Die zentrale Aussage des Koalitionsausschusses betreffs “Leistungsschutzrecht” ist folgende:

Gewerbliche Anbieter im Netz, wie Suchmaschinenbetreiber und News-Aggregatoren,
sollen künftig für die Verbreitung von Presseerzeugnissen (wie Zeitungsartikel) im Internet
ein Entgelt an die Verlage zahlen
“.

Das bietet reichlich Raum für Spekulationen, zumal die Schwammigkeit dieser Formulierung nicht einmal ahnen lässt, was später Gesetzestext werden soll. Es sei denn, dies soll ernsthaft die Vorlage dazu sein. Was, so ist die zentrale Frage, bedeutet das “wie” in dem Text und was “gewerblich”? Dies ist bereits von vielen Kritikern erläutert worden. Sind etwa Seiten “gewerblich”, die ab und an Werbung beinhalten? Solche, die Zählpixel der VG Wort enthalten? Die mit einem flattr-Button? Diejenigen von Freiberuflern? Das müsste geklärt werden, es sei denn es handelt sich um eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Juristen.

Von Suchmaschinenbetreibern Schutzgeld zu kassieren für nichts wird kaum gelingen, zumal die sich gute Anwälte leisten können. Google wäre gezwungen, die Nachrichten nicht mehr zu indexieren, wenn es die Kosten vermeiden wollte. Kann man dann Google dazu zwingen, dies trotzdem zu tun? Ich wage das zu bezweifeln. Man kann mit dem Kartellrecht drohen, aber das kann man ganz unabhängig von diesem Unsinn, und wer sich einmal erpressen lässt, lebt unruhig. Weder Google noch Microsoft würden also freiwillig zahlen, weil sie Angst hätten, sonst zerschlagen zu werden. Das Beispiel Belgien zeigt vielmehr, dass die Zeitungen eben aus dem Index fliegen, wenn sie solchen Stress machen.

Meinungsfreiheit nach Kassenlage?

Oder denken die Springers und andere Fürsten der Holzmedien wirklich, ihnen entginge etwas durch die kostenlosen Teaser? Wohl kaum, sonst würden sie ja nicht selbst dort Werbung schalten, um sich einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen. Das klingt alles bemerkenswert sinnfrei und leicht paranoid.

Zweierlei Konsequenz hätte das Spielchen offensichtlich: Die großen Verlage, die mehr zitiert und verlinkt werden, hätten höhere Einkünfte als die kleinen. Die ganz kleinen könnten sich das nicht leisten und müssten auf jedes Zitat verzichten.* Darin sehe ich eine erhebliche Einschränkung der Möglichkeit, seine “Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten“, denn die Bezugnahme auf Quellen anderer Verlage wäre verboten, sobald man selbst professionell am öffentlichen Diskurs teilnimmt, aber nicht genügend Einnahmen generiert.

Der ohnehin mangelnde kritische Diskurs zwischen den Verlagen würde endgültig abgewürgt bzw. denen überlassen. die sich das halt leisten können. Jene Mediengiganten also, die noch nie einen Link auf ihre externen Quellen gesetzt haben. Kritik von Journalisten und professionellen Bloggern an journalistischen Erzeugnissen würde eingeschränkt und eben auf die mit einem entsprechenden Einkommen beschränkt. Ist das womöglich der Zweck der Veranstaltung? Der pure Spaß an der Bürokratie, die von den Befürwortern des “Leistungsschutzrechtes” sonst so gern und vehement kritisiert wird, wird es doch wohl nicht sein.

* Zur Erläuterung: Es wird sich ja nicht vermeiden lassen, als “News Generator” alles zu betrachten, was die Praxis des Zitierens aus (mehreren) anderen Quellen pflegt. Das träfe dann auch solche Angebote, die selbst journalistisch tätig sind. Sonst müsste der “News Generator” nur ein paar selbst formulierte Artikel hinzufügen und wäre aus dem Schneider, womit das Konstrukt nicht mehr tragfähig wäre.