„Ruhe im Leiden!“ Der Kerkermeister schlufft durch die Zellen und ermahnt die an Ketten hängend Geschundenen zur Zimmerlautstärke. Vielleicht hat er Kopfschmerzen und kennt den freundlichen Tankwart nicht, dem solche Probleme Togal sind.
So ungefähr habe ich mir abseits akademischer Betrachtung vorgestellt, was in Schillers Aufsatz „Über Anmut und Würde“ zu lesen ist, dass Würde nämlich eigentlich „Ruhe im Leiden“ sei.

Vielleicht muss so auch Artikel 1 des Grundgesetzes verstanden werden, demnach also des Menschen Ruhe im Leiden unantastbar sei: Wer sich einmal abgefunden hat, dem kann man nichts mehr anhaben. Es handelte sich demnach nicht um eine Rechtsnorm oder ein Ideal, sondern um die Beschreibung eines Zustandes, den erreicht zu haben dem Menschen, zumal als Bundesbürger, grundsätzlich unterstellt wird.

Kein Grund zur Beunruhigung

Das wäre jedenfalls visionär gewesen, beschreibt es doch durchaus zutreffend den Status Quo dieser Tage. Die einen pfeifen derart infernalisch im Walde, dass von Ruhe keine Rede sein kann. Ihr „Uns geht’s gut“ hat die Singvögel in Forst und Flur vertrieben oder zum Schweigen gebracht. Nur Einzelfälle von Uhu und Kuckuck halten noch dagegen, man munkelt, sie seien zu Tauben mutiert.

Die anderen halten still, haben sie doch ohnehin nichts zu sagen. Das haben sie sich gemerkt, ansonsten bedenklich wenig. Passé ihr „starker Arm“, der ganz anderes stillstehen ließ, als sie die Stimme noch erhoben, ohne sie gleich abzugeben, als sie gar noch einig und gemeinsam sangen. Ihr Gesang ward bang und bänger, und heute halten sie eben den Rand, an den sie sich haben drängen lassen. Immerhin: Man hängt sie nicht an Ketten, weit und breit “>keine Sklaverei in Sicht*, das sagt sogar der Kaiser. Um wieviel mehr muss es für uns also heißen: Ruhe bewahren!
 

*Ja, es geht um eine Sportveranstaltung, aber das Statement von Herrn Beckembauer ist ein Must-see. Btw: Nachfolger Hoeneß steht gerade wegen Steuerhinterziehung vor dem Kadi, Vortandschef Rummenigge wurde jüngst deswegen vorbestraft. So seh’n Sieger aus.

[Update:] Weil das überall unvollständig zitiert wird, hier die Abschrift von Beckenbauers Einsicht:

Ich habe noch nicht einen einzigen Sklaven in Katar gesehen, also die laufen alle frei rum, weder in Ketten gefesselt und auch mit irgendwelcher Büßerkappe am Kopf, also das habe ich noch nicht gesehen.