War es eigentlich schon immer so, daß politische Veranstaltungen umso heftiger bejubelt wurden, je erbärmlicher die politischen Inhalte waren?
Das Kasperletheater dieser Tage zeichnet sich vor allem dadurch aus, daß sich die Darsteller permanent selbst feiern und feiern lassen, egal, was sie bewegen oder nicht. Zwei abscheuliche Beispiele dieser Tage: Angela Merkel und Guido Westerwelle, die möglichen Chefschocker im nächsten Berlliner Gruselkabinett.
Was Westerwelle jüngst seinem geplagen Auditorium zumutete, war frei von Sinn und Verstand, ohne Schmerzmittel nicht zu ertragen und nur noch aus parteitaktischem Kalkül gutzuheißen. Der Parteitag und das ZK applaudierten fleißig und pflichtbewußt, aber ich wette, daß niemand, der das anhören mußte, heute noch weiß, worum es ging. Na? Wer weiß es? Richtig, es ging um “Freiheit”. Freiheitsstatue, Freiheits statt Sozialismus, Freiheit von Inhalt. Guido will regieren. Dagegen spricht, daß er keine Mehrheit zusammenbekommt. Unter anderem deshalb, weil sich eine dauerhaft stabile Mehrheit von SPD, Linkspartei und Grünen abzeichnet. Nun will die F.D.P. keine komplizierten Koalitionen, mit der SPD und den Grünen schon gar nicht, also könntte es darauf hinaus laufen, daß sich die Linken irgendwann gezwungen sehen, eben doch eine Regierung zu bilden. Für diesen Fall muß vorgesorgt werden. Die F.D.P. hat zwar selbst keine Idee, aber sie weiß, daß die der anderen alle schlecht sind und die der ganz Linken ganz schlecht. Diesen großartigen Ansatz garniert Westerwelle mit ebensolcher Rhetorik, und fertig ist das Elend. Gut für Guido, daß sich niemand findet, der sich als Folgeparodie anbietet, nicht einmal ein Möllemännchen ist in Sicht. So sieht’s aus bei der Fünftstärksten Deutschen Partei.
Vielleicht findet sich aber doch bald wieder eine Mehrheit für die Traumkoalition mit den Christlichen. Die Chancen stehen gut, denn die Kanzlerin ist unerhört beliebt, vor allem bei der Journaille. Kein Wunder, denn was sie anfaßt, ist ein einziges Fiasko und wird nur noch durch das überboten, was sie liegenläßt.
Ihr vielbejubeltes Management des G8-Gipfels etwa: Man konnte in dem, was sie ein Gesicht nennt, beinahe ein Lächeln identifizieren. Großartig! Wer fragt da noch den Resultaten des Gipfels:
-Keine Umweltstandards bis 2050, vielleicht aber auch gar keine.
-Keine wirksame Hilfe für Afrika, schon gar keine Abschaffung der Subventionen, die Afrika konkurrenzunfähig machen.
-Eigentlich nicht Neues, außer:
-International stillschweigendes Einvernehmen über den minderen Wert der Bürgerrechte und
-Zoff in der Bude zwischen Putin und Bush, der absurder nicht zu haben ist.
Aber es ist nicht alles G8, was glänzt. Die äußerst erfolgreiche deutsche EU-Ratspräsidentschaft endet in der möglichen Spaltung der EU, weil Polen nicht will, wie Deutschland und der Rest der EU wollen. Eine klare Stellungnahme dazu? Ein Kompromiß? Wenigestens eine Konfrontation? Fehlanzeige.
Diese glänzende Außenpolitik, immer auf Zehenspitzen von Wand zu Wand, ist aber immerhin noch eine Veranstaltung, die stattfindet. Innenpolitik findet im Kanzelramt nicht statt, nicht einmal für das Kabinett hat Frau Merkel Zeit. Wenn Rock’n Roll Schäuble den Laden schaukelt und die Bürgerrechte überrollt, was geht’s die Chefin an? Sozialpolitik? Was war das noch? Ach ja, irgendwas mit notwendigen Reformen. Hihi… Und während die Jungs in Berlin sich um jeden Kekskrümel käbbeln, ihre Hahnenkämpfe austragen und der Dampfer durchs Polarmeer schlingert, schwebt Madame in höheren Sphären und träumt von Weltpolitik.
Und jetzt bist du dran, Deutschland: Willst du von diesen Genies regiert werden? Willst du diese Freiheit?
Oder vielleicht doch ein bißchen Sozialismus (was immer das sein mag)?