Es ist mir zuletzt immer wieder durchaus positiv aufgefallen: Beim Feuilleton der FAZ leistet man sich eine Sicht der Dinge, die sich dem Zeitgeist verweigert, weil sie konservativ ist. Wo die parlamentarische Resterampe eines politischen Betriebs reaktionär alles verteidigt, was vermeintlich den Status Quo erhält, während der sich kaum mehr definieren lässt, ehe die nächste Unmöglichkeit schon wieder eine andere Verteidigungslinie zieht, hält der Konservative inne und kommt dabei gelegentlich zu völlig neuen Einsichten.

Sie sind nicht frei von Attitüde dort, im Stil, den Referenzen und selbst den Vorwürfen, die sie erheben. Typisch etwa der Zeigefinger gegen Günter Grass und dessen falsch konstruierten Komparativ. Ebenso die rhetorische Serpentine über Journalisten, die sich selbst fertigmachen, hin zum Lachen über Grass’ Vorwurf, jene seien nicht selbstkritisch. Wenn ausgerechnet Grass also jemandem mangelnde Selbstkritik vorwirft, folgt daraus, dass dies nicht zutrifft? Ich mag solche Frechheiten, vorausgesetzt, der Autor ist sich ihrer bewusst.

So nicht!

Es gibt Regeln, es gibt Dinge, die nicht zu wissen eine Verschwendung von Lebenszeit sind und es gibt das große Unverständnis, dass Typen, die nichts wissen, nichts gelesen haben und jedes Regelwerk bis zur Paradoxie so auslegen, dass es ihnen passt – ausgerechnet um an einer Orthodoxie festzuhalten, die täglich des Irrsinns überführt wird. So ungefähr ist der Kerncharakter des reaktionären Praktikers gestrickt, und solche Leute gehen Konservativen gehörig auf die Murmeln. Ein intellektueller Pöbel, der nicht weiß, wovon er redet und offenbar auch nicht mehr weiß, was er tut, kann sich noch so lange selbst “konservativ” oder “liberal” nennen; wenn er einfach nur dumm und unfähig ist, hört der Spaß auf.

Die Lebenslügen des gebildeten Konservativen wären ein eigenes Kapitel wert, jedenfalls ist er der Anpassung der Wahrheit ans Gemüt keineswegs abgeneigt. Nur: Wenn ohne Sinn und Zweck, ohne Herkunft und Ziel, gegen jede Regel und alle Prinzipien gelogen wird, dass die Scheune ächzt, dann wird er trotzig und rückt ein paar Dinge zurecht. Mancher kann dann gar nicht mehr aufhören damit.

Im Zusammenhang mit den aktuellen Enthüllungen sei auf zwei Artikel von Minkmar hingewiesen, in denen er Zusammenhänge herstellt, die sonst eher von Linken zu erwarten sind: Im September 2012 erschien ein Überblick über die Affäre Assange und die Wirkungsweise sogenannter Geheimdienste im Sinne der Manipulation von Öffentlichkeit. Daraus wird ersichtlich, dass es da um das Gegenteil von “Aufklärung” geht – übrigens auch von “nationaler Sicherheit”. Es geht um Verschleierung, Desinformation und militärische Aggression.

Aufklärung, Gerechtigkeit?

Nicht ganz ohne Komik ist allerdings der Glaube an eine Rechtsstaatlichkeit, die längst derselben Interpretation ihrer Verweser zum Opfer gefallen ist wie der Rest der Wirklichkeit:
Assange verweist auf Bradley Manning, der auf Rumsfeld, Bush, Cheney und Blair verweist. Sie müssen vor ein ordentliches Gericht, alle.
Was mag das wohl für ein Gericht sein und welches ‘Recht’ wird es wohl sprechen? Hier verwechselt jemand das Problem mit der Lösung.

Noch besser gefällt mir aber der Artikel aus dem Juni dieses Jahres, in denen Minkmar beinahe zum Punkt kommt. Darin wird die Bespitzelung ‘befreundeter’ Regierungsmitglieder beim G-20-Gipfel durch die Regierung Brown bzw. die von ihm bestellten Geheimdienstler eingeordnet. Das Fazit:
Der Plan, die Banken mit öffentlichen Geldern zu stützen, ohne störende Kontrollen einzuführen, war damals gewagt. Aber er gelang Brown und seinen Bonds. Heute sind die Staaten überschuldet, nicht mehr die Banken.

Fehlt nur noch die Einsicht, dass das alles keine Pannen oder Einzelfälle sind.