Nils Minkmar und der Kreidestrich
Posted by flatter under Journalismus[19] Comments
24. Aug 2013 22:26
Es ist mir zuletzt immer wieder durchaus positiv aufgefallen: Beim Feuilleton der FAZ leistet man sich eine Sicht der Dinge, die sich dem Zeitgeist verweigert, weil sie konservativ ist. Wo die parlamentarische Resterampe eines politischen Betriebs reaktionär alles verteidigt, was vermeintlich den Status Quo erhält, während der sich kaum mehr definieren lässt, ehe die nächste Unmöglichkeit schon wieder eine andere Verteidigungslinie zieht, hält der Konservative inne und kommt dabei gelegentlich zu völlig neuen Einsichten.
Sie sind nicht frei von Attitüde dort, im Stil, den Referenzen und selbst den Vorwürfen, die sie erheben. Typisch etwa der Zeigefinger gegen Günter Grass und dessen falsch konstruierten Komparativ. Ebenso die rhetorische Serpentine über Journalisten, die sich selbst fertigmachen, hin zum Lachen über Grass’ Vorwurf, jene seien nicht selbstkritisch. Wenn ausgerechnet Grass also jemandem mangelnde Selbstkritik vorwirft, folgt daraus, dass dies nicht zutrifft? Ich mag solche Frechheiten, vorausgesetzt, der Autor ist sich ihrer bewusst.
So nicht!
Es gibt Regeln, es gibt Dinge, die nicht zu wissen eine Verschwendung von Lebenszeit sind und es gibt das große Unverständnis, dass Typen, die nichts wissen, nichts gelesen haben und jedes Regelwerk bis zur Paradoxie so auslegen, dass es ihnen passt – ausgerechnet um an einer Orthodoxie festzuhalten, die täglich des Irrsinns überführt wird. So ungefähr ist der Kerncharakter des reaktionären Praktikers gestrickt, und solche Leute gehen Konservativen gehörig auf die Murmeln. Ein intellektueller Pöbel, der nicht weiß, wovon er redet und offenbar auch nicht mehr weiß, was er tut, kann sich noch so lange selbst “konservativ” oder “liberal” nennen; wenn er einfach nur dumm und unfähig ist, hört der Spaß auf.
Die Lebenslügen des gebildeten Konservativen wären ein eigenes Kapitel wert, jedenfalls ist er der Anpassung der Wahrheit ans Gemüt keineswegs abgeneigt. Nur: Wenn ohne Sinn und Zweck, ohne Herkunft und Ziel, gegen jede Regel und alle Prinzipien gelogen wird, dass die Scheune ächzt, dann wird er trotzig und rückt ein paar Dinge zurecht. Mancher kann dann gar nicht mehr aufhören damit.
Im Zusammenhang mit den aktuellen Enthüllungen sei auf zwei Artikel von Minkmar hingewiesen, in denen er Zusammenhänge herstellt, die sonst eher von Linken zu erwarten sind: Im September 2012 erschien ein Überblick über die Affäre Assange und die Wirkungsweise sogenannter Geheimdienste im Sinne der Manipulation von Öffentlichkeit. Daraus wird ersichtlich, dass es da um das Gegenteil von “Aufklärung” geht – übrigens auch von “nationaler Sicherheit”. Es geht um Verschleierung, Desinformation und militärische Aggression.
Aufklärung, Gerechtigkeit?
Nicht ganz ohne Komik ist allerdings der Glaube an eine Rechtsstaatlichkeit, die längst derselben Interpretation ihrer Verweser zum Opfer gefallen ist wie der Rest der Wirklichkeit:
“Assange verweist auf Bradley Manning, der auf Rumsfeld, Bush, Cheney und Blair verweist. Sie müssen vor ein ordentliches Gericht, alle.”
Was mag das wohl für ein Gericht sein und welches ‘Recht’ wird es wohl sprechen? Hier verwechselt jemand das Problem mit der Lösung.
Noch besser gefällt mir aber der Artikel aus dem Juni dieses Jahres, in denen Minkmar beinahe zum Punkt kommt. Darin wird die Bespitzelung ‘befreundeter’ Regierungsmitglieder beim G-20-Gipfel durch die Regierung Brown bzw. die von ihm bestellten Geheimdienstler eingeordnet. Das Fazit:
“Der Plan, die Banken mit öffentlichen Geldern zu stützen, ohne störende Kontrollen einzuführen, war damals gewagt. Aber er gelang Brown und seinen Bonds. Heute sind die Staaten überschuldet, nicht mehr die Banken.”
