Die sozialen Klassen wurdenin unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich beschrieben, ihnen wurden unterschiedliche Eigenschaften unterstellt oder nachgewiesen. Die gesellschaftliche “Elite”von heute scheint unter anderem eine Haltung auszuzeichnen, die ihr ein Privilieg und einen Vorteil nimmt: Die Ablehnung des Internets, wodurch ihr eine ganze Qualität von Bildung fehlt. Zwar ist es den besser Betuchten bis heute gelungen (sei es gewollt oder nicht), daß ihre Klasse besser gebildet blieb als die unteren, aber sie haben eine mediale Wende verschlafen, die neue Verwerfungen im Wissen und Anwenden mit sich bringt. Nur das Internet bietet, bei kluger Nutzung, Wissensinhalte in Echtzeit und in einer solchen Masse, daß Bildungsprozesse, die früher Jahre dauerten, heute in einigen Tagen zu bewerkstelligen sind. Das hat soziale Konsequenzen, die heute kaum diskutiert werden.
- Ehemals gebildete Schichten bzw. deren Angehörige können sich dem Tempo nicht anpassen, das das Internet mit sich bringt. Ihnen fehlt die Orientierung. Die Filterungsvorgänge, derer es bedarf, um an relevante und zuverlässige Informationen zu kommen, kennen sie nicht. Das Entertainment und der Schacher, der allgegenwärtige Reiz, ist ihnen überdies privat zuwider. Für sie ist das Internet der Vorhof zur Hölle.
- Menschen, die die Gelegenheit hatten, das Internet als Herausforderung und Möglichkeit kennzulernen, bedürfen eines fundierten Bildungshintergrundes, um es effektiv nutzen zu können. Dazu gehört nicht zuletzt eine Gewisse Disziplin, um sich nämlich auf Inhalte zu konzentrieren und sich nicht dauernd den Verlockungen der Unterhaltung hinzugeben. Außerdem müssen sie wissen, was sie suchen und wie sie es finden. Wer das gelernt hat, ist Informationselite. Solche Menschen können sich oft nicht vorstellen, wie jemand dazu kommt, das Medium zu verteufeln. Für ungebildete User haben sie kaum mehr als Verachtung übrig.
- Menschen, die das Internet völlig unbedarft zu nutzen gelernt haben, aber keine Vorbildung oder klare Vorstellungen von der Nutzung des Mediums mitbringen, laufen Gefahr, inmitten eines gigantischen Wissensfundus’ zu verblöden. Selbst, wer etwas wissen will, läuft Gefahr, sich der ersten Information hinzugeben und dann lieber noch ein bißchen zu zocken, als weitere Quellen zu suchen. Wikipedia weiß ja alles. Und wer schon in frühen Jahren das Netz entdeckt und sich keine großen Gedanken macht, findet hier sein second life: Sex, “Freundschaften”, Kommunikation – das findet man in dieser Reihenfolge im Netz und verwechselt es leicht mit einer realen Erfahrung. Die Sinnlichkeit des Internets ist seine große Verlockung, obwohl es doch nur Prothesen bietet. Die Buddies kann man finden und verlieren, schnell wieder vergessen und sich neue Suchen. Kommunikation bedarf keiner Rechtschreibung. Konflikte können rücksichtslos ausgetragen werden, es sieht einen ja niemand. Wer damit regulär aufwächst, ist aus Sicht der Real-Life Mumien sozial behindert.
Hier tun sich völlig unterschiedliche Erfahrungswelten auf, die einander nur schwer zugänglich sind. Und diese Verwerfungen sind schon heute, das ist das Neue, kein echter Generationenkonflikt mehr. Es bilden sich Kommunikationsklassen, deren Sprachen füreinander übersetzt werden müssen.
Das Ganze ist eine Riesenaufgabe, der sich die Kultur stellen muß. Das Allerletzte, was man dazu braucht, sind politische “Eliten”, die keinen Toaster bedienen können und dem Plebs etwas über das böse Internet erzählen.