Zuerst dachte ich, Marc Beise sei gefeuert worden oder ein anderes Wunder hätte sich bei der Sueddeutschen ereignet, als ich diesen Artikel zu lesen begann, der eingangs so etwas wie soziale Ungerechtigkeit im System Marktwirtschaft beschreibt. Zu beschreiben schien, muss ich korrigieren, denn das Schicksal der Bürger Irlands, vor allem der armen, dient nur als Illustration für die größere Ungerechtigkeit, die nämlich Deutschland widerfährt. Menschen, die ihre Wohnungen verlieren und sich das Nötigste nicht mehr leisten können, gelten als Kollateralschaden.
“Unfaire Steuern” und einen “unfairen Wettbewerb” beweint Alexander Hagelüken. Irland ist unfair gegenüber den Wettbewerbern, weil die Steuern zu niedrig seien und “weil es seinen Finanzsektor aufgeblasen” hat! Darunter leide u.a. Deutschland.
Faule Griechen, unfaire Iren
Oh my God, wo soll man da anfangen? Die Wirtschaftsredaktion der Sueddeutschen, eine Speerspitze der neoliberalen Journaille, hatte stets “weniger” Staat gefordert und bejubelt, war immer für “mehr Wettbewerb”, niedrige Löhne und niedrige Steuern. Ob das fair ist gegenüber den Beschäftigten in Deutschland, Europa und dem Rest der Welt war nie ein Thema, ebenso wenig wie die Frage, ob das wohl alles gut gehen könne. Wenn dann ein Musterschüler wie Irland damit auf die Nase fällt, war trotzdem alles richtig, die waren bloß unfair? Das sind also die ökonomischen Kategorien dieser Experten: Die Griechen sind faul und haben getrickst, die Iren sind unfair.
Die gnadenlose Förderung der deutschen Exporte durch sämtliche Bundesregierungen, die die Wirtschaften aller Euro-Partner enorm belasten, wird selbstverständlich nicht erwähnt, in diesem Punkt spielt ‘Fairness’ keine Rolle, denn Exporte sind ja etwas Gutes. Alle sollten mehr exportieren als sie importieren, so wie Deutschland halt. Ich fürchte, das denken sie da in der Redaktion wirklich.
Absolut grotesk ist die Vorstellung von “Fairness” und “Gerechtigkeit” im “Wettbewerb” – allein diese Kombination von Begriffen ist schon eimerwürdig. Dass der Begriff der sozialen Gerechtigkeit durch die neoliberale Säuberung der Semantik aus dem Diskurs verschwunden ist, bedaure ich seit Langem. Er wurde ja zur “Ergebnisgerechtigkeit” degradiert, die nicht sein darf, weil sich dann die ganze Mühe der Arbeit nicht mehr lohnt. Dass eben solche Ergebnisgerechtigkeit aber jetzt im “Steuerwettbewerb” gepredigt wird, weil jemand – in diesen Fall ein Land – die Heilslehre ernstgenommen hat und damit vor die Wand gefahren ist, weht einem die Wolle von der Fontanelle. Unfair, dass die Iren regierten, wie es alle gepredigt haben. Unfair, dass man “sie” rettet, weil “sie” den “Finanzsektor aufgeblasen” haben?
Wer bläst die Blasen auf?
So ein Finanzsektor, werter Herr Hagelüken, wird immer noch durch Finanzen aufgebläht. Der irische Staatshaushalt beläuft sich auf 53 Milliarden Euro (71 Milliarden Dollar). Deutsche Banken haben nach aktuellen Berichten 138 Milliarden Dollar auf der Insel “investiert”. Die Deutsche Bank gibt an, von ihr seien dort nur 400 Millionen . Vielleicht erlaubt sich die SZ deshalb so zu tun, als gelte es, ein ‘unfaires Land’ zu retten.
Dass jetzt wie immer Sozialleistungen gekürzt, Familien, Mittellose und zukünftig Mittellose bestraft werden, das gilt freilich nicht als “unfair”, das ist ja immer so. Schließlich haben wir gelernt: “Eine Lohnerhöhung ist eine Gewinnsenkung” (Hans-Werner Sinn), deshalb geht das in Ordnung.
