Daniel Cohn-Bendit ist ein “widerwärtiger” Typ, findet der erzsympathische Generalsekretär der CSU, Alexander Dobrindt. Weil er mit ‘Pädophilie’ in Verbindung gebracht wird, jedenfalls in einem Buch sexuelle Handlungen an Kindern beschreibt, die er vollzogen habe. Die aktuelle Ausrede, für die der Grüne Star sich von Multifunktionstool und Emanzenpäpstin Alice Schwarzer Absolution erteilen lässt (was immer die nun damit zu hat): Das sei alles “Angeberei” gewesen. Welch eine tolle Leistung, sich von Kindern am Hosenlatz fummeln zu lassen und ‘zurückzustreicheln’. In der Tat kann ich mir wenig Erbärmlicheres vorstellen als diese Collage aktuellen und historischen Schwachsinns, diese Orgie des Opportunismus, Rückgratlosigkeit, Verlogenheit. Statt einer kritischen Stellungnahme eine heuchlerische Beichte. Aber das überrascht mich keineswegs.

Hinzuzufügen ist die seinerzeit allerdings nicht unübliche Inkompetenz vieler ‘Erzieher’ vor allem in den Sphären, die sich für “links” hielten. So wie sie es meist für “antiautoritär” hielten, Kindern keinerlei Grenzen zu setzen, hatten sie auch entweder nicht den Mut oder den Verstand, sich selbst abzugrenzen. In bezug auf sexuelle Freizügigkeit hielten sie es offenbar auch nicht für angezeigt, Probleme wie Macht und Gewalt auf dieser Ebene erkennen zu wollen. Das wäre vermutlich “spießig” gewesen. Cohn-Bendit hatte also nicht die Eier in der Hose, sie dort drinnen zu lassen, wenn Kinder zugegen waren. Ich nehme an, das hat ihm keinen Spaß gemacht, hatte er also nicht einmal die Courage, das zu sagen? Musste er vielmehr seine Unterwerfung unter einen vermeintlichen Kindeswillen auch noch öffentlich aufblasen?

Mitmacher, Angeber, Helden

Dass er ein Angeber ist, stimmt insofern als dass er die schiere Opportunität als seinen persönlichen Revoluzzergeist verkauft hat. Einereits hatte er offenbar die tumbe Ideologie übernommen, dem unstruktierten Willen von Kindern dürfe man nichts entgegensetzen, um ihnen derart die Autorität zu übertragen. Andererseits musste die ‘sexuelle Revolution’ immer und überall sein und er mittendrin. Keinerlei Distanz, keine Meinung, keinen Willen – nur der erste, der lauteste, der frömmste Revolutionär von allen. Cohn-Bendit erinnert mich stark an “Ace” aus “Quadrophenia“, einen Kofferträger, der sich feiern lässt, weil er vor Gericht mit großer Geste und dem nötigen Kleingeld auftrumpfen kann.

Dass dieser Superheld und Chefmitmacher später zu denen gehörte, die am strammsten durch die Institutionen marschiert sind, nimmt nicht wunder. Der andere Frankfurter mit der großen Klappe, seinerseits der Größte in den Posen vom Straßenkämpfer über den Turnschuhminister bis zum Armani-Atlantiker ist eine vergleichbare Karriere. Immer das Angesagte tun mit einer Prise falschen Esprits und dem unbändigen Willen zur Umdeutung aller früheren Stationen. “Vorwärts und alles vergessen” ist die Parole dieser Verräter ihrer selbst. Wenn diese Exlinken von anderen Exlinken und Neureaktionären angepinkelt werden als die furchtbaren “Achtundsechziger”, als “Linke”, die an allem möglichen Schuld sind, kann man sich nur totlachen, weil hier der eine Spießer dem anderen seine Spießigkeit unter die Nase reibt, ohne das je zu bemerken.

Das ist der Grund, warum Führerfiguren fast zwangsläufig als Reaktionäre enden. Jene, die extrem erfolgreich den Zeitgeist verkörpern, sind in der Regel nur besonders geübte Opportunisten. Sobald sie, besoffen vom vermeintlichen Verdienst und als kernlose Persönlichkeiten vom Establishment hofiert werden, finden sie eine neue Umwelt, der sie sich anpassen können. Wichtige Freunde, die vermeintlich ihrer eigenen Größe entsprechen. Für Emanzipation ist da kein Platz mehr, für Kritik schon gar nicht, aber reichlich für Lebenslügen, von denen keine zu peinlich sein kann.