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November 2012


 
Grüne: Letzter Grundsatz sachgerecht entsorgt

Es ist gut zu wissen, dass es in der Nachbarschaft reichlich zu lesen gibt, wenn hier Lohnarbeitspause ist. Mike hat mich auf das endgültige Ankommen der Grünen in der Vereinigten Reaktion aka neoliberale Einheitspartei aufmerksam gemacht. Wie war das noch? Ökologisch, sozial, basisdemokratisch, gewaltfrei? “Gewaltfrei” die Bundeswehr zum Angriffskrieg auf den Balkan geschickt, dann die Freiheit am Hindukusch verteidigt. “Sozial” mit den Hartz-Gesetzen den Lohnempfängern jeden Verhandlungsspielraum unter den Füßen weggezogen und Arbeitslose bis zum Hungern sanktionieren lassen. “Basisdemokratisch” erst Josef Fischer zum Parteifürsten gemacht und sich heute von zwei Mitgliedern der Atlantikbrücke und einem Bilderberger vertreten lassen. “Ökologisch” hat sich jetzt auch erledigt, nachdem die Sache mit der Atomkraft durch ist. Sogar Gorleben ist so gut wie aus dem Rennen. Braucht man dann noch Proteste? Nein. Selbst wer dazu aufruft, sei er auch Parlamentarier und eigentlich immun, gilt als Verbrecher und muss verurteilt werden. Protest hat sich strikt im Rahmen der freiheitlich demokratischen Grundordnung® abzuspielen. Protest ist gesetzestreu. Alles andere ist Extremismus.

Strauss Kahn, Womanizer

Dominique Strauss Kahn hat “nichts davon gewusst, dass die beteiligten Damen bezahlt wurden“, wenn er auf Orgien sein altes Leder von Frauen im Alter seiner Enkelinnen hat einölen lassen. Sicher, die sind rattenscharf auf “DSK”, alle. Immer. Keine kann sich seinen Reizen entziehen. Ist klar. Ich wusste übrigens auch nicht, dass das ganze Zeugs im Supermarkt nur da rumsteht, weil jemand das verkaufen will. Oder dass Baseballschläger für den nämlichen Sport gedacht sind und nicht für die Nasenmassage. Ob ich damit auch durchkomme? Mal meine Portokasse fragen.

Geheimdienste Ihrer Diktatur

Wieso tummeln sich in allen “Diensten” der BRD die Nazis? Was ist dran an Berichten, die USA halte sich völlig unkontrollierte, meist rechtsextreme Verbände im europäischen Untergrund? daMax hat in der “Zeit” einen interessanten Hinweis gefunden. Mit von der Partie so aufrrechte Figuren wie Kissinger, Nazi-Rasseexperte Sonderminister Globke und Opa zu Guttenberg. Die haben 1970 mal eben einen Geheimdienst aufgezogen, der für “die Opposition” (gemeint ist die CDU/CSU, Sammelbecken für politisch ambitionierte Nazis nach dem Krieg) unter Anleitung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers und Friedensnobelpreisträgers die Bundesregierung ausspioniert hat. Wundert da noch irgendwen irgendwas? Mich höchstens, dass nicht häufiger Redaktionen durchsucht werden. So harmlos die auch sind, Kontrolle ist besser.

 
bananaEs gibt einen “Armutsbericht” der Bundesregierung, von dem die Presse sagt, er sei “angepasst” worden, “verändert”, “geschummelt”, “manipuliert” oder “geschönt”. Letztere ist die am häufigsten verwendete Formulierung. Es heißt, die FDP habe darauf bestanden, den Hinweis auf die extreme Ungleichverteilung der Vermögen zu streichen. Alles was mit Ungleichheit, Ungerechtigkeit und dem schnöden Zusammenhang zwischen Armut und Reichtum zu tun hat, wurde zensuriert. Besser noch: Aus “Ungerechtigkeit” wurde “strukturelle Verbesserungen”. Die Bundesregierung hat sich in kniefälligem Gehorsam vor der neoliberalen Ideologie darauf festgelegt, dass alles, was Löhne senkt – insbesondere bei denen, die ohnehin schlecht bezahlt werden – als “Reform”, ergo “Verbesserung” zu gelten hat.

