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Man kann nicht oft genug daran erinnern, daß Rudolf Augstein seinen “Spiegel” einstmals das “Sturmgeschütz der Demokratie” nannte – und das mit allem Recht. Er selbst hat den Gang ins Gefängnis angetreten, weil er sich mit den selbsternannten Herren der Bundesrepublik angelegt hat. Er hat nicht nur Recht behalten, er hat es maßgeblich erfochten, kultiviert und verteidigt.

Einen Titel wie den altuellen hätte er wohl seinen Redakteuren einzeln ins Gesicht gestopft und ihnen ohne einen Schluck Wasser zu fressen gegeben. Nicht, daß Augstein ein Linker war, aber er war ein Demokrat, der auch für Andersdenkende focht. Er ließ denken und argumentieren, er stritt für seine Überzeugung, verpackte sie aber nicht in religiöse Formeln und Ikonen. Er hätte nicht einen verkappten Wahlkampf auf Springer-Niveau geführt und das als seine Vorstellung von “Journalismus” verkauft.

Die Zeit nach Erich Böhme war und ist die eines rasanten Verfalls, der aus einer Säule der Meinungsfreiheit ein billiges Instrument der Propaganda gemacht hat. Wenn in der aktuellen Ausgabe die dumpfe Parole des “Linksrutschs” kultiviert wird, die Verwüstungen des Neoliberalismus als “Sozialdemokratie” zurechtgelogen wird, von der es “links” folgerichtig nur “Radikale” gibt, ist der “Spiegel” auf einem Tiefpunkt angelangt, der ihn schlicht überflüssig macht.

Das Geschäft des Marktfundemantalismus besorgen andere längst überzeugender. “Demokratie” ist in dieser Ideologie ein festgelegter Pfad, dessen Verlassen mit brutalst möglicher Gegenaufklärung bestraft wird. Andere Ideen, schon der Hauch echter Opposition wird mit infernalischem Trommeln und Pfeifen beantwortet. Wenn sich zaghaft abzeichnet, daß die große Einheitsmeinung der Eliten und ihrer Journaille von Wählern mit Abwanderung quittiert wird, zeigt die Re(d)aktion die Zähne. Die Meute der Gebissträger kann zwar nicht mehr wirklich beißen, aber zu viele korrupte Hunde sind noch immer des Hasen Tod. Die Zahnlosen rufen zum letzten Gefecht. Noch einmal treiben sie ihre Elefanten über die Alpen, ohne zu ahnen, in welcher Tragödie sie ihre armselige Rolle spielen.