Alle Netzwelt redet von Datenschutz. Alle Welt? Nein. Hinter den Bergen der Vernunft liegt ein großes unbelecktes Datendorf, das immerhin die öffentliche Intimsphäre unserer Kinder schützt. Vor ihren Eltern! Der “Schutz” wird groß geschrieben, nicht zuletzt der des Betreibers vor seinen Kinderkunden. Ob sie wirklich schon 12 sind, weiß SchülerVZ nicht, aber wenn sie denn 12 sind, was sie online unterschreiben, haften sie selbst für alles. Ob sie überhaupt wissen, was sie da tun, ist den Webkindergärtnern nicht gleichgültig. Nein, sie lassen die Kinder einen Vertrag abschließen, in dem diese erklären müssen, daß sie den Durchblick haben:
Wenn Du also jünger als zwölf (12) Jahre, kein Schüler bzw. keine Schülerin, oder wenn Du mit den Allgemeinen Nutzungsbedingungen nicht einverstanden bist, mußt Du von einer Anmeldung absehen. Das gleiche gilt für den Fall, daß Du die Bedeutung der Erhebung, Verarbeitung und Speicherung der von Dir angegebenen persönlichen Daten nicht in vollem Umfang verstehst.
Damit ist der Fall erledigt. Wer sich einloggt, versteht alles. In vollem Umfang.
Eltern (und Lehrer), die sich ein Bild vom vollen Umfang machen wollen oder weningstens eine vage Vorstellung entwickeln möchten, was dort geschieht, werden vertröstet, beschwichtigt und diskret außen vor gehalten.
Zitat: “Schenken Sie den Jugendlichen Vertrauen und gewähren Sie ihnen die Privatsphäre, die sie sich wünschen.” Selbstverständlich. Aber schenke ich Euch die Privatsphäre meiner Tochter? Vertraue ich einem Webangebot mit “Geschichte”?

paul

StudiVZ: Das Original

SchülerVZ ist ein Klon von StudiVZ, beides gehört zur Holtzbrinck-Gruppe und wurde einer Clique von Freaks abgekauft, denen nicht nur Datenschutz, mit Verlaub, scheißegal ist. Wer die ganze ekelhafte Story lesen will, schaue sich in der Blogbar um. Leider beschränkt sich die Archivsuche dort auf die neueren Artikel. Über Google findet man aber auch leicht die älteren Einträge. Exemplarsich empfehle ich diesen Beitrag. StudiVZ und seine Initiatoren sind ein Musterbeispiel für fehlenden Datenschutz, Aufschneiderei, Lüge, Geschmacklosigkeit und Datenschacher. Die Erfahrung zeigt, daß Studenten massenhaft keinerlei Verantwortungsgefühl zeigen in bezug auf ihre privaten Daten. Aber unsere Kinder sind ja gut aufgehoben. Zwar heißt es: “Jugendliche bewegen sich im Internet meist unbefangen. Sie wissen oft sehr gut, wie man praktisch mit dem Medium umgeht, doch können sie kaum die Konsequenzen ihres Tuns abschätzen“, aber “schülerVZ unterstützt die Medienerziehung durch praktische Sicherheitsangebote, die in der Rubrik ‘Privatsphäre’ zu finden sind.” Eine Lachnummer.

Zeigt her Eure Daten, ihr habt nichts zu verbergen!

Die Erziehung zur totalen Offenlegung aller Daten exekutiert SchülerVZ gar vorzüglich. Die Standardeinstellungen sehen nicht nur vor, daß die Schüler und Schülerinnen möglichst viel preisgeben, sie werden suggestiv dazu aufgefordert. Der Duktus ist aggressiv und kommt ganz salopp daher:

vz1
vz2
vz3
vz4

Das sind also die Standardeinstellungen: Jeder darf alles sehen, “klar”! Als sei es etwas Sinistres, sich nicht jedem feilzubieten, sondern selbst kontrollieren zu wollen, wer was sehen darf. Und nicht einmal für das Echo im hohlen Schädel sind sich die VZler zu schade: “Ich habe nichts zu verbergen“! Den Kindern wird suggeriert, wer seine Daten nicht freigibt, sei ein Schurke. Hier spricht die Datenkrake ihres Vetrauens.