Dazu passt auch Lutz Haussteins Zusammenfassung der Wirklichkeit unter der Knute der Hartz-Gesetze. Alles nichts Neues und eine sehr ausführliche Darstellung, aber immer wieder erschütternd, wie das Geschehen in den Kammern und Gängen der Gängelung den offiziellen Darstellungen Hohn spricht. Hier ist das Ende des “Marktes”, you are leaving the sane sector. Zurecht weist Lutz auf die Produktion von Angst hin, den Druck, die Gewalt. mit der Lohnabhängige gezwungen werden, auf jegliche Forderungen zu verzichten. Hier werden Sklaven gezüchtet, mit der Macht des Unrechts, das im Gewand behördlicher Rechtmäßigkeit auftritt. Hier wird allen Lohnverhandlungen der Boden unter den Füßen weggezogen, die Armut produziert – mit oder ohne Arbeit -, von der man nachher nichts wissen will. Aber wem sage ich das …

Kann mal darf nicht passieren

Was wäre eine Bananenrepublik – nein, nicht ohne Bananen, aber ohne Polizeiwillkür, und was wäre Polizeiwillkür ohne richterlichen Segen? Vermutlich muss ich mich jetzt freuen, weil ich in einer janz dollen Demokratie lebe, in der sogar Polizeicheffen verurteilt werden, aber wenn ich mir Beweislage, Urteil und Strafmaß anschaue, bekomme ich doch arg trockene Augen, die nämlich tellergroß in unendliche Weiten starren. Da wird ein 15-Jähriger vom obersten Prügelcop gefesselt mehrfach mit dem Kopf vor die Wand gehauen, das Gericht bestätigt diesen Tathergang und kommt zu welchem Schluss? Das dürfe einem “Polizeibeamten nicht passieren”. Also wird der zu genau elf Monaten auf Bewährung verurteilt, damit er nicht seinen Beamtenstatus verliert (was ab zwölf Monaten der Fall wäre).

Was bedeutet das für das Rechtsempfinden des geneigten Bürgers? Wenn das einem Beamten nicht passieren darf, darf das dann eher einem Nichtbeamten passieren? Wenn ich also dieselbe Nummer mit einem Homie aus der Nachbarschaft durchziehe, dann bekomme ich weniger als elf Monate? Ich fürchte, so ist das nicht gemeint. Eher in die Richtung: Das darf nicht einmal einem Cop passieren. Merke er sich das! Was bedeutet das wiederum für das Rechtsempfinden der Freunde und Helfer? Foltert und misshandelt getrost Gefangene, das kostet euch nicht einmal den Job. In so einem Land lebt man doch gerne!

Du, Stromkonzern du, ich bin ja total zufrieden damit, nach Strich und Faden von dir ausgequetscht zu werden und mit immer derselben Begründung mehr für weniger zahlen zu müssen, ganz egal ob Beschaffungspreise steigen oder fallen, aber ich hätte da gern noch ein paar Antworten, du, auf Fragen, die kein Mensch stellt, der noch bei Verstand ist und schon gar nicht jemandem, der ihn siehe oben ohnehin vereimert, dass die Fliegen von der Wand fallen. Sag mal, du, wenn die Energiewende für uns alle gut ist und du da voll für uns sorgst, weil das ja ohne dich gar keine Wende wär’ – wer hat schließlich Jahrzehnte lang auf Kohle und Uran gesetzt und sich das mit Steuermilliarden vergolden lassen – und wer will denn eigentlich immer noch nicht, also wenn du da für uns sorgst und die Industrie, bei der du einen Arsch voll Aktien hältst und an deren Verschwendung genau so reichlich absahnst wie bei uns, die wir zwar seit Jahren weniger verbrauchen, aber trotzdem ständig mehr zahlen, so dass wir uns das eigentlich schon längst nicht mehr leisten können, also, kannst du mir dann auch ganz sicher sagen, dass das so okay für dich ist, du?

noe

Und du, liebe Versicherung, bei der meine Eltern schon doppelt gegen alles und jeden versichert waren, die wo ihnen im Leben nicht begegnet wären, du und die Bank, die ihr euch gegenseitig zu einhundert Prozent gehört und mir neulich ins sexy Öhrchen geträufelt habt, dass die Krise nicht an den Banken liegt und nicht an den Börsen und dass der Regen nicht für das Wetter verantwortlich ist, wenn ihr mein Geld nehmt und damit zum Hütchenspieler geht, weil bei dem die Renditen höher sind als bei Immobiliengeschäften und genau so seriös, die ihr mir zwei Prozent Zinsen schenkt für Geld, dass ich vier Jahre nicht anfasse und die ihr mir in meiner Not immer aushelft bei vierzehn Prozent, wenn ich vier Minuten im Soll bin, wenn ihr ganz doll gut aufpasst und euch so lange immer neue Sachen einfallen lasst, mit denen ihr das Kapital vermehrt, obwohl es null und überhaupt keinen realen Gegenwert dafür gibt und ihr so geschickt den finalen Crash aufschiebt, weil ihr eine gigantische Blase nicht von einem Airbag unterscheiden könnt, sagt mir mal, ihr und die Monopole: Wenn wir schon eh nur noch für euch arbeiten und trotzdem immer ärmer werden, warum müssen eure Sprechpuppen uns neuerdings auch noch minutenlang ohne Punkt und Komma vollabern – habt ihr nicht ein klein wenig Anstand und könnt wenigstens die Fresse halten?!!

