nopiratIch habe mich mit den “Piraten” bereits auseinandergesetzt und bin zu der Einschätzung gekommen, dass die “Piraten” als Partei nicht viel taugen, weil ihr ‘Konzept’ zur Beliebigkeit tendiert und gar nicht lange darauf warten musste, von Neoliberalen benutzt zu werden. Dass Angelika Beer jetzt nicht bloß für die Partei kandidiert, sondern sich gleich ausdrücklich “piratisch” gibt, ist ein weiterer Beleg für die Attraktivität der Partei für Wendehälse anderer Parteien.

Ich treffe diese Feststellungen nicht, weil ich in den Piraten eine Konkurrenz sehe, die möglichst klein gehalten werden sollte. Ich warne nur davor, Hoffnungen in diese Strömung zu investieren, die bereits zunichte gemacht sind. Die Piraten sind nicht links, und ich sehe da auch keinen Ansatz, dass sie’s werden könnten. Wem also an Solidarität, Gerechtigkeit und Alternativen zum Kapitalismus liegt, der ist dort nicht gut aufgehoben.

Ein Parlament ist zum Reden da

Die Rede von Christopher Lauer, die von vielen als Großtat betrachtet wurde, tut ein Übriges. Zwar gefällt es auch mir, wenn ein wenig Selbsterkenntnis in den Parlamentarismus einzieht. Ansonsten aber reihen sich da einige Peinlichkeiten aneinander. Wenn Lauer seine Partei quasi als die aussätziger Nerds beschreibt, meint er vielleicht sich selbst, sicher aber nicht seine Wähler. Diese Form der Ignoranz ist nichts anderes als das, was die ‘Etablierten’ auch auszeichnet. Dass er nur ein einziges Mal die Augen aufs Publikum richtet, als er sich nämlich selbstmitleidig empört und seine Humorlosigkeit zelebriert, ist ebenfalls ganz schwach. Ein Parlament ist zum Reden da, und Leute die das nicht können, haben wir da schon reichlich. Sprüche wie “die Kresse halten” bereichern das bloß noch durch eine infantile Note.

Zurechtrücken möchte ich hingegen das Bild, das die Nachbarschaft gerade abgibt und betonen, dass es nicht hilfreich ist, den Piraten mit hausbackener, um nicht zu sagen “reaktionärer” Kritik zu kommen. Die ‘Debatte’ beim Spiegelfechter etwa setzt da falsch an. Michael Wörz zeigt dort wenig Kenntnis von den Hintergründen, wenn er Parolen klopft wie “Freibier-Fraktion“, “die der Allgemeinheit auf der Tasche liegt” im Zusammenhang mit dem bedingungslosen Grundeinkommen. Dies ist seiner Ansicht nach dann “links“. Er hat keine Ahnung, nicht von Befürwortern des BGE in der CDU, nicht von der Kritik am BGE in der Linken und nicht davon, was ‘links’ überhaupt sein könnte außer eben ‘anderen auf der Tasche liegen’.

Ebenso hat er nicht im geringsten verstanden, was ein freier ÖPNV ist und dass es eben etwas jenseits der aktuellen Wirtschaftsorganisation geben könnte, in dem der Unterhalt eines solchen durchaus möglich ist. Aber wozu sich mit Hintergründen beschäftigen, wenn man schon weiß, dass man ein Ticket kaufen muss, um mit der Bahn zu fahren? Hier muss man den Piraten konzedieren, dass sie zumindest theoretisch und programmatisch offen sind für Reformen, die echte Alternativen wären.

Bürgerliche Kritik

Ins Bild passt auch, dass Wörz von “Künstlern” schwadroniert, die darunter litten, wenn das Urheberrecht ausgehebelt würde. Er weiß offenbar nichts davon, wer vom Urheberrecht profitiert und wie es den meisten Künstlern oder Autoren wirklich geht. Da wäre es dann auch unklug, so etwas zu problematisieren. Er weiß auch nicht, dass Filesharer und andere Kriminelle dieser Art deutlich mehr Geld für Originalmaterial zahlen als der Durchschnittsbürger. Wozu auch? Fakten essen Weltbild auf.

Als sei es eine “Gegenrede”, ergänzt Stefan Sasse das Bild durch wahlkampfstrategische Weisheiten und komplettiert damit eine Scheinkritik aus der Perspektive muffiger Bürgerlichkeit. Die Grünen seien mit ihrem Rotationsprinzip ja schon gescheitert, da würde den Piraten und ihrem Basisprinzip Ähnliches bevorstehen. Anstatt gerade die Ansätze zu stärken, die wenigstens den Versuch machen, Korruption und Funktionärsmacht einzudämmen, werden sie gleich verlacht. Wer sich nicht freiwillig auf die dunkle Seite der Macht begibt, gilt als politikuntauglich.

Das ist dann auch die entscheidende Kategorie: Es geht nicht um Inhalte oder Positionen, es geht um die Anpassungsfähigkeit ans bestehende System. Sasse bringt es auf den Punkt:
In ihrer derzeitigen Form ist die Piratenpartei nicht koalitionsfähig.”
Na Gott sei dank, dann leben sie noch.
Vermisse ich bei den Piraten also Inhalte, die mir am Herzen liegen und sind sie für mich daher auch nicht wählbar, so kann ich mich andererseits schon wieder freuen über ihre Präsenz, wenn ich sehe, wie sie gewisse bürgerliche Reflexe auslösen. Derzeit sind sie zumindest ein Lackmustest, und so mancher bekennt dadurch unerwartet Farbe.