Am Ende geht es nur mehr darum, einen neoliberal-gerechten Steuersatz zu finden, der niedrig genug ist für den “globalen Wettbewerb” und hoch genug, dass er den in Deutschland nicht unterbietet. Das ist dann per definitionem “fairer Wettbewerb”. Denn Deutschland und seine Ökonomen machen alles richtig. Immer.
November 25th, 2010 at 16:25
“Oh my God, wo soll man da anfangen?”
Du stehst da wie am Band, das immer schneller läuft. Die großen Kartoffeln rausnehmen, die kleinen einfach durchlaufen lassen. So stelle ich mir das bei deiner Lektüre vor. Du kriegst das nicht mehr sortiert.
Bei mir läuft alles durch, ich sortiere schon lange nicht mehr. Und wenn ich mir mit beiden Händen den Bauch halte, dann keineswegs, weil ich Schmerzen empfinde. Ich lache gewissermaßen vorauseilend, weil ich mir vorstelle, wie sie die nächsten Krater in ihrer Mondwirtschaft vom Mount Aufschwung herab erklären wollen.
November 25th, 2010 at 17:31
Die Griechen sind faul, die Iren unfair, die Spanier und Portugiesen schwach, demnächst vielleicht die Franzosen zu hitzköpfig oder unverantwortlich, die Rumänen und Balten vielleicht noch immer in alten Polit-Seilschaften oder sonstwie… zappelnd.
Sie alle zusammen sind nicht so stark wie Deutschland, der EU Primus, der ganz toll exportiert, viel mehr als importiert und so die Konjunktur zum Brummen bringt, nebenbei auch noch halb Europa rettet….
Was ist nun die Lösung nach Meinung der maßgeblichen neoliberalen Ökonomen, praktisch aller CDU/CSU/SPD/FDP/Grünen Politiker und der Mainstream-Medien?
Ganz klar: Alle anderen, die jetzt so Schwachen, Faulen, Unfairen, Verantwortungslosen…, und, und… müssen ganz einfach ebenfalls ganz ganz viel exportieren, auf alle Fälle mehr exportieren als importieren um so ebenfalls so stark und toll zu werden wie Deutschland.
Das würde dann auch die dortigen Wirtschaften wieder brummen lassen, so dass Deutschland noch mehr dorthin exportieren könnte, diese Länder umgekehrt ebenfalls ihre Exporte wiederum erhöhen müssten, jedenfalls höher sein müssten als die Importe….
So ginge es allen besser, gäbe es einen riesigen Wohlstandsgewinn für alle und das Konterfei von Hans-Werner Sinn könnte zukünftig völlig zu Recht von allen EUR Münzen prangen!
Hat jemand zu diesem frohen Zukunftsszenario noch irgend welche Fragen? Nein? Prima,
dann auf in ein glückliches Europa!
Doch hoppla, wenn alle so stark und toll wie Deutschland sind, nur noch große Überschüsse in der Handels- u.Zahlungsbilanz vorzuweisen haben, wer steht dann auf der anderen Seite für die Defizite, das Minus ein, welches ja nur die Kehrseite aller Überschüsse, von allem Plus sind?
Auf diesen Punkt habe ich momentan keine rechte Antwort parat, vielleicht das restliche Nicht-Europa?
Wenn die dann aber ebenfalls so erfolgreich wie wir….., was, wer dann?
Ich glaube, angekommen an diesen Punkt, kann nur noch das Ifo Institut helfen, alle anderen Laien müssen da passen.
November 25th, 2010 at 17:49
alle sollten mehr auf den mars exportieren!
dann funktioniert auch wieder die geschichte mit dem grenzenlosen wachstum!
glasperlen, hre-aktien, deutsche wirtschaftsweise werden wieder vermehrt nachgefragt in der marsianischen wirtschaft.
November 25th, 2010 at 17:52
ganz einfache “sinnige” lösung: alle exportieren alles nach afrika: da fehlts doch an allem. und weil die aber auch kein geld haben, kriegen sie kredite von der mildtätigen internationalen hochfinanz.
und wenn sie die nicht zurückbezahlen, kommen sie unter den iwf rettungsschirm und müssen ihre bodenschätze verschenken und die internationale arbeitnehmerschaft rettet die banken bis sie genauso arm sind wie die afrikaner. zur absatzsteigerung werden dann noch ein paar kriege geführt damits n paar arme weniger werden.
und wenn alles in schutt und asche liegt, alle arm und hungrig sind – ausser unsinnigen professoren und ihren herren – kriegt jeder 5$, ausgenommen die erfinder des ganzen, und wir fangen mit der gerechten welt an.
wer so einen schwachsinn glaubt muss entweder professor sein oder so bösartig wie 17 politgangster oder bankster zusammen.