Das wüsst’ ich gern mal.

 
In einer chinesischen Enzyklopädie (Foucaultleser kennen das) soll einmal folgende zoologische Einordnung vorgenommen worden sein:
“a) Tiere, die dem Kaiser gehören, b) einbalsamierte Tiere c) gezähmte, d) Milchschweine, e) Sirenen, f) Fabeltiere, g) herrenlose Hunde, h) in diese Gruppierung gehörige, i) die sich wie Tolle gebärden, k) die mit einem ganz feinen Pinsel aus Kamelhaar gezeichnet sind, l) und so weiter, m) die den Wasserkrug zerbrochen haben, n) die von weitem wie Fliegen aussehen”.

So etwas muss man allmählich wieder sehr ernst nehmen, denn was noch vor einigen Jahren oder Dekaden als “absurd” gegolten haben mag, ist großenteils ‘vogue’. ‘Vogue’ oder ‘in Mode’ ist eine ganz eigene Kategorie, die alles und nichts ermöglicht. Es ist das, was ‘gilt’. Zeitungen schreiben so etwas wie “Kevin Pachulke gilt als Experte für Schulhofkampfsport“. Wenn es dort steht, dann ist das so. Es kann das, weil das Sein-als-Geltung in der Form ‘gilt als’ ganz fix für abwesend befunden wird, wenn es irgendwie im Weg steht. Das Beste daran: Man muss es nicht revidieren, geschweige denn widerlegen. Es ist, steht und gilt ja in keinem Zusammenhang, sondern ob seiner Publizität. Es muss nur auflagenstark, laut oder oft genug wiederholt werden, dann ‘gilt’ es. Danach kann man es auch einfach wieder vergessen, vor allem, wenn es sich als kompletter Unsinn erweist.

Wer als Experte gilt

Es ist von daher nicht schicklich, das, was ‘gilt’, einem Abgleich oder einer systematischen Ordnung zuzuführen. Um Himmels Willen, man würde auf der Stelle verrückt werden. Gleichwohl gibt es Experten, die das, was ‘gilt’, sehr virtuos hervorzaubern und wieder der Vergessenheit überantworten können. Sie können in Einzelfällen sogar erklären, welcher temporäre Zusammenhang mehrere ‘Gilt als’ umfassen kann, die sich ganz offenbar nicht gleichzeitig in denselben Schädelschwamm gießen lassen, ohne dass der entrüstet aus dem Oberstübchen auszieht. Es bedarf allerdings einiger Übung (Zeitung gucken, Fernsehen), um für diese Schwingungen empfänglich zu sein. Solche Amnesie bedarf einer empfindlich synchronisierten Taktung und tritt schon beim leisesten Hauch kognitiver Aktivität eine panische Flucht an.

So wie oben bei den “Tieren” gibt es nur ein Ordnungsprinzip beim ‘Gilt als’, nämlich den Namen, die Bezeichnung. Was “Tier” ist, kann dann beliebig aufgezählt werden, es ordnet der, der spricht. Ebenso ist es beim ‘Gilt als’, das allerdings einen Verbündeten hat, der nicht zufällig im Beispiel Kevin P. zur Sprache kam: den Experten. Der Experte gilt vorab vor allem selbst als einer. Indem er einer ist, kann er dadurch weitere Geltung erzeugen, indem was er sagt, als das ‘gilt’, was er sagt. Gilt ein Herr Werner Sinn als Ökonom und nennt Konsum “schädlich”, dann gilt Konsum als schädlich. Ebenso kann er jemand anderen nennen, der dann ebenfalls als das Genannte gilt.

Völlig uninteressant

Zu amüsant übrigens, dass es einen gibt, der als “größter Philosoph” gilt – hierzulande vermutlich aller Zeiten (solange nicht gerade ein anderer Geburtstag hat), der sich um Kopf und Kragen deliriert hat bezüglich “Geltungsansprüchen”. Das hat eigentlich nie jemanden wirklich interessiert, und hätte er sich mehr für die da draußen interessiert, wüsste er sicher mehr über “Geltung”. Theorien gelten nämlich als äußerst überflüssig. Zu seinem Glück die guten genauso wie die schlechten.

