Nachdem seit Wochen jeden Tag auf allen Kanälen das Schicksal der Splitterpartei besprochen und ihr mäßig talentierter Jungturner Lindner zum Superhelden verklärt wurde, tischen uns die Demagoskopie-Institute aktuell die Illusion auf, die Liberalalas seien endlich wieder beliebt. Gleichzeitig hat die Springerpresse eine weitere Kampagne losgetreten gegen die Bundesregierung, und die FAZ ist heute aufgesprungen: Schwarzgelb muss zurücktreten.

Das andere häufig besprochene Thema ohne Inhalt ist die “Troika” der Spezialdemokraten, über die ich nichts Substanzielles lese, außer dass sie irgendwie nicht chic ist. Sie brauchen einen Führer. Bald werden vermutlich die Elogen über Spar Steinbrück wieder aufgewärmt werden.
Ziel der Veranstaltung: Große Koalition bei möglichst kleiner SPD. Originell, die Variante hatten wir ja noch gar nicht. Ich wünschte, ich wäre so selbstzufrieden, mich mit Genörgel über die “Neunzig Prozent” bescheiden zu können, die das alles auch noch glauben.

Ich lese Zeitung, ich glaube alles

Am besten gefällt mir aber das Finale Hollande gegen Deutschlands politischen Exportschlager. Das Duell des französischen Präsidentschaftskandidaten gegen ihre Impertinenz die Bleierne Kanzelerette. Es ist eigentlich nicht zu fassen, was Merkel sich anmaßt. Ein Mensch mit Verstand oder Herz oder irgendwelchen Ressourcen zur Wahrnehmung der Empfindungen oder Interessen anderer Menschen hätte sich ja bemüht, einen etwas weniger verheerenden Eindruck zu hinterlassen bei den Nachbarn. Merkel hingegen hinterlässt lieber gleich Abdrücke, die schwer an die von Springerstiefeln erinnern. Ihre Strategien zur Unterwerfung Europas unter das Joch sinnloser Kostensenkung haben Deutschland bereits Sympathien eingetragen, die zuvor nur Adolf selig eingeheimst hat.

In einem Akt schriller Abgehobenheit versucht sie aber obendrein noch, den Franzosen vorzuschreiben, wen sie sich zum Staatsoberhaupt wählen müssen. In historisch einmaliger Tölpelhaftigkeit rollt sie über den wichtigsten europäischen Partner hinweg und behandelt ihn wie einen Vasallen. Als sei Paris die Hauptstadt des Saarlandes. Vermutlich glaubt sie auch noch, solche Unverschämtheit sei eine echte Hilfe für ihren Freund Sarkozy.
Das ist nach wie vor der größte Trost in diesen Zeiten: Dass die Arroganz der Macht unmittelbar Dilettantismus hervorbringt. Darauf kann man sich immerhin verlassen.