November 25th, 2010 at 20:13
Das gefährliche an Sinn und den anderen Dampfplauderern ist ja, dass die so harmlos aussehen (Sinn z.B. wie ein skandinavischer Märchenerzähler, Baring wie ein alter Geschichtslehrer, Raffelshüschen wie ein Alt-68er sogar! etc.).
Wahrscheinlich ist Koch deswegen zurückgetreten, da hatte die “fight lookism”-Bewegung ihren schlimmsten Feind verloren^^
Ernsthaft; es muss wohl – leider – eine wirklich ÜBLE Wirtschaftskrise kommen, damit kein Stein mehr auf dem anderen steht wohin sich dieses neo-”liberale” Gesindel noch verkriechen kann.
Nur leider werden diese (soll ja kommen in drei Jahren oder wie?) dann wieder zu Lasten der ewig gleichen gehen.
Die Verursacher sind dann schon weg.
:/ Nix gelernt die 49820734867520395te…
November 25th, 2010 at 20:47
w h d sinn e e in d f
ausschreiben kann ich das nicht. machte mich sonst strafbar.
November 25th, 2010 at 22:33
Es war schon immer verpönt, eigene Fehlleistungen zuzugeben, denn Selbstkritik und andernorts Nestbeschmutzung ist nur etwas für Versager. Männer und Frauen haben hart wie Kruppstahl zu sein. Dabei lehnen wir uns kollektiv zurück und belegen andere Staaten mit verächtlichen Adjektiven, beschwerten uns aber, wenn wir auch nur ansatzweise kritisiert würden. Den uns umzingelnden p.i.g. Staaten, deren Zahl mit der Zeit ansteigt, wird Versagen vorgeworfen, während wir im Grunde immer alles richtig machen. Früher begann man mit dieser einseitigen Hetze die eigene Bevölkerung auf Kriege einzuschwören. Das nun über Bündnispartner so gesprochen und geschrieben wird, ist als Resultat des nicht stattfindenwollenden Selbsterkenntnisprozesses eigentlich ein Skandal ud nicht hinnehmbar. Das Verhalten Einzelner erinnert ein wenig an die Leute, die in den Nürnberger Prozessen bis zu ihrem Todesurteil auch nur die Teilhabe an einer Schuld leugneten. Flatters ‘neoliberaler Automat’ (Die Grafik zu https://archiv.feynsinn.org/?p=5645) reduziert das Dilemma auf das Wesentliche. Es ist einfach beschämend, daß die Presse zugunsten einer uns alle weitertragenden Erkenntnis die Rückkopplung in der Endlosschleife nicht knacken darf oder kann und ich nur in ein paar Ecken des www das Gefühl bekomme, wir könnten schon weiter sein.
Ganz gruselig wird die Wirkung solcher Zeitungsartikel, wenn man die ausländische Presse verfolgt. Der Brei, der entsteht, wenn die Schreiber in Europa das hier aus zweiter Hand gelesene erneut neoideologisch verwursten, um es für ihre eigenen Blätter passend zu machen, hat mit einer Wahrheit dann überhaupt nichts mehr zu tun. Irgendwie kommt Deutschland soweit ich es beurteilen kann aber ganz gut weg dabei. Vulgo man kriecht uns teilweise verbal in den Arsch. Das habe ich früher anders wahrgenommen.
Good n8
November 25th, 2010 at 23:58
@Huuh (rrah)
Ich verstehe dich immer besser, aber sind wir doch ehrlich. Pure Resignation. Man sollte nicht die kritisieren, die noch nicht so geendet sind.
November 26th, 2010 at 01:10
Ich denke mittlerweile, das Wichtigste ist, es in den nächsten 3-5 Jahren geschafft zu haben, aus der EU rauszukommen (ich meine das psychisch/körperlich).
November 26th, 2010 at 01:10
Lieber flatter,
eine Frage: wie hast Du es geschafft, Sinn auf die Münze zu kriegen? Ich kenne Sinn, als er über meine Schulter guckte. Assi in Mannem. Aber auf einer Münze!?
