Wie atheistisch ist die Linke noch“, fragt Alexander Ulfig im “Freitag” und moniert, die Linke kritisiere den Islam nicht. Vielmehr setze sie sich sogar für den Bau von Moscheen ein, anstatt gegen Kirchen zu sein. Die im Grunde wirklich interessante Frage kommt leider nicht recht zur Entfaltung, weil sich Ulfig in einige Thesen verrennt, die den möglichen Spaß nicht so recht aufkommen lassen.

Das beginnt mit der Behauptung:
Die Linken nach Marx folgten diesem radikal atheistischen und antireligiösen Standpunkt“. Wie so oft werden hier zuallererst “die Linken” zum Gegenstand der Erörterung, ohne diese einer näheren Betrachtung oder gar Definition zuzuführen. Und selbst wo es konkret wird, etwa bei den “linksalternativen Grünen”, wird es eher schlimmer. Deren Nähe zu Kirche und Religion wird seit Gründung der Partei nämlich allenfalls von der CSU getoppt. Von daher ist diese Behauptung schlicht falsch.

Der real existierende Kommunismus hat allerdings die Religion bekämpft, soweit es zumindest regional nicht opportun war, sich mit einigen Würdenträgern zu verbünden, um das Volk im Zaum zu halten. Vor allem aber gewann die herrschende Ideologie selbst religiöse Züge. Hier genau wird die Frage nach der Gottlosigkeit und der Freiheit von Religion erst interessant – in bezug auf ihre Verflechtung mit Herrschaft. Max Weber, den durchaus auch “Linke” gelesen haben, hat hinreichend aufgezeigt, welchen Einfluß religiöse Fragen auf die Ausgestaltung der Herrschaftssysteme haben – gleichermaßen “Wirtschaft und Gesellschaft” betreffend. Ergänzend ist hier danach zu fragen, inwieweit Herrschaft auf Religiosität angewiesen ist. Diese braucht übrigens auch keinen Gott. Sehr wohl allerdings Tempel, Gebetsmühlen, Mantras, Bekenntnisse und Katechismen.

Wenn Ulfig meint, “Die Linken” seien “an einem echten Dialog mit dem Islam gar nicht interessiert“, dann bringt er endgültig alle Kategorien durcheinander. Zumal er andererseits so etwas wie eine Totalablehnung von Religion fordert, die zum Dialog wohl kaum geeignet ist:

von ihrem atheistischen und antireligiösen Standpunkt aus hätten sie sich gegen den Bau jeglicher Gotteshäuser aussprechen sollen. In dem Streit um das Minarett-Verbot in der Schweiz zeigten sich linke Politiker aller Schattierungen empört über die Entscheidung der Schweizer. Nach einer Besinnung auf ihre eigenen atheistischen Überzeugungen konnten wir auch diesmal vergeblich suchen.”

Das Ganze endet also da, wo auch reaktionäre “Islam-Kritik” endet: Bei den dummen Gutmenschen, die keine Werte kennen. Kein Wunder, denn es ist ja nirgends die Rede von einer definierten Gruppe oder auch nur einem definierten Atheismus.
Das Problem der Religiosität kommt erst gar nicht aufs Tapet. Das wollen “Linke” an dieser Stelle auch gar nicht, weil es nämlich nicht darum geht, sondern um die Ausgrenzung eines Teils der europäischen Bevölkerung. Natürlich hätte man fordern können, alle Kirchen abzureißen oder zumindest das Läuten zu verbieten. Weil das aber völlig illusorisch ist, gibt es nur eine Möglichkeit, Gleichberechtigung durchzusetzen, die in diversen Verfassungen auch verankert ist: Minarette eben nicht zu verbieten.

Zu behaupten, ein selbstbewußter Atheismus sei für Verbote von Religionsausübung, ist ebenfalls Produkt einer reaktionären Haltung. Wo sollte das auch enden? Bei der Forderung nach einem Verbot christlicher Parteien? Die Argumentation ist abenteuerlich.
Ich kann auch gar nicht nachvollziehen, wieso es Aufgabe der “Linken” sein soll, die Welt von Religiösen zu reinigen, anstatt sich mit diesen zu arrangieren und nach guter demokratischer Sitte im Gegenteil für Religionsfreiheit zu kämpfen. Warum gelingt Alexander Ulfig hier die einfache Differenzierung nicht zwischen dem Einfluß der Religion auf den Staat einerseits und dem Leben religiöser Menschen andererseits? Eine “Linke” die dies genau so indifferent praktiziert hat, wurde zurecht “diktatorisch” genannt.

Was schließlich die Trennung von Kirche und Staat anbetrifft, so macht die Linke zumindest einen besseren Job als die Rechte. Viel mehr ist in einer politischen Landschaft, in der konfessionelle Religion eine sehr untergeordnete Rolle spielt, auch nicht zu erwarten. Es gibt Wichtigeres.

Die eingangs schon skizzierte Frage bleibt allerdings offen: Muß eine “Linke” oder sonstwie aufgeklärte politische Kraft nicht mehr dafür tun, die religiösen Techniken aus der Politik zu verdrängen? Sie zumindest bewußt zu machen? Und was muß getan werden, um ohne solches Omm-omm Solidarität und ein Bewußtsein für Gemeinschaft zu organisieren? Diese sind nämlich existenzielle Fragen – vor allem für die “Linke”.