur der Neoliberalismus infrage stehen, sondern viele liebgewonnene Errungenschaften der Marktwirtschaft, die sich als Auswüchse eines wahrhaft häßlichen Kapitalismus erweisen werden. Der klassische Sozialismus und der Ruf nach diesem ist dann nur die zweitdümmste Antwort auf die zu bewältigenden Probleme. Ein “Weiter so” und “freie Fahrt für freie Märkte”, das wir uns heute noch täglich anhören müssen, ist das mit Abstand Dümmste, das einem dazu einfallen kann.