Jaja, jetzt kommt wieder so ein Blues. Das möchte ich übrigens einmal oder gern sogar regelmäßig von Journalisten lesen, daß sie verzweifeln oder wenigstens zweifeln an dem, was ihnen täglich abverlangt wird. Vom kleinen Lokalmatador, der von der DRK-Versammlung zurückkommt oder einem Treffen der anonymen Nichtwähler oder der Sparkassen-Hauptversammlung, bis hin zum Chefredakteur, dem gerade die Schlagadern geschwollen sind, weil der Verleger irgendwen unterrepräsentiert fand.

Eine Bekannte hat mir 1991 (Das war doch 1991?) erzählt, wie sie für die RP (wenn ich mich recht erinnere) von einer Kanervals-Vorbereitungs-Versammlung berichten sollte. Da fragte doch im Lichte des drohenden Irakkriegs eine Frau aus dem Volke: “Wenn der Hüssein jetzt die Bombe schmeißt, wat mach ich mit all der Kartoffelsalat?”.
Das hätte ich gern im “Blatt” gesehen, wie sie von ihrer blauen Stirn berichtet hätte, die sie sich beim Klatschen auf die Tischplatte zugezogen hat.

Mein Anspruch (Journalisten haben da etwas Gröberes, das sie “Ethos” nennen lassen) befiehlt mir, nicht einfach unreflektiert und ohne Filter das alles auf den Blogteppich zu kotzen, was mir Deutschland.2009 so alles zu saufen gibt. Die Stoppersocken aus dem Bundestag etwa. Oder eine angezappte Talkshow, in der ein Montgomery sich wie aufgedreht darüber echauffiert, daß die AOK Ärtze von Patienten beurteilen lassen will – und das im Internet.
Patienten seien nicht “objektiv”, so sein Argument. Nur Ärzte könnten Ärzte beurteilen, das sei dann “objektiv”. “Objektiv” sagte er in den 90 Sekunden, die ich mir angetan habe, gefühlte 90 mal. “Objektiv”, das ist also, wenn die Lobby ihre Lobby lobt. Womit natürlich der notwendigen Kritik Genüge getan ist.

Genau so sehen sie sich, unsere Eliten. Zum Beispiel die Allerbesten aus der “vierten Kolonne Gewalt, die erst fünfstellige Summen einstreichen für ein bißchen Blabla bei Konzern X und Verband Y, um hernach umso objektiver über die Großen und Mächtigen zu “berichten”.

Was früher als “Korruption” galt, ist längst nicht nur alltäglich, sondern der Habitus derer, die sich für die Leistungsträger, die Elite und überhaupt das Gute schlechthin der Menschheit und des Universums halten.
Die “geistige Elite”, das ist tagesaktuell übrigens der “Frankfurter Zukunftsrat“. Und wenn ich mich noch vor einigen Tagen quasi provokativ gefragt habe, welcher Tank in Herrn Sloterdijk gefahren ist, so finde ich ihn heute in Gesellschaft von Honoratioren wie Oswald Metzger, Wolfgang Clement, Friedrich Merz und der ganzen INSM-neolibananen Gesellschaft, deren Geist fürwahr elitär ist. Exakt so elitär wie, Pardon, die hirnbefreiten Großmitmacher der Nazis. Solche Elite, das ist Auslese, und zwar unter strengstens sozialhierarchischen Bedingungen.

Die Machtstrukturen der BRD sind kompromisslos reaktionär, wer am Status Quo auch nur zaghaft rüttelt, gehört nicht dazu. Das widerliche Herrengedeck, das als “Politik” infolge “Wirtschaft” alternativlos kommunziert wird, firmiert unter dem Titel “Mitte”, als sei es nicht “rechts”, als sei “links” der Weg, der von der Erdscheibe abwärts führte, als sei jeder Denkversuch abseits des Irrsinns kriminell.

Dabei ist diese Ideologie blanker Extremismus. Wenn jemand Rum mit dem Etikett “Mineralwasser” verkauft, muß er sich schon darauf verlassen können, daß seine Kunden keine Nasen haben. Aber “Mitte”, das geht auf jede Flasche, egal welcher entfernten Galaxie der Inhalt entstammt. Immerhin werden die Flaschen der SPD jetzt ohne Pfandrückgabe auf dem Friedhof der unbekannten Parteisoldaten entsorgt. “Wir in der Mitte” steht am Eingangstor, als Untertitel ganz liberal “Jedem das Seine”.

Es ist kaum mehr zu leisten, angesichts dieser tragischen Farce nicht nur noch zu nörgeln, daß sie alle Verbrecher sind, Lügner und Betrüger, die Demokratie am Ende, daß alles nur noch blöder und schlimmer wird, alle Hoffnung geschwunden. Man könnte sich eine gemütliche Bank auf einem romantischen Friedhof suchen und warten, bis man dran ist.

Stattdessen immer wieder auf dem Hochseil tanzen, nur mit dem kleinen Zeh im Kontakt zum Draht, virtuose Clownerie bis zum unvermeidlichen Absturz?
Warum nicht? Ich bin Blogger, ich bin Gott!