November 26th, 2010 at 08:54
War doch schon immer ziemlich sinnentleert,
wenn sich ein Herr Sinn entleert.
Erschreckend ist es jedoch immer wieder, wenn die bornierten Sprechrohre des pathologisch narzistischen Geldadels auch noch eine Bühne bekommen.
Prinzipiell haben sie nix zu sagen, haben aber das Sagen.
Ob man -anbetracht dessen- als halbwegs vernunftbegabter Mensch in Resignation verfällt oder eher zur rationalen Fassungslosigkeit tendiert, lass ich mal offen.
November 26th, 2010 at 09:52
“Den uns umzingelnden p.i.g. Staaten, deren Zahl mit der Zeit ansteigt, wird Versagen vorgeworfen, während wir im Grunde immer alles richtig machen. ”
Das kommt aus der Kinderpsychologie. Völlig normaler Reflex. Alle doof, nur ich bin schlau. Du, der mag zwar ausschauen wie ein kandinavischer Märchenerzähler, aber der kindliche Eindruck kommt von der inneren Zurückgebliebenheit die aus den Augen rausleuchtet.
“man kriecht uns teilweise…” muss aber auch vor dem zweckdienlichen Hintergrund gesehen werden. Wenn es in der Eckkneipe Freibier gibt, zieht man dafür ja auch niemandem verbal die Spendierhosen runter. Solange wir Rettungspakete schnüren, solange sind wir mal zeitweilig nicht die hässlichen Deutschen.
November 26th, 2010 at 10:18
# NochEiner meint:
November 26th, 2010 at 01:10
“Lieber flatter,
eine Frage: wie hast Du es geschafft, Sinn auf die Münze zu kriegen? Ich kenne Sinn, als er über meine Schulter guckte. Assi in Mannem. Aber auf einer Münze!?”
Das wie ist doch egal. Die Hauptsache ist doch, er ist drauf!
Und in Zukunft haben wir alle ein schönes Briefkopfbildchen für zukünfige Bewerbungsschreiben auf Billig-Jobs hin. :-)
Also unbedingt diese Münze für die Zukunft abspeichern! (Mit hoffentlich freundlicher Genehmigung des Blogbetreibers)
Erfolg wünschende Grüße von B.
November 26th, 2010 at 11:40
“@Huuh (rrah) – Ich verstehe dich immer besser, aber sind wir doch ehrlich. Pure Resignation. Man sollte nicht die kritisieren, die noch nicht so geendet sind.”
Es gibt auch so etwas wie eine ‘höhere’ Resignation – die Einsicht nämlich, dass dieser Laden nicht mehr zu retten ist und besser bald als später abträte, um nicht noch mehr Verwüstungen anzurichten. Von dieser Warte aus wäre das Wecken oder Aufrechterhalten der Hoffnung, es könne irgendwie nochmal ‘bessere Zeiten’ geben, kontraproduktiv. Und somit durchaus kritikwürdig.
November 26th, 2010 at 11:41
@NochEiner: Das war gar nicht so schwierig, den Kopp zu schrumpfen.
November 26th, 2010 at 11:48
Sollte das Konterfei des Herrn Sinn nicht eher einen (falschen) Fuffziger schmücken? ;)
November 26th, 2010 at 12:36
“Wie Konservative denken (wenn sie denken)”: https://www.youtube.com/user/robertmisik#p/u/78/RIVouki55w8
“Wie krank ist Deutschland? Ein Roadmovie.”: https://www.youtube.com/user/robertmisik#p/u/91/k_raVYpEUkU
November 26th, 2010 at 12:46
@landbewohner Sehr schöner Kommentar, der in groben Zügen das Verhalten der Industriestaaten zusammenfasst. Es ist kaum zu glauben, dass es wirklich bei uns Politiker gibt, die von Vollbeschäftigung sprechen. Und was dann? Entweder man müsste die Arbeitszeit pro Woche stark senken und dennoch zum Leben notwendige Löhne zahlen. Doch durch unsere ganze Optimisierung und Automatisierung wird es eher in die Richtung gehen, dass immer weniger Menschen für Arbeiten notwendig sind, die Wertschöpfung im klassichen Sinne der Marktwirtschaft erbringt.