Diesen Umständen verdanken wir auch die Tatsache, dass Politologie und Parlamentarismus von allem Ballast befreit wurden, der zu unkomfortablem Regieren oder der Gefährdung von Abgeordneten durch Überarbeitung führen könnte. So gilt Dirk Niebel etwa als “Entwicklungshilfeminister”, SPD und Grüne gelten als “linke Opposition”, Kapitalismus als “sozial” und die periodisch eingeholte Zustimmung zur Massenarmut als “Demokratie”.
Daher ist es auch nur folgerichtig, dass eine “Rede”, von einem Lohnschreiber formuliert, einer Sekretärin abgetippt und von einem Beamten des Bundestagspräsidiums in einem Aktenschrank entsorgt, als “vom Abgeordneten gehalten” gilt.

 
Zitat Frankfurter Rundschau: “Als aberwitzig empfinde er den Vorwurf, er sei durch seine bezahlten Reden in Abhängigkeiten zum Finanzsektor geraten. „Lesen Sie doch mal mein Bankenpapier“, sagt Steinbrück.

Es sei also quasi undenkbar, dass einer, der von denen bezahlt wird, die er kontrollieren soll, ihnen dafür zu Gefallen handelt – wenn er etwas aufschreibt, das deren Missfallen erregen könnte. Nun, wie war das noch mit Wahlversprechen und deren Umsetzung durch Peer Steinbrück? Es war für den Freund der aalglatten Argumentation eine Freude zu erklären, wie aus “keine Mehrwertsteuererhöhung” wie die CDU sie plante im Handumdrehen eine noch höhere Mehrwertsteuer wurde. Dagegen konnte er sich nicht wehren, schließlich war er der verantwortliche Minister. Als solcher konnte er sich unmöglich für die Wahlversprechen verantworten, denn zur Zeit des Wahlkampfs war er ja noch kein Minister.

Der kommende Vizekanzler

Exakt so würde auch mit dem “Bankenpapier” verfahren, gäbe man den Spezialdemokraten die Gelegenheit, sich an einer Regierung zu beteiligen. Es ist sogar damit zu rechnen, dass Herr Peer sich abermals als Finanzminister gefallen wird. Zwar behauptet er derzeit, er werde nur als Kanzler in eine Regierung gehen, aber hey – wenn er doch gebraucht wird und alle ihm sagen “Peer, du musst das machen”, kann er dann anders? Mit “alle” könnten schon alle beide gemeint sein; Helmut Schmidt und Heinz Alfred Kissinger vielleicht. Oder alle Stimmen, die er sonst so hört.

Hatte er nicht auch jahrelang dementiert, vielleicht doch noch einmal Kanzlerkandidat werden zu wollen? Schnee von gestern. Man weiß nicht, wer ihn umgestimmt hat, aber bei der zwielichtigen Gesellschaft, die sich gern mit ihm umgibt, kann das nichts Gutes gewesen sein. Sicher ist hingegen: Die Stimmungen des künftigen Vizekanzlers schwanken wie ein Besoffener im Vollrausch. Die “Papiere”, auf denen er und seine Spitzenfunktionäre die Wahlprogramme schreiben, haben meist braune Streifen. Wenn man wissen will, was tatsächlich zu erwarten ist, fragt man definitiv besser die Sponsoren, das hat bei den “Sozialdemokraten” schon Tradition.

In das “Bankenpapier” würde ich jedenfalls keinen Fisch einwickeln. Es gibt Dinge, die tut man nicht einmal einem toten Tier an. Schon gar nicht, wenn man es noch essen will.

 
‘Es wird keine Rettung für die Zeitung geben, wenn wir mit dieser Umsonst-Kultur nicht brechen.’ Darüber müsse auch mit jüngeren Lesern, ‘auch wenn die sich selbst User nennen’, gesprochen werden.”

Dieser Satz – googelt das gern mal selbst – wird hundertfach in exakt dieser Formulierung wiederholt vom Kuhjournalismus. Ich bin zu müde um zu recherchieren, ob das ursprünglich zwei Sätze waren oder einer. Selbst kurz vorm Koma kann ich allerdings feststellen, dass nicht bloß diese kreuzpeinliche Abschreiberitis vorherrscht, sondern symptomatisch auch nicht einmal gelesen wird, was da – demnächst leistungsgeschützt – per Copy & Paste auf die Leser einprasselt.

