Ein recht einfaches Modell von Sexualität und Macht hat Conner Habib, Pornodarsteller, der glaubt, die Verheimlichung von Sexualität werde für die Mächtigen zum Problem und eine öffentliche Sexualität verleihe Macht. Dem kann ich absolut nicht zustimmen, aber es inspiriert mich zu einer anderen Betrachtung:

Ein Erfolgsrezept der 68er, einer grundsätzlich linken, in weiten Teilen auch emanzipatorischen und fortschrittlichen Bewegung, war die Verbindung des Politischen mit dem Sex. Das Versprechen von Freiheit auf beiden Ebenen gab der Welle einen enormen Schub. Linke Politik und Freiheit – in der Kombination – waren sprichwörtlich sexy. Man vergleiche das mit dem Pietismus der politischen Trockenpflaumen bei den heutigen Grünen und weiß, warum die inzwischen so muffig riechen.

Porn und Sexualisierung in der Werbung haben einerseits die vermeintlich befreite Sexualität gekapert und sie quasi durchkapitalisiert. Wenn man die Schriften Herbert Marcuses heute liest, könnte man heulen angesichts von dessen grandiosem Irrtum. Es steckt übrigens trotzdem sehr viel Wahrheit in seinen Betrachtungen, aber das würde hier zu weit führen.

Sexy Politics

Der Sex hat sich aber in seiner konsequentesten ökonomischen Form, dem Porn, ironischerweise gerächt. Wirklich verlässliche Daten sind schwer zu finden, aber es gibt Hinweise (und plausibel ist es auch), dass Porn einen gewaltigen Anteil am Webtraffic verursacht und damit den Ausbau der Netzinfrastruktur vorangetrieben hat. Dass staatliche Kontrolletis den Deckel nicht aufs Netz bekommen, verdankt sich auch dem Umstand, dass dieses schneller wuchs als sie reagieren konnten. Das Rennen ist verloren, thnx to porn.

Inzwischen ist das Streaming von (anderen) Videos und Musik vermutlich die nächste treibende Kraft. Das Gute für die APO: Es ist illegal, obwohl es jeder macht. Daher bekanntermaßen der Erfolg der Piraten. Auf diesen Ebenen – einer durch Vermarktung kanalisierten Sexualität und der Sucht nach Entertainment, findet heute der heimliche und weitgehend unbewusste Widerstand gegen den Kapitalismus statt. “Ohne Geld kein Spaß” ist die Regel, der sich alle beugen sollen.

Das ist zumindest einer der größten Hebel, um die Unversöhnlichkeit des Kapitalismus mit den menschlichen Bedürfnissen zu nutzen, denn er ist selbst dann nicht mit diesen Bedürfnissen zu versöhnen, wenn er sie selbst geformt hat. Wem es gelingt, diese Kluft nachhaltig ins politische Bewusstsein zu bringen, dürfte mehr erreichen als jeder emanzipatorische Versuch seit vierzig Jahren.