November 26th, 2010 at 17:57
>>>>>>>>>>> stand mal bei Schrödingers Kater, und zwar Frühjahr 2009:
Und sorry, dass ich so länglich bin. Braucht ja Keiner zu lesen….Copy&Paste aus´m Archiv:
“Ungelesenes zur Finanzkrise III
Kategorie: Politik & Aktuelles
Der Hundt beisst die Schwan, weil sie wagte, zu sagen, was Sache ist. Bofinger erwartet eine anhaltende Deflation, Straubhaar eine Inflation. Der Politiker Merz will Banken pleitegehen lassen zwecks Vermeidung von Blasenbildunganlässen, ebenso die VolkswirtInnen Weder di Mauro und van Suntum. Der IWF geht mit der Spendensammelbüchse umher, damit eben dies nicht geschieht. Jener Weise, der es geschafft hat, dass man in diesem Lande riestern und rürupsen kann, geht als Chef einer Drückerkolonne. Die Doktoreisenbartkuren der Vorjahre und der Rest des Blödsinns gehen die Isar hinab. Man orientiert sich neu.
So neu nun aber auch wieder nicht: ein blasser Zauberlehrling von Cortal Consours empfiehlt auf ntv den Kauf von Zertifikaten auf „nachwachsende Rohstoffe“ (vulgo: Lebensmittel) und die „Beimischung im Prozentbereich von Edelmetallen“ – jedoch nicht metallurgisch korrekt zu Werkzeugstählen, sondern zu Portfolios. Seine größte Arbeitsleistung ist das allmorgendliche Binden des Windsorknoten und er hat weder genug Ver- noch Anstand, um zu merken, dass er sich selbst und uns allen den Strick um den Hals legt. Die FAZ kündigt im Finanzmarktteil unter dem Titel „Die Steueroasen drohen auszutrocknen“ eine Serie mit „Tricks“ und der Warnung vor „Fallen“ an, die dann aus irgendwelchen Gründen nach der ersten Nummer eingestellt wird (-warum denn nur?). Die Staatsfeinde entdecken Keynes, wollen mit ihm die Steuern senken, was sie schon immer wollten, Keynes aber nur angelegentlich.
Bei einem prognostizierten Rückgang des BIP um 6 v.H. dieses Jahr werden wir das BIP von 2008 erst 2013 wieder haben (-oder aber auch nicht). Das allein zeigt, dass wir nicht vor einem Wachstums- sondern einem Verteilungsproblem stehen, welches nicht ökonomisch aber politisch zu lösen ist. Und ab 2013 geht’s dann wieder aufwärts? Sind Kater Propheten??
Will man wissen, was kommt, entwirft man immer am besten Szenarien; die Wahrheit liegt willfährig dazwischen. Es sind derer drei: A: Deflation, B: Inflation, C: Chaos und Revolution. (Das vierte Szenario, D, heißt: „Alles wird gut“ oder „Die Kunst der positiven Gebrauchtwagenverkäuferneurosendenke“- es wird hier nicht weiter abgehandelt.) ad A: Deflation! Da haben wir den Salat: genau sie ist Alltag in Japan, seit dort 1991 eine Immobilienkrise eine Finanzmarktkrise auslöste. Ende nicht in Sicht. Alle Maßnahmen, die Hier und Heute getroffen werden, sollen die déflàtion á la japonaise bei uns bekämpfen. Deshalb die Angst vor der Inflation – man könnte ja des Guten zu viel tun. ad B: Inflation! Schon besser geeignet, um Finanzanlagen zu verkaufen, am besten Edelmetalle. Auch Papiere auf nachwachsende Rohstoffe, wobei letztere irgendwie ja auch endlich sind. Hunger haben die Armen immer, vor allem in der Krise. 700 Millionen Hungernde mehr 2008 als noch in 2007 laut FAO – das ist doch was! Drauf und ran liebe Banker und Geier – verkauft Zertifikate! (-was denn, wenn die Notenbanken ungewollt die Geldmenge inflationär überziehen, könnten sie hernach die Notbremse ziehen, Fort Knox die Schleusen öffnen und Gold billig wie Dreck werden?! Was, allein die Chinesen hocken auf mehr als einer Megatonne Gold? – na wenn schon, dann haben wir den Deal doch schon längst gemacht!!) ad C: Chaos und Revolution! Herrlich! Ein Superding! Was lässt sich da nicht alles verkaufen – ganz traditionell Aktien, und zwar alle -nicht nur Rüstung-, ganz altmodische Kriegsanleihen. Und dann dieser Derivatemarkt, der erst daraus entsteht -Zucker für Zocker-, was wird da nicht alles denkbar! Unser Paradies ohne Ende!!
