Obwohl die verfassten Staaten sich gern eine ganze Reihe von Geheimdiensten leisten, tun sie sich recht schwer damit darzulegen, wo der Sinn der Dienste im besonderen und der Geheimnisse im allgemeinen liegt. Was diese Dienste genau tun, soll den parlamentarischen Kontrollbehörden bekannt sein, sonst geht das niemanden etwas an. Diese Art der Geheimhaltung ist freilich nur die Spitze der Intransparenz der sogenannten “Republik”. Diese entzieht sich auch darüber hinaus nur allzu gern der Kontrolle durch die “Öffentlichkeit”, die sie doch in Namen trägt.

Geheimhaltung ist in einem demokratischen Rechtststaat eine äußerst heikle Sache. Nimmt man diese beiden hohen Ansprüche – Rechtsstaat und Demokratie – nämlich ernst, so ist es nur zu ersichtlich, daß die Bürger wissen müssen, was in ihrem Namen geschieht. Wie im Rahmen der Betrachtung der DDR noch Common Sense ist, weist das Maß geheimer staatlicher Tätigkeiten auf das Maß der Rechtstaatlichkeit hin. Das gilt ganz grundsätzlich.

Was wir wissen müssen

Und zwar gilt dies so grundsätzlich, daß die Umkehrung des Prinzips “Geheimhaltung” wiederum ein Indikator für Demokratie und Rechtststaatlichkeit ist. Das führt einen radikalen Demokraten zu der Frage, warum es eigentlich keinen Transparenzdienst gibt, der dafür sorgt, daß die Grundlagen staatlicher und behördlicher Entscheidungen offengelegt werden? Was also Ämter und vor allem Politiker tun und lassen, wenn sie zu einer Entscheidung gelangen, erfordert demnach eine Erklärung zu den Hintergründen und Grundlagen. Mit wem wurde gesprochen? Wer hat an der Entscheidungsfindung mitgewirkt? Zu welchem Ergebnis ist man aufgrund welcher Abwägung gekommen? Das Ganze möglichst in Echtzeit.

Nun erscheint eine solche Forderung zunächst doppelt naiv. Einerseits gehören ja gerade rituelle Begründungen und schablonenhafte Argumente zu den Begleiterscheinungen politischer Prozesse. Andererseits gehen Lobbyisten bekanntermaßen ein und aus bei den Entscheidungsträgern und lassen gleich Redemanuskripte oder Gesetzestexte da, damit es die Abgeordneten nicht so schwer haben.

Ein Problem besteht aber darin, daß diese zum Teil unmittelbaren Zusammenhänge und Einflussnahmen dann eben doch geleugnet werden. Was nützt es da, wenn Lobbycontrol oder Abgeordnetenwatch irgendwo eine Halde des Halbwissens unterhalten, auf der die Erkenntnisse über die Macht hinter der Macht endgelagert werden? Es bedarf einer echten Öffentlichkeit für solche Vorgänge, um Korruption und antidemokratische Absprachen einzudämmen.

Geheimhaltung und Korruption

Derzeit häufen sich die Fälle zu offensichtlicher Klientelpolitik, es herrscht ein unmittelbar durchgereichter Lobbyismus, der Minister und Regierungsfraktionen zu Sprechpuppen der Interessengruppen macht. Hoteliers, Stromkonzerne, Pharmaindustrie, Apotheker, Tunnelbauer und Bauwirtschaft werden sklavisch bedient, während der zahlende Bürger halt den Gürtel enger schnallen muss. Es macht sich kaum mehr jemand die Mühe, das noch überzeugend zu verkaufen. Ein paar dumme Phrasen, die auf “alternativlos” enden, sollen dem Volk genügen.

Tatsächlich geht es um Korruption. Denn während es offenbar angezeigt ist, Bürger als Gefahr für den Staat zu betrachten und sich dagegen zu wappnen, haben die Bürger nur äußerst bescheidene Möglichkeiten, der Gefahr zu begegnen, die ihnen von Seiten eines korrupten Staates drohen. Ein “Gesetz zur Korruptionsbekämpfung” kennt etwa das Land NRW, darin geht es aber nur um öffentliche Aufträge und solche Verfehlungen, die im Rahmen eindeutiger gesetzlicher Vorschriften begangen werden. Zuständig ist dementsprechend der Rechnungshof, der auch nur prüft, ob ganz offensichtlich Geld verschwendet wird.

Ansonsten gibt es in Deutschland keine Korruption. Nicht nur, daß sich die gesetzliche Handhabe auf die Bestechung von Amtsträgern beschränkt – diese muß so eindeutig sein, daß es in den allermeisten Fällen nicht möglich ist, sie nachzuweisen.
Es kann auch im Endeffekt nicht nur darum gehen, strafwürdige Korruption zu verfolgen, sondern es muss einer Demokratie daran gelegen sein, schon korrumpierende Einflüsse deutlich öffentlich zu machen. Dies gilt umso mehr, je weniger unabhängig eine Presse ist, die sich inzwischen selbst den Interessen ihrer Geldgeber zu beugen hat – wobei wir hier nicht von den Lesern sprechen.

Den Einfluss öffentlich machen

Das Kartell, das “Stuttgart 21″ beschlossen hat und es jetzt mit aller Macht durchpeitscht, eine Mischpoke aus ehemaligen “Volksparteien” und sämtlichen Profiteuren, die daran verdienen können, steht inzwischen überrascht und majestätisch beleidigt einem Volk gegenüber, das einfach nicht taub und blind genug ist, um freiwillig Miliarden in ein Loch zu schmeißen, in dem die Ratten sich schon tummeln. Vielleicht läßt man deshalb ja die Wasserwerfer auf Augenhöhe sprechen.

Wie aber läßt sich eine Mafia aufhalten, die so breit aufgestellt ist?
Ein echtes Transparenzgebot und eine echte parlamentarische Kontrolle – sei es auch nur in Form der Dokumentation von Einflussnahmen auf politische Entscheidungen, die Pflicht für Politiker, all das öffentlich zu äußern, was sie bislang und zunehmend in Hinterzimmern ausbaldowern, wäre das nicht eine wunderbare Ergänzung der demokratischen Instanzen?
Man kann natürlich auch darauf hoffen, daß unabhängige Journalisten diese Aufgabe wieder übernehmen. Von denen aber wissen wir ja, daß wir nicht alles wissen müssen.