Der unermüdliche Kulle macht mich auf einen Artikel aufmerksam, in dem Sigmar Gabriel sein Parteimitglied Sarrazin für dumm erklärt. “Schaut euch das mal an”, fordert der Kommentator.

Ich hatte Gabriel und dem SPD-Vorstand als Bürger in einer Mail gefragt:

“Die neuerlichen Äußerungen Herrn Sarrazins erfüllen nach Meinung vieler Publizisten den Sachverhalt des Rassismus. Ihre Schiedskommission sah das zuletzt anders, stellte aber keinen Freibrief für derlei Äußerungen aus.
Sieht sich das Präsidium, sehen Sie sich als Vorsitzender veranlasst, das weiterhin so durchgehen zu lassen oder ist dies ein Anlass, sich auch nacht ‘rechts’ abzugrenzen?”

Darauf antwortete Toni Ramlow für den SPD-Vorstand:

Sicherlich haben Sie Verständnis dafür, dass der SPD-Parteivorsitzende, Herr Sigmar Gabriel, nicht alle an ihn gerichteten Zuschriften persönlich beantworten kann. Er hat mich gebeten, auf Ihre Nachricht zu antworten.
Ihre kritischen Ausführungen zu Thilo Sarrazin haben wir sehr aufmerksam gelesen und zur Kenntnis genommen.
Sigmar Gabriel sagte dazu in der vergangenen Woche, dass Thilo Sarrazin bei der Deutschen Bundesbank mehr zu tun bekommen sollte, damit er seine Zeit mit Dingen füllt, wovon er auch Ahnung habe.

Der ehemalige Finanzsenator von Berlin und Rechtspopulist Sarrazin wird also für dumm und ahnungslos erklärt, weiterhin aber in der SPD geduldet. Diese halbgare Distanzierung ist typisch für eine “Meinungsbildung”, die lieber auf eine klare Abgrenzung von Rassismus verzichtet als auf rechte Wähler.

Ist Sarrazin der Vollstrecker, gibt es mit Heinz Buschkowsky einen unfreiwilligen Zuarbeiter, dessen Rolle in der öffentlichen Kommunikation deutlich macht, worauf es der Partei ankommt. Gabriel sagt dazu,
durch Politiker wie ihn schaffe es die SPD sich breit aufzustellen. Kritik, die an Buschkowsky intern immer wieder auftauche, könne er nicht nachvollziehen.”

Wenn ein Vorstadtsoze, der nie aus seinem Viertel herausgekommen ist, sämtlichen Zeitungen der Republik Interviews gibt, in denen er Ressentiments gegen “Gutmenschen” streut, versteht der Vorsitzende die Kritik daran also nicht. “Breit aufgestellt” läßt man also derlei Gewäsch, das sich der Terminologie Rechtsradikaler bedient, zu. Seine Partei, die auf der anderen Seite die Linke tief im Westen zu Erklärungen hinsichtlich eines “Unrechtsstaats” DDR nötigen will, positioniert sich damit effektiv rechts im politischen Spektrum.

Buschkowsky, dessen intellektuelle Kompetenzen mit allgemeinen Äußerungen zu Ausländern schlicht überfordert sind, muß ich als simplen Menschen dabei durchaus in Schutz nehmen. Er hat nämlich immerhin deutlich gemacht, daß er Sarrazins Hetze verurteilt:

Mit den Äußerungen in der SZ hat Sarrazin eine Grenze überschritten, das ist teils nackter Rassismus, das trage ich nicht mit.

Zu einer derart deutlichen Stellungnahme können sich die Trübfischer der Chefetage freilich nicht durchringen. Sie bedienen sich fröhlich der Springerpresse-kompatiblen Ausfälle ihrer resoluten Kleinfunktionäre und haben nicht einmal den Arsch in der Hose, Rassisten und ihren feixenden Anhängern die nämliche Karte zu zeigen. Man könnte ja die Urnenkreuzchen des einfachen Mannes auf der Straße verlieren, der dann die echten Rechten wählt.

So ist es bestellt um die “Sozialdemokratie”. Tabus gibt es nur links. Jeder darf ein bißchen schwätzen und wird zitiert, wenn es der Stimmungslage entspricht. Diskriminierung und Hetze gegen Arbeitslose und Ausländer werden hier geduldet und da gefördert, und wenn es zu sehr stinkt, wird ein bißchen Parfum versprüht. Das Furchtbare daran ist, daß diese konturlos abgesonderte Entwürdigung von Menschen der SPD noch immer nicht das Genick bricht. Sie werden glauben, das sei alles richtig so, denn die Umfragewerte steigen ja. Vielen Dank an dieser Stelle an den Rest des Establishments, dessen Protagonisten offenbar noch blöder sind.