Welches dieser Szenarien hält der Kater für wahrscheinlich? Ganz klar: D! Prügeln Sie mich ruhig dafür. Es ist meine unbedingte Meinung. (-Meinungen sind wie Arschlöcher, jeder hat eins, keiner will sie sehen.)”
***
“AA klingt im Deutschen wie Kinderkacke, Double-A oder gar Triple-A nach mehr. CDO, CDS, ABS, SDS – alles Bankerdeutsch. ABS steht für Acrynitril-Butadien-Styrol – NO!- pardon: für asset-backed-securities, das heißt für von hinten gedecktes Vermögen oder noch deutscher: für Verarsche.
CDS sind Kreditversicherungen, ähnlich CDOs. Bei ihnen entsteht gerade die nächste Blase, es bubbelt. Man betreibt jetzt safer-sex. Staatsanleihen im €-raum werden „abgesichert“ von Versicherungen, die weitaus bankrotter sind, als jene Staaten, die Anleihen ausgeben, um diese Versicherungen am Leben zu erhalten. Der ominöse „Deutsche Steuerzahler“ schenkt der Commerzbank die Dresdner Bank, damit die Allianz sie nicht mehr an der Backe hat. Die Kanzlerin verspricht im Oktober alle, alle Einlagen zu sichern, das entsprechende Gesetz wird dann erst am 1. April im Deutschen Bundestag gelesen zur baldigen Abstimmung durchs Stimmvieh und bleibt weit, weit hinter allen Erwartungen zurück.
Jeder, der zuvor kein Marktradikaler war, muss jetzt sagen: lasst es doch die Selbstbereinigungskräfte des Marktes richten – lasst die distinguierten Sozialschmarotzer pleite gehen. Erfüllt die Versprechen, sichert endlich die Einlagen bei Banken und Lebensversicherungen und fangt von vorne an – nur diesmal mit Vernunft! Die unterlegte Summe ist ja sowieso so gering wie ein Fliegenschiss im Vergleich zur Bilanzsumme. Manchmal ist..s selbst kein Fliegenschiss mehr, doch werden noch „Entschädigungen“ an Investoren gezahlt, die gar nix mehr hätten, hätte der „Deutsche Steuerzahler“ nicht längst 100 Milliarden lässig auf den Tisch des Hauses geblättert. Warum dürfen „Wertpapiere“ -also das dreckerte Klosettpapier, für die sich der Euphemismus „toxische Anleihe“ eingebürgert hat- zu Mondpreisen anstatt Marktpreisen bilanziert werden? -dies durch geänderte Bilanzrichtlinien sowohl in den USA wie in Europa. Wieso verschwindet der besonders arge Dezember ’08 komplett aus den amerikanischen Büchern? (Der Trick: man verlege das Geschäftsquartal aufs Kalenderquartal – Leute mit Geld sind ja eh alle saublöd und lassen sich gerne nasführen.) Warum pumpt der „Deutsche Steuerzahler“ das Geld, das er nicht hat, in die Blase, die längst geplatzt ist? Jeder illusionistische Varietékünstler, der Kaninchen aus dem Zylinder zieht, ist Teil der „Realwirtschaft“, schon fast der landwirtschaftlichen Urproduktion zugehörig -ganz im Gegensatz zu Investmentbankern. Investmentbanker haben gezaubert, dass das Volumen der Finanztransaktionen der ersten drei Tage eines Jahres genügen würde, um alle Überweisungen zu tätigen, die zur Bezahlung der realen Wirtschaftstransaktionen innerhalb des Jahres notwendig sind. Den Rest des Jahres schwirrt das Geld um den Globus wie die Scheißhausfliege um die Klolampe und ist CDO, CDS, ABS, SDS. Vier Billionen sollen bereitgestellt werden, um diese heiße Luft -denn es war nie reales Geld, niemals, nur immer Phantasterei- zu ersetzen. Nur diesmal zahlt der „Deutsche Steuerzahler“ ganz reale Zinsen dafür, seine Kinder werden sich dafür abrackern und noch die Enkel.
