In einem Interview mit der rheinland-pfälzischen Arbeitsministerin Malu Dreyer zum Mindestlohn versucht die FAZ, alle dazu bekannten Klischees in Anschlag zu bringen, aber sie werden souverän abgewehrt. So kommt sogar die FAZ zur der Überschrift: “Es gibt kaum Hinweise auf negative Beschäftigungseffekte“.
Zu demselben Ergebnis kam schon im Jahr 2004 eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Mindestlohn in Großbritannien:
Es gibt keine Hinweise auf eine nachhaltige negative Beeinträchtigung des Beschäftigungsniveaus. Die Anhebungen des NMW hatten nur geringe Auswirkungen auf das generelle Lohnniveau des Landes. Der NMW hat sich als effektiveres Mittel der Umverteilung erwiesen als einige Kritiker vorhergesehen haben.” und
Insgesamt war der NMW [Mindestlohn] eine der größten Leistungen der gegenwärtigen Regierung. Er hat einen effektiven Lohnsockel geschaffen, die Einkommen der am niedrigsten bezahlten Beschäftigten angehoben und einen Konsens zwischen Wirtschaft und Gewerkschaften darüber hergestellt, dass die Festlegung eines Mindestlohns legitim ist“.
Großbritannien gilt wahrlich nicht als die Heimat des romantischen Sozialismus’, vielmehr hatten sogar viele in der Labour-Party anfangs große Befürchtungen, insbesondere im Hinblick auf die Beschäftigungslage. Aber dort hat sich, wie es hier auch sein wird, gezeigt: Es macht Sinn, nicht zwanghaft mit Niedrigstlohnländern zu konkurrieren. In vielen Sektoren wie dem Handwerk und der Gastronomie spielt internationale Konkurrenz ohnehin kaum eine Rolle, und die Effekte des Mindestlohnes sind durchweg positiv. Die Auswirkungen auf den Binnenmarkt sind nur zu erahnen, aber ich kenne niemanden, der die Wirkung höherer Löhne in diesem Kontext für schädlich hält.
Es spricht vieles für den allgemeinen Mindestlohn: Größere Kaufkraft, weniger Lohnsubvention durch HartzIV, zufriedenere Arbeitnehmer, mehr Geld für Frauen und Familien und vor allem die Möglichkeit, von seinem Job zu leben. Diese ist vielen heute nicht gegeben.
Was angeblich dagegen spricht, sind meist schlechte Argumente, vor allem dieses:
Es seien Arbeitsplätze gefährdet.
Das ist in den meisten Branchen nicht der Fall, weil die Arbeit halt gemacht werden muß. Hier sinken die Margen, und die Leistung wird teurer. Beides ist verkraftbar. In Produktionsbetrieben, die im internationalen Wettbewerb stehen, mag die Gefahr bestehen, daß es im Ausland billiger ist. Wie sich aber längst zeigt, sind die Risiken solcher Verlagerungen und ebenso die Kollateralkosten oft zu hoch. Für chinesiches Spielzeug ist jeder Cent zu viel investiert. Hier ist es an der Zeit, noch mehr auf Qualität zu setzen. Höhere Preise sind für Deutschland der bessere Weg, und wer sich einmal die Preisunterschiede diverser Produkte anschaut, sieht, daß es beinahe in allen Zweigen unterschiedliche Preiskategorien gibt. Billig können wir eben nicht, na und?
Der Zug ist in Bewegung, und diejenigen, die ihn partout verpassen wollen, machen einen großen Fehler. Sollte sich nämlich endlich ein Trend hin zu anständiger Bezahlung und höherer Qualität (von Produkten und Service) durchsetzen, entsteht eine Dynamik, die die Billigheimer abhängen könnte. Wer nicht den billigsten Ramsch kaufen muß und sich ungern von unmotiviertem Personal anranzen läßt, geht woanders hin. Das ist die Perspektive, die der Mindestlohn bietet. Höhere Preise und kleinere Margen ermöglichen eine andere Kultur des Marktes. Das gefällt allerdings denen überhaupt nicht, die möglichst hohe Margen anpeilen. Sie sind die letzten, die nicht wahrhaben wollen, daß “die Festlegung eines Mindestlohns legitim ist“. Sie beschreien die totale Verelendung Deutschlands und machen den Leuten weis, es ginge uns am besten, wenn es ihren Auftraggebern gut geht. Diese Lüge glaubt ihnen aber bald niemand mehr.