Fehlt nur noch die Einsicht, dass das alles keine Pannen oder Einzelfälle sind.
August 24th, 2013 at 23:39
“Fehlt nur noch die Einsicht, dass das alles keine Pannen oder Einzelfälle sind.”
Dazu auch: Telepolis – Das “Endspiel” der globalen Finanzmarkt-Deregulierung (Fefe hatte es zuerst.)
½ OT: Entschuldigt bitte den Einwurf von der anderen Seitenlinie, aber der erscheint mir, wenn inzwischen auch etwas gealtert, recht amüsant: Universität Bonn – Bundesregierung würdigt Henry Kissinger mit Stiftungsprofessur in Bonn (via Amerika21.de)
Kommt dann bald auch die Adolf Hitler-Stiftung für erfolglose Ostpolitik?
Gefunden: …einer Orthodoxie festzuhalten, [..] überführt werden. Grüße an Horst.
August 25th, 2013 at 01:19
“Fehlt nur noch die Einsicht, dass das alles keine Pannen oder Einzelfälle sind.”
das kommt noch; und zu der gerichtsbarkeit ist die definition ja “ordentliches” gericht, und da diese noch nicht vollständig ausgestorben sind (bzw die entsprechenden richter), bleibt der glaube auch bestehen.
was für megakranke zeiten. und der wahnsinn lässt einfach nicht nach.
August 25th, 2013 at 12:30
>>Ein intellektueller Pöbel, der nicht weiß, wovon er redet und offenbar auch nicht mehr weiß, was er tut<<
Hans Jonas hatte, als er sein Buch "Prinzip Verantwortung" schrieb, das Gefühl, er müsse sich beeilen, damit das Buch so rasch als möglich gelesen werden konnte: Kern seiner Überlegungen: Ein Vorstellungen zu erlangen, was aus dem an Wirkungen und Nebenwirkungen folgt, aus dem, was wir gerade tun.
Dass die Menschen Erfindungen machen, um irgendeinen Mangel ihrer Existenz zu beseitigen, muss man ihnen wohl noch zugestehen. Dass aus ihren Erfindungen, Entdeckungen Unvorhergesehenes folgen kann, liegt wohl im Wesen von Erfahrung. Popper nannte das verkürzend trial and error.
Der derzeitige politische Pöbel achtet nicht mit Vorsicht auf die Folgen seines Tuns, er weiß noch nicht einmal mehr, was er tut. Bezogen auf Monsanto zum Beispiel könnte man sagen: Dieser Pöbel sieht, wenn Monsanto Gewinne machen kann mit Broccoli, lassen wir seine genmanipulierte Variante zu, die dann den natürlichen Broccoli aus dem Anbau verdrängt. Und schon der Landwirt muss viel dafür zahlen,wenn er Broccoli anbauen will. Der Pöbel sieht nur den kurzfristigen oder auch langfristigen finanziellen Vorteil von Monsanto, den Rest, also alles, was aus diesem Vorteil folgt, sieht er nicht.
Wenn der Pöbel aber so dämlich ist, wie du ihn beschreibst, wieso ist er dann in der Lage, sein Tun so raffiniert zu rationalisieren, dass Leute z. b. die Argumente der FDP für vernünftig halten?
Zusammenfassung: Der Pöbel sollte in den siebziger Jahren begreifen, was die Folgen seines Handelns sind und sein Handeln von den höchstwahrscheinlichen Folgen her bestimmen. Der Pöbel heute weiß weder etwas von den Folgen, geschweige denn von dem, was er tut.
Es hat in den letzten 35 Jahren eine gewaltige Regression stattgefunden.
August 25th, 2013 at 12:56
@Klaus Baum
ein anderes Wort für Pöbel ist wohl Mob – und genau dazu zähle ich Schröder, Fischer und Konsorten – aber auch alle heutigen Politiker – es ist eine widerliche Bande…. alles was sie verzapfen ist gegen die Menschlichkeit gerichtet….
die Ursprünge sind mir unergründlich… aber bei den meisten (fast allen)Politikern ist mir klar, dass sie die Grundrechte (Menschenrechte) in unserer Verfassung noch nicht einmal gelesen haben…………
August 25th, 2013 at 13:00
Was der Pöbel aber ganz genau weiß sind die Quartals – Gewinnprospektionen und welches Handeln/Nichthandeln zum gewünschten Ziel führt, und daß es auf nix anderes ankommt.
