Ich werde an dieser Stelle in loser Folge einige der zentralen Begriffsinfarkte neoliberaler Färbung vorstellen, mit der wir täglich beschallt werden, ohne das sie je hinterfragt würden. Zum Auftakt habe ich mich mit der semantischen Kombizange des “Anreizes” befasst.

Ein „Anreiz“ soll Verhalten beeinflussen, zu einer bestimmten Reaktion motivieren. In der öffentlichen Diskussion ist von „Anreizen“ zumeist die Rede, wenn es um entweder um Entscheidungen von Konzernen geht oder um Arbeitslose.

aawasteErstere betreffend, sollen „Anreize“ zumeist gesetzliche Regelungen ersetzen. Anstatt den Konzernen und Betrieben klare gesetzliche Vorgaben zu machen, werden sie meist lieber mittels Steuererleichterungen oder direkten Subventionen motiviert. Sei es fürs Energiesparen, weniger Schadstoffausstoß oder soziale Standards, es wird von Seiten der Politik gern mit finanziellen Hilfen gearbeitet, um die Wirtschaft zur Einhaltung von Regeln zu bewegen. Zumeist werden solche „Anreize“ offensiv als Alternative zur „Bürokratie“ eingeführt.

Soweit es Arbeitslose betrifft, wird ebenfalls mit solchen „Anreizen“ gearbeitet, allerdings fast ausschließlich mit Negativanreizen, d.h. es drohen den Hilfeempfängern Sanktionen und die Streichung von Mitteln, wenn sie sich nicht fügen. Mehr noch: Es wird stets argumentiert, Lohnersatzleistungen (zumindest für Langzeitarbeitslose) sollten eine gewisse Höhe nicht überschreiten. Hier greift dann meist das Argument des „Lohnabstandsgebotes“.

Im Namen des „Anreizes“ unterversorgt

Um also zu verhindern, dass Langzeitarbeitslose oder Geringverdiener sich in ihrer Situation wohlfühlen, sollen sie ein bestimmtes Einkommen nicht überschreiten dürfen. Dies führte u.a. dazu, dass trotz des eindeutigen Urteils des Bundesverfassungsgerichtes von Februar 2010 ein Jahr später Bedarfssätze durch die Politik festgesetzt wurden, die sich daran nicht orientieren. Anstatt den Bedarf wie gefordert zu berechnen, wurde eine Maximalhöhe festgelegt. Die vorgelegten Zahlen wurden diesem Ziel angepasst, anstatt das Existenzminimum zu sichern.

Betroffen sind von dieser Regelung vor allem Menschen, die auf solche „Anreize“ gar nicht reagieren können: Kinder, Alte, Geringverdiener, Menschen, denen gar keine Arbeit angeboten wird. Von den 5,5 Millionen Hartz IV-Empfängern sind allein 1,8 Millionen minderjährig und 1,4 Millionen berufstätig (Ende 2010). Die Zahl der zu Vermittelnden ist bereits eine Minderheit. Nur eine Minderheit dieser Minderheit – deren Zahl zu schätzen schon unseriös wäre – kommt überhaupt für derartige „Anreize“ infrage. Dennoch werden alle „Hartz IV“-Empfänger im Namen des „Anreizes“ unterversorgt.

Ein Anreiz in Form höherer Löhne wäre die Alternative, die auch ohne bürokratische Kontrolle bis hinein in den Intimbereich der Leistungsempfänger wirken könnte. Dies empfinden die Arbeitgeber allerdings ihrerseits als zu bürokratisch, spätestens wenn dafür Mindestlöhne eingeführt werden sollen. Das ist verständlich, denn der Druck auf die Löhne ist durch die genannten „Anreize“ ganz erheblich.

Arbeitslose werden von den Behörden massiv unter Druck gesetzt, jede Arbeit zu jedem Lohn anzunehmen. Dadurch werden tendenziell sogar Geringverdiener aus ihren Jobs gedrängt, weil es immer noch welche gibt, die für weniger mehr arbeiten. Auf diese Weise führen die „Anreize“ direkt zu einer Subvention von Niedriglöhnen. Dies kann jeder wissen, der sich mit dem System auseinandersetzt. In der Öffentlichkeit wird dennoch so getan, als fördere die (ohnehin unzureichende) Grundsicherung bloß Faulheit.