Dr. Sommer, die Einladefunktion und die dummen Eltern

Ich kam mir ziemlich verkaspert vor, als ich die Elternabfertigungserklärungen von SchülerVZ gelesen hatte. Meine Frage war ganz einfach: Was passiert dort? Was kann ich tun, um mich zu informieren? Und warum kommt man in SchülerVZ nur hinein, wenn man eigeladen wird?
Dazu muß man wissen: SchülerVZ ist ein esoterischer Zirkel. Es gibt keinen freien Zugang, sondern Schüler kommen dort hinein, indem sie von anderen Schülern per Mail eingeladen werden. Einen anderen Zugang gibt es nicht. Wie nun die Henne, das Ei und vor allem die ersten Nutzer zu SchülerVZ kamen, das ist geheim. Warum das so ist, ist nicht geheim: Es sei ein Schutz gegen “Unbefugte” und “unseriöse Nutzer”. Dies teilte mir Sascha Neurohr mit, das sozialpädagogische Feigenblatt, das blöde Fragen nicht beantwortet. Zwar antwortet der Herr oder das Team, das unter diesem Namen firmiert, derzeit noch recht prompt auf Mails, aber es redet fröhlich an den vorgebrachten Argumenten vorbei und wird schnell kurzatmig. Ich nahm die Meldung des Stern zum Anlaß der Aufforderung, mir einen Einblick in SchülerVZ zu gewähren, da ich meiner Sorgepflicht gern nachkäme. Bekannt geworden waren pornographische und rechtsradikale Inhalte bei SchülerVZ. Ich mochte den Holtzbrincklern daher nicht länger allein die Aufsicht über meine Tochter überlassen. Herr Neurohr klärte mich darüber auf, wie sicher das alles sei und daß man sich um all dies kümmere, wenngleich nicht immer und nicht sofort. Aber im großen und ganzen wird alles gut. Zweifel kommen da dennoch auf, denn
Eine Liste mit Gruppennamen können wir Ihnen leider nicht zusenden, da es inzwischen über 566 000 Gruppen im schülerVZ gibt“, so Herr Neurohr. Aber sonst haben sie alles im Griff, denn”LKA und jugendschutz.net” seien auch an Bord. Na gottseidank!

Wer dreimal lügt

Nun hatte ja schon StudiVZ alles Mögliche erklärt, was nachher zur Lachnummer wurde. Die Nummer mit dem Chaos-Computer-Club, der vergeblich versucht habe, sich dort einzuhacken, war wirklich großes Kino. Ich vermute daher, daß derlei Beschwichtigungen nicht nur schlechte Argumente sind, sondern obendrein gelogen. Und ich erlaubte mir, darauf in einer zweiten Mail hinzuweisen. Mein Vertrauen hält sich in Grenzen, und ich erklärte Dr. Sommer, daß ein fehlender Gastzugang für Eltern mehr Probleme erzeugt als löst. Es ist kein Problem, an einen Zugang zu kommen, wenn man Böses im Schilde führt. Es ist aber unmöglich, die Elterliche Sorge wahrzunehmen, ohne sich (illegal?) einen Account zu besorgen. Obendrein trägt dieses Vorgehen unlösbare Konflikte in Familien. Ich formulierte diesen Umstand so:
“Dieses Gegenteil von Transparenz und Öffentlichkeit schafft nicht gerade Vetrauen. Gerade Eltern, die ihren Kindern den Zugang zum Netz ermöglichen wollen, kommen hier in die Zwickmühle: Sie können den Zugang nur verbieten oder blind darauf vertrauen, daß es “schon schiefgehen” wird. Dieser Konflikt kann nicht ans BKA oder freundliche Sozialpädagogen delegiert werden, er wird in den Familien ausgetragen. Die Jugendlichen können dann mit Recht sagen: “Du hast ja gar keine Ahnung, was ich da mache”. Und genau dafür sorgt SchülerVZ.[...] Bitte teilen Sie mir also mit, ob ein Zugang zu StudiVZ zum Zwecke der Gewährleistung der elterlichen Sorgepflicht möglich ist oder in absehbarer Zeit ermöglicht werden kann oder Eltern, die ihre Kinder auch im Internet beaufsichtigen wollen, nur die Möglichkeit bleibt, den Zugang zu SchülerVZ zu verbieten.”
Dazu Herr Neurohr:
Der Gastzugang ist für uns schlicht gesagt zu riskant. Über eine solche Funktion könnten ja schließlich Pädophile sehr einfach sich die Profile der Nutzer ansehen, ohne dass sie kontrolliert werden können. Wir würden in einem solchen Falle einen Voyeurismus bedienen, wie ihn Pädophile ja klassischerweise vorrangig praktizieren. Das wollen wir nicht. Daher kommt der Gastzugang für uns nicht in Frage. [...] In unseren Gesprächen mit klicksafe.de und jugendschutz.net fühlen wir uns in unserer Einladefunktion als Schutzmaßnahme bestätigt.
Dieser groteske Blödsinn geht an allen Argumenten vorbei. Ich bin gespannt, wann die ersten Pädophilen auffliegen. Ich wette, in SchülerVZ tummeln sich mehr solche als Eltern. Man fühlt sich “in Gesprächen bestätigt”. Alles sicher in den 566000 Gruppen? Daß der Hansel sich an der Frage nach der Möglichkeit eines Gastzugangs festbeißt, zeigt: Ihm und den Seinen fehlt jede Idee und Motivation, Eltern in die Nutzung einzubeziehen.

