Ich treffe den Blogger, der sich “flatter” nennt, in einem Café am Rande der Innenstadt. Sein Kaffee duftet nach Ethanol, er raucht. Sein Pullover hat Flecken, die Bündchen sind ausgefranst. Er ist blaß und hat dunkle Ringe unter den Augen.
Ich komme gleich zur Sache.

Feynsinn: Warum tun Sie das?

flatter: Aus Spaß. Ich kann jederzeit aufhören.

Feynsinn: Woher wissen Sie, was ich meinte?

flatter: Ist das wichtig? Wissen Sie, was Sie meinten? Wen interessiert das? Und was geht Sie das an?

Feynsinn: Ich versuche nur, ein Interview zu führen.

flatter: Try harder, moron.

Feynsinn: Also, Sie schreiben fast täglich Artikel in ihrem Blog, sogenannte “Postings”, obwohl sie keinen Cent damit verdienen. Was treibt sie an?

flatter: Sie pfeifen ständig Luft ein und aus, sogenanntes “Atmen”, obwohl die Welt nichts davon hat. Werden Sie dafür bezahlt?

Feynsinn: Ihnen ist das Schreiben also eine Art Grundbedürfnis?

flatter: Wie Rauchen und Saufen, das hatten wir doch eben schon. Sollte ich eines Tages fürs Quarzen bezahlt werden, wäre das in Ordnung. Beim Schreiben ist die Wahrscheinlichkeit nur geringfügig größer.

Feynsinn: Aber leidet die Qualität nicht darunter, wenn Sie schreiben können, was sie wollen? Wenn niemand Sie kontrolliert? Wenn Sie es sogar einfach bleiben lassen können?

flatter: Klar. Wenn mir jemand Geld in den Hintern schiebt, damit ich seine Meinung vervielfältige, kommt erst die große Kunst zum Vorschein. Wer eigentlich keinen Bock hat, sich auch nur an den Rechner zu setzen, schreibt bekanntlich die besten Artikel. Und nur wer jederzeit weiß, daß er vor die Tür gesetzt wird oder morgen nix mehr zu beißen hat, wenn er schwächelt, kann souverän übers Zeitgeschehen urteilen.

Feynsinn: Nehmen wir einmal an, die unabhängigen, dafür aber unbezahlten Autoren hätten die besten Voraussetzungen für Qualitätsjournalismus, hieße das dann nicht, daß nur noch solche Leute schreiben könnten, die sich das leisten können? Wäre das nicht das Ende eines Berufsstandes?

flatter: Klar. Ich bin ja auch einer von diesen Superreichen. Aber verschonen Sie mich bloß mit “Qualitätsjournalismus”! Das ist nicht meine Baustelle. Ich weiß nicht, was aus diesem Berufsstand wird, aber wenn er noch tiefer sinkt, kommt er bloß auf der anderen Seite wieder hoch. Das kann nicht wirklich schaden.

Feynsinn: Sie werden von einigen als ernstzunehmender Blogger angesehen, andere ignorieren Sie oder halten Ihren Auftritt für “abscheulich”. Wo sehen Sie sich?

flatter: Ich kann alles. Ich bin der Größte. Wer mich ernst nimmt, dem ist nicht zu helfen. Wer mich für irrelevant hält, macht einen Fehler.

Feynsinn: Wenn Sie der Größte sind, warum hat die Welt das noch nicht bemerkt? Haben Sie schon einen Blog-Award gewonnen?

flatter: Ich habe keinen Adelstitel, trage billige Klamotten und habe keine Freunde in Berlin. Das mit dem Blog-Award sollten Sie wissen, es ist dasselbe wie mit der DDR, die den Westen nie eingeholt hat.

Feynsinn: Wie soll ich das verstehen?

flatter: Ich wurde noch nie nominiert. Wie soll ich da gewinnen?

Feynsinn: Das geht natürlich nicht.

flatter: Selbstverständlich geht das. Natürlich habe ich einen Award, den “Bloghorny”. Ich habe ihn bekommen wie alle anderen auch: Durch Korruption und Mauschelei.

Feynsinn: Was fehlt Ihnen noch, um Alpha-Blogger zu werden?

flatter: Eine Lobotomie.

Feynsinn: Kommen wir zu etwas anderem: Sie lassen wenig über Ihr Privatleben an die Öffentlichkeit dringen. Wollen Ihre Leser das nicht wissen?

flatter: Na klar wollen die wissen, was ich in meinem Job mache, ob ich noch zu haben bin und mich mal waschen würde, wenn hier wieder eine Frau einzieht. Aber das macht es doch gerade spannend.

Feynsinn: Gibt es noch etwas, was Sie unseren Lesern gern mitteilen möchten?

flatter: Yapp.

Feynsinn: Äh, und das wäre?

flatter: Habe ich vergessen.

Feynsinn: Herr “flatter”, Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Das Interview führte Egon Alter.