MfG
August 25th, 2013 at 13:13
@Hartmut B.: Grunsätzlich bin ich ja der Ansicht, dass wer es nötig hat, sich im GG lesend über die Grundrechte zu informieren, diese ohnehin nicht versteht. In der Tat wäre es dann wünschenswert, wüssten die Damen und Herren wenigstens noch, dass dieses Regelwerk für sie verbindlich zu sein hat. Wer es aber schon nicht versteht, dem ist nämliche Verbindlichkeit vermutlich auch nicht beizubiegen.
Neulich wurde nach dem unsäglichen “Supergrundrecht Sicherheit” als Fanal zur Diktatur ein “Supergrundrecht Menschenwürde” durchs Dorf getrieben. Da frage ich mich, was die alle genommen haben. Das ist Artikel 1 des Grundgesetzes, das muss nicht mehr installiert werden. Siehe oben: Sie wissen nichts, sie lesen nichts, sie sind dumm wie Bohnenstroh. Diese Ansicht wäre elitär, als Einsicht ist sie ein Grund zur Verzweiflung.
August 25th, 2013 at 13:58
Sie wissen nichts, sie lesen nichts, sie sind dumm wie Bohnenstroh. Und Gott ernährt sie doch.
Gott?
Sie selbst besorgen sich ein hohes Einkommen.
August 25th, 2013 at 14:07
Gott, das ist doch das, was aus Geld mehr Geld macht?
August 25th, 2013 at 14:28
Und Geld kann man fressen?
August 25th, 2013 at 16:56
OT – Attentat auf Lucke
Was berichtet wird
https://www.faz.net/aktuell/politik/bundestagswahl-2013/veranstaltung-gestuermt-afd-chef-lucke-bei-wahlkampfveranstaltung-angegriffen-12545829.html
und was wirklich zu sehen ist
https://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=rmu33yDm7IQ
Wer findet den Widerspruch ?
August 25th, 2013 at 17:27
@pillepalle
Hm? “Acht Vermummte …” gegen Zwei im Tieschört mit Sonnenbrille … kein Widerspruch, alles sauber festgehalten und berichtet!
Nachsatz: Verdammt, wo iss’n die El-Kaida wenn man die mal braucht?
August 25th, 2013 at 17:31
@pillepalle
Wenn das Vermummte sind, bin ich Tut-ench-amun vor der Einbalsamierung. Und “Vermummte” ist Plural, aber nur ein Bemützter ist zu sehen wie er Lucke schubst. So macht man aus einem Furz einen Orkan. Danke für die Links!
MfG
August 25th, 2013 at 22:47
Und was hat der links-intellektuelle “Pöbel” die letzten 35 Jahre (nicht) getan???
cu
renée
August 25th, 2013 at 22:57
Sich gegen die Übermacht gestellt und in die Wüste gerufen.
August 26th, 2013 at 00:07
Tja, die Wüste schwieg dazu.
cu
renée
August 26th, 2013 at 00:35
Da bewegt sich was im Sand – irrelevant?
August 26th, 2013 at 10:51
Doch nur linker Unverstand.
August 27th, 2013 at 08:30
weitere Lebensluegen:
Seehofer will Reporter ausweisen
und das:
$itlergruss auf Stadtfest eines Bullizisten führt zu seiner Entlassung
quote:
Erst letzte Woche hat der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages systematisches Behördenversagen festgestellt. Wie beurteilen Sie den Fall vor diesem Hintergrund?
Bergmann: Es mag vielleicht von außen so scheinen, die Polizei sei auf dem rechten Auge blind, aber dieser Schluss ist aus meiner Sicht nicht zulässig. Es geht hier nicht um systematisches Versagen, weil man vielleicht etwas nicht sehen wollte, sondern um das Fehlverhalten, die Straftat eines einzelnen Beamten. … Von jedem Polizeibeamten ist zu fordern, dass er das Grundgesetz quasi in sich trägt. Polizisten verkörpern das Gewaltmonopol, sie müssen über jeden Zweifel erhaben sein.
aha, also für die Kollegen in Halle endet die Gültigkeit des GG an meiner Haustür. Wurde mehrmals auch offen zugegeben, Viedeo bei bdarf vorhanden.
August 27th, 2013 at 09:56
Den hab ich noch zu erwähnen.