5mackZuerst dachte ich, Marc Beise sei gefeuert worden oder ein anderes Wunder hätte sich bei der Sueddeutschen ereignet, als ich diesen Artikel zu lesen begann, der eingangs so etwas wie soziale Ungerechtigkeit im System Marktwirtschaft beschreibt. Zu beschreiben schien, muss ich korrigieren, denn das Schicksal der Bürger Irlands, vor allem der armen, dient nur als Illustration für die größere Ungerechtigkeit, die nämlich Deutschland widerfährt. Menschen, die ihre Wohnungen verlieren und sich das Nötigste nicht mehr leisten können, gelten als Kollateralschaden.

“Unfaire Steuern” und einen “unfairen Wettbewerb” beweint Alexander Hagelüken. Irland ist unfair gegenüber den Wettbewerbern, weil die Steuern zu niedrig seien und “weil es seinen Finanzsektor aufgeblasen” hat! Darunter leide u.a. Deutschland.

Faule Griechen, unfaire Iren

Oh my God, wo soll man da anfangen? Die Wirtschaftsredaktion der Sueddeutschen, eine Speerspitze der neoliberalen Journaille, hatte stets “weniger” Staat gefordert und bejubelt, war immer für “mehr Wettbewerb”, niedrige Löhne und niedrige Steuern. Ob das fair ist gegenüber den Beschäftigten in Deutschland, Europa und dem Rest der Welt war nie ein Thema, ebenso wenig wie die Frage, ob das wohl alles gut gehen könne. Wenn dann ein Musterschüler wie Irland damit auf die Nase fällt, war trotzdem alles richtig, die waren bloß unfair? Das sind also die ökonomischen Kategorien dieser Experten: Die Griechen sind faul und haben getrickst, die Iren sind unfair.

Die gnadenlose Förderung der deutschen Exporte durch sämtliche Bundesregierungen, die die Wirtschaften aller Euro-Partner enorm belasten, wird selbstverständlich nicht erwähnt, in diesem Punkt spielt ‘Fairness’ keine Rolle, denn Exporte sind ja etwas Gutes. Alle sollten mehr exportieren als sie importieren, so wie Deutschland halt. Ich fürchte, das denken sie da in der Redaktion wirklich.

5sinnAbsolut grotesk ist die Vorstellung von “Fairness” und “Gerechtigkeit” im “Wettbewerb” – allein diese Kombination von Begriffen ist schon eimerwürdig. Dass der Begriff der sozialen Gerechtigkeit durch die neoliberale Säuberung der Semantik aus dem Diskurs verschwunden ist, bedaure ich seit Langem. Er wurde ja zur “Ergebnisgerechtigkeit” degradiert, die nicht sein darf, weil sich dann die ganze Mühe der Arbeit nicht mehr lohnt. Dass eben solche Ergebnisgerechtigkeit aber jetzt im “Steuerwettbewerb” gepredigt wird, weil jemand – in diesen Fall ein Land – die Heilslehre ernstgenommen hat und damit vor die Wand gefahren ist, weht einem die Wolle von der Fontanelle. Unfair, dass die Iren regierten, wie es alle gepredigt haben. Unfair, dass man “sie” rettet, weil “sie” den “Finanzsektor aufgeblasen” haben?

Wer bläst die Blasen auf?

So ein Finanzsektor, werter Herr Hagelüken, wird immer noch durch Finanzen aufgebläht. Der irische Staatshaushalt beläuft sich auf 53 Milliarden Euro (71 Milliarden Dollar). Deutsche Banken haben nach aktuellen Berichten 138 Milliarden Dollar auf der Insel “investiert”. Die Deutsche Bank gibt an, von ihr seien dort nur 400 Millionen . Vielleicht erlaubt sich die SZ deshalb so zu tun, als gelte es, ein ‘unfaires Land’ zu retten.
Dass jetzt wie immer Sozialleistungen gekürzt, Familien, Mittellose und zukünftig Mittellose bestraft werden, das gilt freilich nicht als “unfair”, das ist ja immer so. Schließlich haben wir gelernt: “Eine Lohnerhöhung ist eine Gewinnsenkung” (Hans-Werner Sinn), deshalb geht das in Ordnung.

Am Ende geht es nur mehr darum, einen neoliberal-gerechten Steuersatz zu finden, der niedrig genug ist für den “globalen Wettbewerb” und hoch genug, dass er den in Deutschland nicht unterbietet. Das ist dann per definitionem “fairer Wettbewerb”. Denn Deutschland und seine Ökonomen machen alles richtig. Immer.