Zum “Unwort des Jahres” taugt durchaus die Vokabel “Gutmenschen”, die nicht nur auffallend häufig in rechten oder rechtsradikalen Kreisen kursiert, sondern heute auch von der Bundesfamilienministerin ohne Not in den offiziellen politischen Diskurs eingeführt wurde. Beispielhaft für den Gebrauch des Wortes ist das Gästebuch des Anwalts Ihrwißtschonwer, der sich selbst als “Arschloch” bezeichnet, andere mit Abmahungen überzieht und dafür von seinen Claqueuren gelobt wird – sie finden “das Gejaule der Gutmenschen” “unerträglicher” als ihn. Was steckt dahinter? Der Popanz, auf den da eingedroschen wird, sind die ewigen Wollsockenträger und politically Korrekten, die immer allen den Spaß verderben. Das Ziel der Veranstaltung ist das Lob des Asozialen, Rücksichtslosen, Starken, kurz: der pure Sozialdarwinismus. Die Ironie steckt nun darin, daß die Geisteszwerge, die sich den vermeintlichen tough Guys derart anbiedern, selbst heilfroh sind, daß sie von einer noch gerade funktionierenden Zivilgesellschaft geschützt werden. Sie wären die ersten, die jaulten, wenn es vom Bösmenschen ganz konsequent was auf die Fresse gäbe. Ein wirklich guter Witz ist so gesehen das Lob des besagten Anwalts, der das Rechtssystem, von dem er lebt und in dessen Schoß seine Fans es sich gemütlich machen, aushöhlt, indem er es für niedere Zwecke nachgerade pervertiert. Ein toller Typ! Das Verständnis von Sozialverhalten, das die Anti-Gutmenschen und ihre Helden pflegen, endet sicher ganz rasch, wenn es um die eigene Haut geht. Dann ist ihnen Gerechtigkeit plötzlich ein ganz hohes Gut.