Das simple Geheimnis warum dies alles geschieht, liegt in der “Geldschöpfung”, der Produktion von Geld. Geld kommt dadurch in die Welt, dass das Geld, das mensch auf die Bank bringt, nicht auf der Bank ist, sondern in anderer Leute Taschen. Mensch braucht immer mehr Geld als die Ware, die mensch produziert, in der Erstellung kostet, um diese zu kaufen, weil im Warenpreis Profit und Zins enthalten sind. Also braucht das System einen Weg, dieses zusätzliche Geld “zu schöpfen”. Das ist zunächst nichts Arges, solange das System nicht implodiert. Will mensch aber im implodierten System die Geldmenge aufrecht erhalten, muss mensch es wieder aufpumpen. Daher auch die Unterscheidung in „systemrelevante“ Unternehmen -Banken- und solche, die es nicht sind – der schäbige Rest. Wie relevant ist das System?
Die Alternative: die Notenbanken nennen sie vornehm verschroben die „qantitative Geldschöpfung“ (das Gelddrucken ohne Verschuldung bei Dritten; dies geschieht sogar bereits in UK und US).
Verteilt das frische, frischgedruckte Geld an die Armen, dann kommt es in den Umlauf!
Vieles erinnert an die japanische Deflationskrise der Neunziger. Dort halfen aber weder Konsumgutscheine noch ein Nullzins aus dem Dilemma.”
****
wooow – was für ein deklamatorischer Stil! Heiliges Pathos….
November 26th, 2010 at 21:13
@ NochEiner
Ich habe das Wort für Wort gelesen und empfand es als erstaunliche Parallele zu meiner Wellenlänge. Jedenfalls gefällt mir diese Art der Ausdrucksweise und ich finde sie im erweiterten Sinn außerordentlich informativ. Genug des Schleims. Denn sicher weißt du, dass du nicht der erste Paddler auf diesem neuen Kanal der gezwinkerten Verständigung bist.
November 26th, 2010 at 23:20
@NochEiner
Ein schwieriger Text, aber irgend wie kommt auch rüber, was für ein Irrsinn(oder könnte man es gar legalisierte Wirtschaftskriminalität nennen?) sich hinter diesem ganzen Finanztheater verbirgt, wie überflüssig(eigentlich sogar gefährlich), um alle Menschen mit ausreichend Arbeit und Gütern zu versorgen.
November 26th, 2010 at 23:26
https://www.cesifo-group.de/portal/page/portal/ifoHome/c-event/c3seminar/0010-MunichSeminars
https://de.wikipedia.org/wiki/Hosenbandorden
“Honi soit…”
November 26th, 2010 at 23:41
“….großes Hosenbandgebet…”
Nee, Bakunin, danke, aber det hier ist der schwierige Text:
https://www.cesifo-group.de/portal/page/portal/ifoContent/N/publ/Zeitschriften/zs-sd/zs-sd-abstracts-container/IFO_SCHNELLDIENST_2010/ifosd_Sonderausgabe_20101119.pdf
Über Pigs, die hier Gips heißen:
“Hätten die heute kriselnden Länder noch ihre eigenen Währungen,
könnten sie abwerten und die fehlende Wettbewerbsfähigkeit
schnell wieder herstellen. Da sie aber Teil des
Euroraums sind, sind sie zu einer realen Abwertung durch
Preis- und Lohnkürzungen gezwungen, die über eine massive
Konsolidierung des öffentlichen Budgets und harte institutionelle
Reformen befördert werden können. Eine solche
Abwertung ist äußerst schmerzlich und kann eigentlich nur
über längere Zeiträume gelingen. Um Hilfsmaßnahmen wird
man also nicht umhinkommen….Die Position, bedrohte Länder im Krisenfall gar
nicht zu retten, wird von den Kapitalmärkten als nicht glaubhaft
angesehen und mündet zum Schluss in umfangreicheren
Rettungsmaßnahmen, als es der Fall ist, wenn man solche
Maßnahmen im Vorhinein klar definiert. Es war nach unserer
Auffassung ein Fehler, im Maastrichter Vertrag seinerzeit
keinen Krisenmechanismus im Detail zu verankern.”
November 27th, 2010 at 00:26
NochEiner meint:
November 26th, 2010 at 23:41
“….großes Hosenbandgebet…”
“Nee, Bakunin, danke, aber det hier ist der schwierige Text:”
Danke für diesen Link!
Hab ihn erst mal kurz überflogen, morgen vertiefe ich mich mal mehr darin.