oskar
Zu den Medien, die es für eine journalistische oder politische Auseinandersetzung halten, Lafontaine zu diffarmieren, gehört jetzt auch die Zeit, nachdem sich SpOn schon ähnlich hervorgetan hat. Thomas “E” Schmidt versucht sich in einer Art Trashlyrik daran, den bösen Demagogen anzuprangern. Was er sich dabei zusammenlamentiert, schreit nach starken Betäubungsmitteln:
Macht hat er als »Phänomen«, will sagen als Fantasie- und Projektionsfigur, als Hoffnungsträger und Gottseibeiuns, als Populist, von dem niemand weiß, wie stark seine Bataillone wirklich sind – und deswegen sind sie zunächst einmal besonders stark
Ahja. Wer den Satz verstanden hat, bitte melden! Mit der diesem inhärenten Logik kann man vermutlich revolutionäre Raumschiffantriebe kreieren.
Die Zeit ist Politikern günstig, die erkennbar keine Parlamentsprofis sind
Meint er jetzt das Wochenmagazin? Lafontaine kein Parlamentprofi? oder Gysi? Wenn Schmidt nachsetzt:
Nur der Paria des Establishments kann ein echter Volksversteher sein
meint er vielleicht, daß Oskar nun quasi nicht mehr dazugehört. Aber ist der dadurch kein Profi mehr? Und was ist daran “erkennbar”? Egal, je ärmer die Syntax, desto stärker wirkt der semantische Rest, will heißen: “Volksversteher” ist die Message. Das kann nur etwas anrüchiges sein.
Es ist ein gewaltiges deutsches Trauma und zugleich ein unsterbliches deutsches Faszinosum, dass einer Politik unmittelbar zum Volk macht, vorbei an einer das Gute filtrierenden Institutionenordnung
Noch so ein Patent: Schmidt kann das Gute filtrieren! Dann noch fix das Böse frittieren, und die Koalition des Guten ist angerichtet. Kurzer Sinn: Keine Ahnung, was der Blödsinn bedeutet, aber “gewaltiges deutsches Trauma”, das heißt: Lafontaine ist der Hitler des Jahres.
Man muss anerkennen: Was er da einsammelt, ist ihm gelungen, »links« zu nennen – und es für sich und seine Partei zu reklamieren, jedenfalls für den Augenblick
Ah, der Jäger und Sammler, der primitive. Vorläufig “links” sind also diejenigen, die sich schon zuvor “Die Linke” nannten, sonst gern als “ehemalige SED” bezeichnet werden, sowie westdeutsche Gewerkschaftler und Altlinke. Da ist es diesem Schmutzfinken doch gelungen, diese “links” zu nennen. Wie schafft er das bloß?
Was die Deutschen umtreibt, ist [...] der Wunsch nach einer staatlich garantierten Versicherung gegenüber Jobverlust und Terroranschlägen“.
Woher weiß er nun dieses? Es bleibt sein Geheimnis. Zum Wunsch nach Jobgarantie siehe unten, was die “Terroranschläge” angeht, kann ich mich nur wundern, sagt Schmidt doch auch:
Die stillschweigende Zustimmung zu Wolfgang Schäubles Maßnahmen der inneren Sicherheit in der Bevölkerung ist beim besten Willen nicht mit der Tradition der Linken zu verrechnen. Die Neigung zum nationalen Isolationismus und zu einer Freunde und Feinde sortierenden Ideologie ist ebenfalls eindeutig rechts, und es bedeutet etwas, wenn Lafontaine auch im NPD-Milieu seine Fans findet.
Hä?? Nicht nur, daß der Experte für alles nun auch weiß, daß selbst Stillschweigen (jenseits der immer lauter werdenden Proteste) Zustimmung bedeutet, kreidet er Lafontaine an, daß angeblich Schäubles Position Konjunktur hat? Lafontaine ist Volksversteher, muß daher also auch Positionen verantworten, die nicht seine eigenen sind, weil das Volk das angeblich will? Andererseits ist das aber wiederum nicht links, weshalb der Tribun kein Tribun sein kann? und ist er deshlab nicht links, sondern rechts, womit er wieder Tribun ist, also links? Hallo, ist da noch irgendwer zu Hause?
So sehen sie meist aus, die Artikel derjenigen, die im laut schreienden Konsens der Zeitungsdemokraten auch mal was sagen zum Phänomen “Linkspartei”. Außer dem durchaus originellen und unterhaltsamen Stuß, der dabei herumkommt, ist diese Pampe vollkommen ideenlos und fad. Wie wäre es etwa mit dem Gedanken, daß Gysi und Lafontaine überflüssig sind? Warum? Weil sie populäre Ansichten vertreten und bereits hinlänglich als Politiker und Redner bekannt sind. Sie könnten also Platz machen für junge Talente, die genau so gut eine Partei vertreten könnten, die aus der aktuellen gesellschaftlichen Lage heraus reichlich Auftrieb hat. Und bei dieser Gegelegenheit: Es geht nicht um “Jobgarantien” und schon gar nicht um “Terrorismus”, der mit Lafontaine und der Linkspartei schon mal gar nichts zu tun hat. Es geht um die Angst der Leute und die nackte Erfahrung, daß es in diesem Land sehr schwierig werden kann, sich das Nötigste zu leisten. Es geht darum, daß die anderen Parteien sich keine Gedanken mehr um Menschen machen, für die ein Brötchen unerschwinglich teuer ist. Die Linkspartei und ihre Vertreter müssen gar nichts tun, um Erfolg zu haben. Die Ignoranz der anderen ist ihr Erfolg. Und ein wohlverdienter obendrein.