troja
Es ist eine merkwürdige Folklore, was in den Massenmedien unter der Rubrik “Wirtschaft” verkauft wird. Zum Beispiel Aktien: Kein Mensch weiß, wie der Wert einer Aktie zustande kommt. Dennoch wird jeden Abend in der Tagesschau der aktuelle Dax durchs Dorf getrieben. Gern mit vorheriger Bespaßelung durch einen “Experten”, der uns den neuesten Klatsch aus Frankfurt und New York auftischt. Was soll das? Wer sich wirklich dafür interessiert, findet keinerlei Information in diesem Gequatsche. Wenn ich wissen will, wie es meinen Aktien geht und wie es ihnen vermutlich morgen gehen wird, bleibe ich up-to-date. Informationen bietet das Internet wirklich aktuell, und für die Hintergründe gibt es die Redaktionen der Fachzeitschriften.
Zwischen den Stühlen gibt es die Wirtschaftsredaktionen der großen Zeitungen und Zeitschriften, so etwa den “Spiegel”, bzw. SpOn. Ein Werk dieses ehemaligen Nachrichtenmagazins gab es auch gestern zu lesen.
Thema: Das Ansehen deutscher Manager bei “Finanzinvestoren”.
Der Artikel ist so eine Art Trojanisches Pferd. Er kommt im Gewande der Hintergrundinformation daher und ist doch pure Propaganda. Ich gehöre bekanntermaßen nicht zu den talentiertesten Verschwörungstheoretikern, weswegen ich nicht behaupte, das Sabine Dembkowski von sinistren Logen gesteuert wird, um für Großkapitalisten die Trommel zu rühren. Nein, es ist das System, dem sich sogenannte “Journalisten” anpassen. Was man so hört, was als Common Sense gilt, was in der Redaktion so geschrieben wird. Früher wurde das auch “verdinglichtes Bewußtsein” genannt.
Sie setzt sogar scheinbar kritisch an, es geht um die schlechte Arbeit deutscher Manager. Wer sagt, daß sie schlecht sind? “Finanzinvestoren”, “Beteiligungsunternehmen”. Die Quelle:“20 [!] qualitative Interviews unter institutionellen Anlegern und Private-Equity-Gesellschaften an den Finanzplätzen London und Frankfurt”. Ein qualitatives Interview ist nichts anderes als eben ein Interview. Man nennt es “qualitativ”, wenn man keine Zahlen hat oder keine erheben will. Das kann durchaus sein Recht haben, aber gerade dann kommt es gewaltig auf die Auswertung an, und 20 Interviews sind eine verdammt magere Grundlage. Es klingt wissenschaftlich, ist es aber nicht.
Was man dennoch alles herauslesen kann, ist erstaunlich:
Die Befragung ergab aber auch, dass die meisten Manager ihren Job in den Augen der Investoren eher schlecht als recht machen.
Die 20 Jungs müssen ja verdammt was auf der Pfanne haben, wenn sie “die meisten Manager” kennen.
Es folgen diverse Kriterien, die “für die Investoren” “entscheidend ist sind“, was ““Die Investoren (vor allem) kritisieren” etcetera etcetera. Die Quelle dieser Weisheiten wird nicht genau benannt, sicher aus gutem Grund. Aber das ist letztendlich auch egal, denn entscheidend ist die Rhetorik: Obwohl völlig klar ist, daß die Quelle derart präzise Aussagen mit dieser Tragweite und in dieser Breite gar nicht zulassen, wird dem Leser suggeriert, er bekäme hier einen tiefen Einblick in die Finanzwelt. Und erklärt wird ihm auch, ganz einfach und verständlich, was das alles bedeutet:
Wenn ein Investor bei einem Deal 120 Prozent Nettokapitalrendite erwirtschaftet hat, steht ein anderes Unternehmen mit 30 Prozent eher mickrig da. Zum anderen stehen auch die Mitarbeiter innerhalb einer Gesellschaft unter Druck, die besten Renditen zu erwirtschaften.
Klingt auch toll, “Nettokapitalrendite” – hier schreibt die Frau vom Fach. Sie heißt Lieschen Müller und prügelt den Dummbatzen, die ihren Aufsatz lesen, ins Hirn: Die Zahlen sind groß und werden immer größer. Nur, wer noch mehr rausquetscht, bleibt dabei. Die anderen sind “mickrig”. Diese naive Darstellung von Wirtschaften entspricht genau der hirnlosen Gier moderner Planwirschaftler, vulgo “Heuschrecken”, die sich keinerlei Gedanken um die Folgen ihres manischen Wettberwerbs machen.
Von gutem Journalismus erwarte ich, daß er Fragen stellt und sich bemüht, diese zu beantworten. Wieder einmal antwortet SpOn, ohne daß sich dort irgendwer irgendetwas gefragt hätte.