Ich habe mich lange mit Kritik zurückgehalten, was den neuen “Freitag” und dessen Online-Auftritt anbetrifft, aber angesichts des fahrigen arroganten Gequatsches, das Jakob Augstein im Interview mit der FR von sich gibt, halte ich das Wasser nicht mehr. Er sieht sich wohl als ganz große Marke in der Netzwelt wie im Journalismus, sieht die Sueddeutsche sterben, weil sie überflüssig wird, erfährt in der “Bild” hingegen “etwas über das Arbeitsleben der Leute oder über merkwürdige Beziehungssituationen” und will die Welt des Kuhjournalismus nicht den Bloggern überlassen – von denen er nach wie vor keine Ahnung hat.

Ich bin Herrn Augstein nie begegnet, aber das ist seine Schuld. Als ich im letzten Dezember mit zwei Bloggerkollegen in der Redaktion war, um über eine mögliche Kooperation zu sprechen, ließ er seinem Stellvertreter den Vortritt. Und selbst der bekam offenbar nicht einmal die allernötigsten Ressourcen zur Verfügung gestellt, um sich mit selbständigen Bloggern herumzuschlagen.
Ich war damals eingeladen worden, weil einer der Kollegen auf die Diskussion hier aufmerksam gemacht hatte, in der es um einen konzertierten Blogger-Auftritt für das “Superwahljahr” ging.

Beim “Freitag” fand man das spannend und hatte mit der “Wahlkampf-Arena” ein Projekt in Vorbereitung, das zu passen schien. Es wurde eingehend darüber gesprochen, es wurde geplant, es gab ein Wiki. Es gab viele Ideen, aber offenbar keine Ressourcen, um diese umzusetzen. Was davon beim “Freitag” noch übrig ist, wurde mir in einer Mail als “verschlankt” angekündigt. Es ist ein schlechter Witz und hat mit der Grundidee nichts mehr zu tun.

Ähnlich ergeht es mir mit den sogenannten “Blogs” des Freitag, die keine sind. Was groß als “Cross-Blogging” angekündigt wurde, findet nicht statt, einzig die Veröffentlichung von “Blog”-Beiträgen in der Printausgabe könnte den einen oder anderen eventuell locken.
Ansonsten habe ich nachhaltig den Eindruck, wir sollten dem “Freitag” möglichst für lau Content liefern – und dann noch auf die Rechte an unseren Texten verzichten. Zwar wurde zumindest einigen zugesichert, diese behalten zu dürfen, aber so recht kann ich nicht erkennen, was ich denn nun davon hätte.

So weit, so schlecht. Bis hierhin bin ich ein wenig hin- und hergerissen. Immerhin versucht die Redaktion etwas mit “Online” in einem bemerkenswerten Umfang. Das hebt ihren Auftritt wohtuend von anderen ab.
Andererseits sind sie noch meilenweit entfernt von einem Verständnis vom Bloggen, dessen Vielseitigkeit, Unabhängigkeit und Qualitäten. “Das können sie ja noch lernen”, dachte ich bislang.
Wenn aber nun der Oberchef und Eigentümer sich in einer Weise äußert, die ich bislang genau so von den verknöchtertesten Printen der Holzmedien kenne, schwindet die Hoffnung rapide. Auf die Frage der FR, welche Rolle den Bloggern zukünftig zukomme, antwortet Augstein:

Also, ich war auf der “Re:publica”, wo ich mich auch mit einigen unterhalten habe. Das war ganz merkwürdig, denn die sollten doch eigentlich in ihrem Denken ganz vorne sein, aber die haben so geredet, als wären sie noch ganz hinten. Ich habe dort im Podium gesessen und die Leute gefragt: “Angenommen, ihr tragt bald das ganze Gewicht der vierten Gewalt, wenn jetzt die gesamte klassische Presse den Bach runter gehen sollte, wie von manchem prophezeit – seid ihr darauf vorbereitet? Habt ihr die Disziplin, habt ihr die Reife und die Professionalität dazu, könnt ihr das?”

Womit er zunächst einmal nicht antwortet. Die Frage war nämlich nicht die danach, was Blogger nicht sein werden. Ein Blogger hätte hier wohl zunächst korrigiert, daß es “die Blogger” gar nicht gibt. Noch weniger als “die Journalisten”.
Über genau diese aber hat Augstein gesprochen, über das, was er sich darunter vorstellt und warum Blogger – Überraschung! – keine sind. Und schon läuft der alte Käse wieder über den Tisch: Qualität, Disziplin, Professionalität, als seien das unveränderbare Kennzeichen des Journalismus, als gäbe es das alles nicht auch in Blogs. Vielleicht sollte Herr Augstein mehr lesen, das bildet.

Auf der re:publica lernt man im übrigen genau so viel übers Bloggen wie beim Berliner Presseball über Journalismus. Don Alphonso wird er dort schließlich auch nicht begegnet sein. Ist wohl auch besser so, zumal, wenn er ihn mit Sascha Lobo in einen Sack steckt. Das geht nämlich ähnlich gut wie Peter Hahne mit Sonia Mikich, aber wenn man nur weit genug weg ist, sehen schließlich alle gleich aus. Ich möchte auch diesen beiden keineswegs die Blogsphäre überlassen, aber das ist so banal, daß ich nicht darauf käme, es zu artikulieren.

Und am Ende ist es das, was mich nervt: Diese Banalitäten, aufgeblasen zur Alleskennerei, zum Onlinejournalismus 3.5, zur publizistischen Weltformel. Was der “Freitag” da macht, war eine gute Idee, deren Umsetzung allen Anlass zur Bescheidenheit gibt. Augstein aber tritt auf wie der bessere Holtzbrinck, der jetzt klare Online-Kante und es uns allen zeigt.
Das zeugt weder von Kompetenz noch von Lernbereitschaft. Das war nicht einmal gut gebrüllt, Löwe Bettvorleger.