Es besteht nicht wirklich ein Mangel an Auseinandersetzung mit der neoliberalen Kampfparole No.1, aber von Zeit zu Zeit ist es sinnvoll, noch einmal Stellung zu beziehen – vor allem, wenn das Dauerfeuer weitergeht.

hugenbergWas “sozial” ist, möchte uns die INSM gern so lange vorkauen lassen, bis wir nur noch aufspringen und anfügen “Sir, was Arbeit schafft, Sir!”. Der Slogan des neoliberalen Lobbyverbandes ist mit 379.000 Google-Treffern einer der erfolgreichsten der letzten Jahre – wenn es um seine Verbreitung geht. Besonders erfolgreich ist er aber, weil er von den neoliberalen Politikern und den aktuellen Regierungsparteien willig übernommen wurde. Zu denen, die den Slogan wörtlich in ihre Reden einflochten, gehören die prominentesten Vertreter der Parteien: Angela Merkel, Guido Westerwelle, Edmund Stoiber, Franz Josef Jung, Jürgen Rüttgers, Günter Oettinger, Kristina Schröder (Köhler), Roland Pofalla, Dirk Niebel und Wolfang Clement.

Die CSU machte den Satz zu ihrem Wahlkampfslogan in 2002, er überschrieb ein “Reformpapier der Union” in 2004. CDU-Generalsekretär Pofalla sagte am 01.Mai 2008, “Sozial ist was Arbeit schafft” sei “zentrales Leitbild der CDU“, Kollege Niebel (FDP) bezeichnete das Motto als “unseren Grundansatz“. Franz Josef Jung hat es in seiner Antrittsrede als Arbeitsminister zitiert.

Zentrales Leitbild, Grundansatz

Auch die SPD bediente sich des Spruchs, und zwar in Person des INSM-Kurators Wolfgang Clement, seinerzeit ‘Superminister’ für Arbeit und Wirtschaft unter Gerhard Schröder. Seit dessen Wahlniederlage geht die Partei ein wenig auf Distanz zu dieser Weisheit und variiert sie im Einklang mit den Gewerkschaften zu Vehikeln wie “Sozial ist, was gute Arbeit schafft” oder “Sozial ist, was Arbeit schafft, von der man leben kann”.

swrfrontAlfred Hugenberg, seines Zeichens Medienmogul der 30er Jahre, machte für seine “Kampffront Schwarz-Weiß-Rot” Werbung mit dem Slogan “Sozial ist, wer Arbeit schafft”. Hugenberg wurde 1933 Minister für Wirtschaft, Landwirtschaft und Ernährung unter Hitler. Ein Schelm, wer hier nicht bloß zufällige Übereinstimmung feststellt.

Aber auch, was nur blöde daher gebetet wird, sollte gelegentlich auf seinen Inhalt überprüft werden. Es ist zwar klar, dass die ‘Message’, die da gefälligst zur Kenntnis zu nehmen ist, eine andere sein soll und ohnehin ja der Sinn der Übung in einer gefälligen Umdeutungen des Begriffs “sozial” liegt. Dies ist aber nicht ohne weitere Schäden möglich.

Symbol der politischen Verhältnisse

Was wäre demnach sozial? Autounfälle zum Beispiel. Kriege, Sklavenhalter und Konzentrationslager, Naturkatastrophen und schwedische Möbelbausätze. Das alles wäre “sozial”, wäre der Satz wahr. Wie kann ein solcher Unfug zum politischen Leitspruch des Jahrzehnts werden?

Das fragen sich in der Tat auch die Menschen, denen das eingetrichtert werden soll. Sie wissen zwar, dass sie denken sollen, jede Form von Arbeit sei denen zu danken, die sie “geben”, ihre Dankbarkeit hält sich aber arg in Grenzen. Sie wissen nämlich, dass es darum geht, möglichst geringe Löhne zu zahlen und möglichst viel daran zu verdienen. Dass das nicht “sozial” ist, weiß jeder, der auch nur fürchten muss, sich mit Niedriglohn oder Minijob durchschlagen zu müssen. In Foren und Blogs wird er deshalb auch nach Strich und Faden auseinander genommen.

Es ist ein Symbol der politischen Verhältnisse, dass ein wirklich dummer Spruch zum Leitmotiv der Funktionäre wird, während die Bürger sich davon eher verhöhnt fühlen. Ungehemmt werden derlei Parolen zwischen Geldgebern, PR-Agenturen und einer abgehobenen ‘Elite’ ausgebrütet und in die Medien gespeist. Die Wirklichkeit der Menschen, was sie denken und erleben, spielt keine Rolle. Einzig, was sie denken sollen, zählt. Das ist in der BRD im Jahr 2010 nicht anders als in der DDR Anno 1989.