Er ist ebensowenig oberflächlich wie der von Volker Pispers. Aber im Ernst: Ich habe nichts gegen Amerika, ich habe generell nichts gegen Kontinente, sehr wohl aber etwas gegen Propaganda. Der Vorwurf des Antiamerikanismus ist die älteste und bewährteste noch aktuelle Parole der politischen Rechten gegen ihre Gegner, eine Allzweckwaffe, rhetorische Streubombe, die alles und jeden trifft, ohne das die Opfer etwas dafür könnten.

usazEine Einschränkung muss man machen bei dieser Feststellung, dass nämlich die übrig gebliebenen treudoofen Nazis im Nachkriegsdeutschland und ihr brauner Aufguss ebenfalls als antiamerikanisch gelten, da ihnen ja das ‘Besatzungsregime’ ein Feindbild ist. Wer so weit rechts ist, den trifft es dann auch – obwohl er sicher etwas gegen alle alliierten ‘Besatzer’ hat, nicht nur gegen die Amerikaner. Die angepassteren Rechten, selbst aus der NSDAP, kamen hingegen im ‘bürgerlich-konservativen’ Lager unter, dem schwarzgelben.

Auf die Struktur des ‘Anti’-Vorwurfs haben die Propagandisten kein Patent, sie haben es im Grunde abgekupfert. Dass Kritik an der Politik Israels noch heute regelmäßig als “antisemitisch” abgetan wird, ist das betrübliche Vorbild. Verständlich allerdings, dass nach dem unvortstellbaren Grauen des Holocaust auch Jahrzehnte später noch Empfindlichkeiten herrschen, die nicht mehr wirklich rational sind. Verständlich auch, dass Politiker sich das zunutze machen.

Der Hass auf Amerika

Weniger verständlich ist es hingegen, dass Repräsentanten der USA und ihre Vorwärtsverteidiger sich solcher ‘Argumente’ bedienen, sich in eine lächerliche Opferrolle begeben, während sie in aller Welt nach belieben offene und verdeckte Kriege führen. Womit wir bei der ersten Kategorie wären: Wer Kriege ablehnt, gilt als Antiamerikanist. Nicht etwa Pazifismus oder ein schlichtes Mitgefühl für die Opfer von Kriegen kann das Motiv solcher Menschen sein. Nein, es ist der Hass auf Amerika.

bushmerkDie militante Außenpolitik der US-Geheimdienste, nachgewiesene Beteiligungen an Attentaten, Drogenhandel und Geldwäsche ist ein weiteres Thema, das Kritik an US-Regierungen hervorgerufen hat. Ebenso die Aufrüstung von Armeen wie im Iran (unter der Diktatur des Schah), Irak (unter Saddam Hussein), Afghanistan (die Taliban gegen die UdSSR), Mittelamerika (Somoza in Nicaragua, Duarte in El Salvador) – um nur einige zu nennen. Dies konnten kritische Menschen nicht recht als demokratisch empfinden. Noch weniger dann die Kriege gegen jene, die man zuvor hochgerüstet hatte. Diese Empfindung entspringt für konservative Verfechter der westlichen Allianz nicht etwa einem gesunden Gefühl für Gerechtigkeit. Sie gilt ihnen vielmehr als blanker Antiamerikanismus.

Beim Thema “Gerechtigkeit” machen mutige Menschen wiederum ein anderes Fass auf. Soziale Gerechtigkeit und Kapitalismus, so glauben sie, das kann Konflikte bergen. Und verweisen darauf, dass es schon nicht gut sein kann, wenn die Familien der Reichen und Superreichen in den USA die wichtigen Ämter unter sich aufteilen. Dass ihr Einfluss zu groß sei, und das bei all diesem Reichtum nicht gleichzeitig bittere Armut herrschen sollte. Dies nicht nur in der sogenannten “Dritten Welt”, sondern in beschämender Weise auch in den USA selbst. Völlig verblendet müssen diejenigen sein, die das mit einem sozialen Gewissen begründen oder mit einer demokratischen Grundhaltung. Kenner erkennen Antiamerikanismus auch unter diesem Deckmantel.

Ein neuer Tiefpunkt

Dass es unter den geschilderten Umständen schwierig ist, vor allem besser informierte Menschen zu glühenden Sympathisanten der Großmacht zu machen, liegt auf der Hand. Mit dem größten Schläger der Schule erklärt man sich eher ungern solidarisch. Man fügt sich ihm eher, als dass man ihn mag.

Wenigstens ‘Nine Eleven’ hätte die antiamerikanischen Miesmacher dann aber endgültig zum Schweigen bringen sollen. Dass nicht einmal das funktioniert hat, zeigt überzeugten Atlantikern, wie tief das Ressentiment der Unverbesserlichen sitzt. Diese meinen, 2500 Tote Amerikaner seien kein Grund für 100.000 tote irakische Zivilisten, tausende in Afghanistan sowie Folter und Mord in aller Welt. Solche Schmähung der Schutzmacht folge aus der angeblichen Sorge um die universelle Geltung der Menschenrechte. Eine Schutzbehauptung, wissen die Politologen des rechten Weges.

Dass sich heute eine deutsche Tageszeitung zu der Frechheit aufschwingt, einen leibhaftigen amerikanischen Präsidenten der Lüge zu bezichtigen, ist ein neuer Tiefpunkt in den deutsch-amerikanischen Beziehungen. So viel Antiamerikanismus war selten, der Linksrutsch ist offenbar bis tief in die bürgerliche Presse vorgedrungen.