Need some Weed?

Ich habe ein sehr vertrauensvolles Verhältnis zu meiner Tochter, und nachdem ich ihr erklärt hatte, was mein Vorhaben war, gewährte sie mir Einblick in SchülerVZ. Lustige Gruppen gibt es dort. Sucht man zum Beispiel in den Gruppen nach “weed”, kommt man zu Clubs, die sich für die Legalisierung von Cannabis einsetzen. Vertretbar, aber ist das ein passendes Thema für 12-Jährige? Ich habe mich nicht lange mit den Gruppen im schülerVZ beschäftigt, aber wie nicht anders zu erwarten, findet sich dort schlicht alles, das als jugendgefährdend betrachtet werden kann. Dabei habe ich aus Gründen des guten Geschmacks den Bereich, der mit Sex und Spielchen zu tun hat, ausgelassen. Drogen, Alkohol, indizierte Spiele – es ist alles dabei. Nun bin ich nicht vor den Schrank gelaufen und wundere mich nicht im geringsten darüber. Es ist auch zu befürworten, daß Kinder und Jugendliche über die Dinge kommunizieren, mit denen sie sich beschäftigen. Es ist allerdings Anlaß zur Sorge, wenn sie dies in einem Medium tun, in dem alles erlaubt und vorhanden ist – außer Erwachsenen, respektive Eltern, die davon etwas mitbekommen. Hier können sich die Kids in seliger Abgeschiedenheit in etwas hinein steigern, aus dem sie womöglich nicht wieder heraus finden.

Fazit: Im Zweifelsfall verbieten

So lange der Kontakt zu den eigenen Kinden besteht, Eltern mit ihnen reden können und man sich grundsätzlich akzeptiert, wird auch SchülerVZ vermutlich keine größeren Schäden anrichten. Wenn es aber zu dem nicht seltenen Phänomen kommt, daß sich der Nachwuchs zurückzieht, mehr im Netz lebt als draußen und sich nicht mehr mitteilt, ist SchülerVZ eines der Angebote, die sich systematisch der Kontrolle entziehen. Es gibt da für Eltern nur die zwei Möglichkeiten: Erlauben oder verbieten. Das Traurige daran ist, daß diese Situation vom Betreiber forciert wird. Die Schüler sollen sich dort eine Intimsphäre aufbauen, die den Eltern verschlossen bleibt. Gleichzeitig schaffen sie aber eine Datenöfflichkeit, die den Mißbrauch nicht erst heraufbeschwören muß. Voyeurismus und Exhibitionismus sind eine wichtige Säule von StudiVZ und SchülerVZ. Das geht weit über das bloß “Sexuelle” hinaus.
Wenn jetzt Eltern vor Gericht gehen, können die Betreiber sich warm anziehen. Denn für die Sicherheit und Integrität der Schüler sowie Jugend- und Datenschutz ist allein SchülerVZ verantwortlich. Aus einer Kneipe können Eltern ihre Kinder wenigstens noch rausholen. Bei SchülerVZ haben sie keinen Zutritt.