Es gibt eine neue Dimension des Hungers in der Welt. Neu daran ist nicht einfach die Knappheit an Lebensmitteln, sondern die künstlich beschleunigte Knappheit, die bezahlbarer Lebensmittel. Was den Hartz-IV-Empfänger hierzulande an die “Tafel” treibt, läßt in weniger entwickelten Ländern die Menschen verhungern oder auf die Barrikaden gehen.
Die Marktwirtschaft hat ihr Potential zur freien und effizienten Produktion längst verloren. Sie ist kontraproduktiv im Wortsinne, weil Gewinne nicht mehr aus besserer Produktion resultieren, sondern aus Verteilungsmechanismen, die den “Verbraucher” völlig aus den Augen verloren haben. Als Kreditnehmer oder Autokäufer können die Menschen das noch halbwegs verkraften, als Verbraucher von Nahrungsmitteln geht es ihnen an die nackte Existenz, ebenso als “Verbraucher” von Energie und Wohnraum.
Die Nahrungsmittelindustrie ist die Spitze einer perversen Produktionssphäre, die nicht mehr erstrangig herstellt, sondern umleitet, hortet und profitiert. Genpanscher wie Monsanto gefährden Bauern und Ökosysteme, “Rohstoffbörsen”, an denen Lebensmittel gehandelt werden, hängen ganze Kontinente ab, und die Versiegelung von nutzbarem Boden hemmt die Produktion von Nahrungsmitteln. Wälder werden abgeholzt, Acker wird zubetoniert, und Getreide wird in Diesel umgewandelt. Das ist heute einträglicher, als Menschen zu ernähren, die eh nicht genug kaufen können, um als Marktteilnehmer ernstgenommen zu werden.
Für uns ist das ein Vorteil: Wir haben genug zu essen. Hier ist das Geld, das Mehrwert erzeugt. Wir können sogar Sicherheitstechnologien verkaufen, die dafür sorgen, daß die zu erwartenden Aufstände im Kein erstickt werden. Derzeit wird eine gigantische Samenbank für Pflanzen angelegt. Offenbar haben die Industriestaaten bereits kalte Füße, weil die Aussaat genetisch veränderter Pflanzen das Schlimmste befürchten lassen. Bis das geklärt ist, sind die Gewinne längst auf der Bank. Nach Monsanto die Sintflut.
Aber Vorsorge ist ja getroffen, die Arche wird gezimmert. Wir sollten uns daran an Beispiel nehmen und überhaupt die Chance nutzen: Da Lebensmittel immer teurer werden, kann man sich einiges vom Munde absparen und investieren. Die Leberwurst, ehe sie schlecht wird, einfach einpacken und einlagern lassen. Selbst die Ärmsten in den Industrieländern haben endlich ihr Depot: Ab zur nächsten “Tafel”, den Rest vom Fest nach Hause tragen und damit an der Börse spekulieren. Und wenn wir schon dabei sind: Samenbanken können bald ganz groß abräumen. Muttis überflüssige Eizelle wird auch gebraucht. Wenn die Menschheit sich endlich selbst abschafft in einem fulminanten Börsenrennen, an dessen Ende alle Kurse ganz weit oben stehen, sind wir alle reich. Man will vor Gott ja nicht mit leeren Händen dastehen.