Wie nennt man etwas, das einmal ein Nachrichtenmagazin war, noch so heißt, aber schon lange keines mehr ist? Ein Nachnachrichtenmagazin? Ein Postnachrichtenmagazin? Eine Magazinvorrichtung ohne Nachrichten?
Wie dem auch sei, ich habe das Ding seit Mitte der 80er einige Jahre gelesen und fand vieles daran gut. Das wurde schon damals relativ zügig immer weniger, so dass ich Mitte der 90er schon kein Geld mehr dafür ausgab. Kurz darauf füllte sich ein Teil der Lücke auf angenehme Weise: Man konnte es großenteils online und gratis lesen.

speichel

Das fand ich anfangs auch ganz gut, wobei ich zugeben muss, dass ich mich nicht mehr so genau erinnern kann, ob es an bereits erheblich reduzierten Qualitätsansprüchen meinerseits lag oder sie dort anfangs tatsächlich den Mangel im investigativen Bereich noch durch Aktualität kompensieren konnten.
Schon bald aber befand sich das Niveau im freien Fall. Es war die Zeit des Herrenreiters Stefan Aust, der alles zertrampelt hat, was Augsteins “Spiegel” einmal ausgemacht hatte, im Bunde mit kondebilen Wortverwurstern wie Malzahn, Matussek, Broder, Mohr, Steingart und anderen. Offline wie online unerträglich, dafür sorgte auch Müller von Blumencron, der derweil den “SpOn” voll auf Boulevard trimmte.

Ganz nebenbei bekannten sich die Adabeis aus der Brandstwiete inzwischen offen zur Wahlkampfhilfe für Merkel und hielten Informationen, statt sie aufzudecken, unterm Deckel. Damit sind sie in bester Gesellschaft, die Öffentlich-rechtlichen berichten auch nur noch bestenfalls darüber, dass sie nicht mehr berichten. [siehe Video; die Journalistinnen sind Dagmar Seitzer und Ulricke Hinrichs. Letztere ließ und lässt sich ihren Gehorsam als Sprecherin von Unionspolitikern und Lobbyistin vergolden.] Was früher investigativ war, lässt sich heute aushalten. Das ist der Wind, der in der Branche weht.

Die Heile Welt der Adabeis

Was also erwarte ich von diesem Hummerpuff, seinen Schampus schlürfenden Hofschreibern und ihren kommandierten Wasserträgern? Eigentlich nichts. Trotzdem schaffen die es immer wieder, mich zu ärgern. Aktuell auf denkbar absurdeste Weise, und sie können wirklich fast nichts dafür. Der Begriff “Kapitalismus” gilt und galt ja dort schon immer als ein Abkömmling des Sowjetvokabulars, warum sollten ausgerechnet sie also ausgerechnet jetzt dieses seit Jahrzehnten weggepiepste Unwort in der Feder führen?

Vielleicht ärgert mich die aufreizende Naivität, die dümmlich boulevardeske Technik, sich mit dem möglichst oberflächlich orientierten Leser gemein zu machen. Dieses widerliche “Wir denken wie du” – Getue, das man aus der Rudi-Dutschke-Straße schon in den Jahrzehnten kannte, als sie noch Kochstraße hieß.
Das Beispiel der Hamburger Bude heute: Da heißt es ernsthaft, die Angestellten der Freizeitattraktionen “verdienen so mies wie in kaum einer anderen Branche. Und das trotz saftiger Eintrittspreise.“.

Schon über das volkstümlich verkehrte “Verdienen” könnte man sich einen Rant leisten. Aber so zu tun, als hätten hohe, womöglich überzogene Produktpreise quasi proportional zum Einkommen der Arbeiter/innen zu sein, ist nachgerade infantil. Da wird die krude Normalität der Ausbeutung vorgestellt als Bruch in einer heilen Welt, als Einzelfall einer Ungerechtigkeit in der ansonsten intakten ökonomischen Wirklichkeit. Genau die aber ist es, wovon “der Zuschauer, der Zuhörer, der Leser” “nichts erfahren” muss. Schon den Namen nicht, Kapitalismus, herrgottnochmal. Nein, der Leser muss nur verstehen, was ihm gesagt wird: Alles wird gut. Wir lieben die große Mutter. Wir lieben die soziale Marktwirtschaft®.