jesterEigentlich wollte ich immer Kabarett machen. Oder wenigstens Satire. Mit fiel aber schon bald nichts mehr ein, das ich als solche noch hätte verkaufen können. Der Fehler lag vor allem darin zu denken, Satire hätte etwas mit Überhöhung zu tun. Als könnte man quasi, nachdem man erkannt hat, was ist, das Ganze ein wenig überspitzt darstellen und damit zugleich kritisch und komisch wirken. Sehr schnell musste ich zugeben, dass eine satirische Überhöhung der meisten relevanten Vorgänge in Politik und Gesellschaft gar nicht möglich ist. 1982 hätte man noch denken können, ein Witz über den Tölpel Helmut Kohl könnte komisch sein. 1998 habe ich dann eine Art Requiem geschrieben mit dem Titel “politisches Gedicht”, das nur aus den Jahreszahlen der Ära Kohl bestand.

Am Ende landet man oft bei Nazivergleichen. Wenn man schlecht ist , freiwillig; wenn man gut ist, unfreiwillig. Ich ließ mir dann eine Parodie auf alles gleichzeitig einfallen: Ein Typ, der sich als kritischer Historiker versteht und eigentlich ein glühender Nazi ist, ohne das selbst zu bemerken. Grandiose Satire, dachte ich, bis die Figur zum Leben erwachte und unter dem Namen “Guido Knopp” diverse Fernsehpreise und das Bundesverdienstkreuz einheimste.

“Völlig absurd”

Ich ließ mir die irrsten Sachen einfallen. Zum Beispiel das Ende der Kohl-Ära durch den Sieg der Sozialdemokraten. Habe ich mir einen Quatsch zusammen phantasiert: Einen Sozen-Kanzler, der Arbeitslose schikaniert bis aufs Blut. Lässt Gesetze von einem Industriemanager machen, der seinen Betriebsrat korrumpiert, indem er ihn in den Puff mitnimmt. Einen SPD-Vorsitzenden, der unter dem Beifall seiner Genossen ausruft: “Wer nicht arbeitet, muss auch nicht essen”. Einen SPD-Sozialexperten, der eine neue Rassentheorie auflegt und dabei von Ausländern schwafelt, die Erbgutschäden in die Gesellschaft tragen. Das wurde alles abgelehnt, die Verlage meinten, das sei “völlig absurd” oder “fanatisch übertrieben”.

Also trat ich die Flucht nach vorn an und setzte noch ein paar drauf. Vier Parteien, die alle von der Finanzindustrie korrumpiert worden waren, unterstützt von der gesamten deutschen Presse. Den “Spiegel”, das Sturmgeschütz der Demokratie, habe ich umgedreht und zum Kampagnenblatt der bürgerlichen Rechten gemacht in meiner großen Posse. Ich habe die komplette Parteienlandschaft weit nach rechts verlagert und ließ in meiner Polemik die Presse das ganze als “Linksruck” verkaufen. Die Verleger nannten dies eine “billige Posse ohne jeden Bezug zur Realität”.

Das Ende ist nah

Ich strickte weiter an meiner lustigen Dystopie, ließ den Vorstand der NPD und überhaupt die ganze Partei durchseuchen vom Verfassungsschutz. Ein Verbortsverfahren scheiterte in meinem Roman daran, dass man nicht mehr wusste, wer V-Mann war und wer einfach nur ein Nazi.
Dann wurde ich international: Ein tumber Alkoholiker als US-Präsident, der die Folter wieder einführte und Lager für Rechtlose einrichten ließ. Sein Nachfolger ein Schwarzer, der mit dem Versprechen die Wahlen gewann, das wieder rückgängig zu machen – und dann selbst weiter foltern und morden ließ.

Ich erfand einen korrupten Mafia-Nazi als Regierungschef in Italien, der mit der Erbin Mussolinis paktierte, rechtsradikale Parteien wie die “echten Finnen”, die “wahren Dänen” und die “ungern umzäunten Ungarn”. Eine Wirtschaftskrise, in deren Folge völkische Parteien die Parlamente dominierten und so weiter, das, was halt inzwischen niemanden mehr überrascht. Und siehe da: Es findet sich ein Verleger, der das alles in Ordnung findet, unter der Bedingung einer winzigen Ergänzung allerdings. In der jüngsten Version verbünden sich die Nationalen mit der Linken und verbieten die Gewerkschaften. Vor dem neuen “Nationalkommunismus” gibt es dann nur noch eine Rettung: Die Front freiheitlicher Demokraten. Die sorgen für die Wiedereinsetzung von Marktwirtschaft und Demokratie. Der neue Kanzler der Einheit ist ein Habsburger. Ich frage mich jetzt zwar, wer das noch komisch finden soll, aber man muss ja auch irgendwann einmal zum Schluss kommen.