Miriam Meckel beschwört in der FAZ einmal mehr den “Qualitätsjournalismus”. Sie beschreibt ganz richtig und treffend, was diesen ausmacht und wie nötig er ist. Allerdings scheint sie zu glauben, es gäbe ihn tatsächlich.

Ihre kryptische Einleitung mag ich nicht kommentieren, ich habe keine Lust, sie zu verstehen. Mit ihr geht es mir ähnlich wie mit Heidegger: Eine Kritik ist zu aufwendig, wenn sie sich durch meterdickes Geschwurbel fressen muß.
Wo sie zur Sache kommt, mag ich ihr beinahe zustimmen:

Bislang ist es der Journalismus, der die Menschen mit Neuigkeiten aus der Welt versorgt, sie durch gut recherchierte und erzählte Geschichten interessiert und fasziniert. Das bringt zum Beispiel nicht nur dem Leser einer Tageszeitung oft ein Lesevergnügen, es sorgt auch für die soziale Synchronisation unserer Gesellschaft. Journalisten beobachten die Welt mit der Aufgabe und Zielsetzung, das Ergebnis ihrer Beobachtung professionell aufzubereiten und es als Nachricht, Bericht oder Reportage wieder in die Gesellschaft einzuspeisen. Diese Informationen machen es möglich, uns in einer komplexen Lebenswelt zu orientieren, uns der eigenen Zugehörigkeit zu dieser Welt zu vergewissern, indem wir uns aus einem Informations- und Themenfundus bedienen, der diese Komplexität reduziert und Momente der gesellschaftlichen Verständigung generiert.”

“Der Journalismus” versorgt die Menschen mit Neuigkeiten. Das ist so weit in Ordnung, allerdings sind das in erster Linie die Agenturen, die da “Journalismus” sind. Eine tolle Einrichtung, ganz zweifellos.
Durch “gut recherchierte und erzählte Geschichten” fasziniert Journalismus, und zwar umsomehr, als daß man solche Perlen kaum mehr findet. Was vielleicht einmal die Regel war, in den besten Zeiten des “Spiegel” etwa, ist zum publizistischen Lottogewinn geworden. Gut recherchiert? Wo sind denn die großen Aufreißer geblieben? Was wird denn noch enthüllt und akribisch dokumentiert? Wenn der Wallraff zur Schreibmaschine greift, wird die Gazetten- und Magazinmischpoke doch grün vor Neid.

Gut erzählt? Meinen wen? Wenn mich eines in die Blogs treibt, sind es Schreiber, die etwas zu erzählen haben oder eine Art, die beeindruckt. Stil wird dort geprägt. Die FAZ weiß das am allerbesten, kauft sie doch nach Art von Bayern München die besten Spieler der Konkurrenz auf und glaubt, sie hätte den Fußball zeitgemäßen journalistischen Anspruch erfunden.
Putzig ist die Behauptung, Journalismus reduziere Komplexität. Was Meckel da abliefert, ist gerade einmal das Gegenteil, soll aber ja vielleicht auch gar kein Journalismus sein. Was meint sie sonst? Daß komplexe politische Zusammenhänge auf die Einheitsmeinung zurechtgestutzt werden?

Ihre Beschwerde über die “Google-Recherche” geht schließlich völlig an allem vorbei, worüber zu schreiben sie vorgibt. Es stimmt ja, daß der Fall des angeblichen “United-Airlines”-Konkurses ein peinliches Beispiel miserabler Recherche ist. Aber was lehrt uns das? Daß der Verursacher schuld ist und alle, die von ihm abgeschrieben haben, die sonst die Agenturberichte kopieren, dessen wehrlose Opfer?
Ganz im Gegenteil: Wer die Suchmaschine bedienen kann, entlarvt solchen Blödsinn sofort, sofern er sich denn ein gesundes Mißtrauen bewahrt hat. Tatsächlich sind “Google und Co.” gerade für die Recherche ein wunderbares Geschenk. Sie ersetzen sogar in vielen Bereichen eine mühsame Recherche in Archiven. Das heißt freilich nicht, daß es für guten Journalismus damit getan wäre.

Qualitätsjournalismus kann alles: Die schnelle und dennoch intensive Recherche im Intenernet genauso wie die Pflege von Kontakten, fähige Korrespondenten und die Kunst des Telefonierens, das präzise auf den Punkt Kommen wie eine sprachliche Qualität, die das Lesen zum Genuß macht.
Wo sind sie aber denn, die großen Journalisten, die sich mit solchen Federn schmücken können? Wo werden sie denn dafür ausgebildet? In einem Bachelorstudium “Journalismus”?

Wir hier draußen machen nur Spaß. Manche mehr, manche weniger. Unsere Leser sind gnadenlos: Wem wir keinen Spaß mehr machen, der geht woanders spielen. Wir wissen das. Was am allerwenigsten hilft, ist eine beleidigte Publikumsbeschimpfung oder die Beschuldigung böser Mächte, die uns die Kunden stehlen.
Alles, was uns hilft, ist die Einlösung des unausgesprochenen Versprechens auf eine eigene Qualität. Ein hartes Brot, fürwahr. Na und?
Der einzige Rat, ich den selbsternannten “Qualitätsjournalisten” geben kann, geht in fünf Worte:
Hört endlich auf zu jammern!