Zur “Umsonst-Kultur” nur ein müdes Lächeln, das die Abschreiber allerdings in Panik versetzen sollte. Wenn es dafür auch noch gutes Geld geben sollte, was hielte sie denn davon ab, das einzusammeln? Ist es die karitative Ader deutscher Großverlage, die sie bislang davor zurückschrecken ließ, die geliebte Konsumentenschar für die hart erarbeiteten Inhalte ihrer leistungstragenden Gatekeeper um ein Scherflein zu bitten? Wohl kaum. Mag es sein, dass es sich nicht gerechnet hat, das Gold im Internet zu suchen, zu glauben, es ließen sich dort dolle Umsätze machen, wenn man nur das schlechthin Übliche liefert, mit dem die Lesezirkel schon immer zufrieden waren und dass nicht einmal zu minimalen Kosten mehr Einkünfte erzielt wurden? Schon eher.

Isch bin User!

Grandios desorientiert aber die Formulierung des publizistischen Riesen Steingart, der schon beim “Spiegel” die Auflage kongenial mit dem Herrenreiter Stefan Aust ruinierte: “die sich selbst ‘User’ nennen”. Wer einen kennt, der sich “User” nennt, möge sich dringend melden. Scherz kurz beiseite: Steingart glaubt wirklich, da draußen säßen Millionen seiner Leser, die sich ins Fäustchen lachen und skandieren: “Isch bin User, isch zahl nix!”. Omfg! Es sei ihm verziehen, denn er hört nur die, die ihm den Anus pudern. Die anderen verständigen sich per Blickkontakt und suchen das Weite, sobald der Headhunter anruft.

Das Future Concept der endgebrieften Sekretabsonderer dieser Branche von Fachexperten sieht also so aus: Mit einem Leistungsschutzrecht, das so raffiniert ist wie Ölschlamm, schießen sie sich aus den relevanten Suchmaschinen (man verzeihe mir den Plural) heraus, und dann ziehen sie Paywalls hoch. Das bringt eine Mörderkohle von den derart zur Einsicht Gezwungenen, die neben ihren monatlichen Beiträgen untertänigst auch noch alle persönlichen Daten frei Haus liefern, damit das Anzeigengeschäft online so richtig durch die Decke wuppt. Endlich zertifizierter Leser, nie wieder “User”. Hurra, hurra, hurra!

Ich erwarte in Kürze eine Riesenkampagne zur Freigabe aller Drogen. Steuerbefreit.

 
Ein Gastbeitrag von Hector Rottweiler

In Nordrhein-Westfalen tritt die rotgrüne Landesregierung an, im Namen eines sogenannten “Nichtraucherschutzes” die Kneipenkultur völlig zu zerstören, die Raucher gänzlich aus der Öffentlichkeit zu verbannen und ganz en passant den Raum für menschliche Begegnung erheblich zu reduzieren. Jenseits von organisierten, mithin kontrollierten Strukturen soll soziales Leben nicht mehr stattfinden, wenn es nicht staatlich zertifiziert gesundheitlich unschädlich ist. Ein großer Erfolg der Gesundheitsnazis vor allem bei den Grünen, von denen nur ein spießiger Bodensatz geblieben ist, deren einziges lustvolles Erleben noch in dem analen Vergnügen am Verbot besteht.

Linke, Libertäre, Nonkonformisten, die einst “Grün” verkörperten, sind längst aus der Partei geekelt worden. Es bleibt ein Mob, der nichts gegen Mord und Krieg hat; warum dann nicht auch einen gegen Raucher führen? Wie sonst soll ich das verstehen, dass man Menschen, die rauchen, verbietet – in extra dafür eingerichteten Räumlichkeiten wohlgemerkt – ein Bier zu trinken?

Welcher Raucher geht noch in eine Kneipe, wenn er dort nicht rauchen darf? Wenn also gesundheitsapostolische Kreuzritter es nicht leiden können, dass sich irgendwo irgendwer trifft und sie nicht dabei sind, ist die logische Folge, dass niemand sich mehr treffen darf?

Sie werden sich fügen!

Ein Wirt, der selber raucht, kann einpacken. Es sei denn er geht zum Quarzen raus und überlässt seinen Laden sich selbst. Und wozu das Ganze? Um die teutonische Pflicht eines möglichst späten Ablebens zu erfüllen – rein statistisch jedenfalls. Dies hat nämlich absolute Priorität vor der freien Entscheidung eines Nichtrauchers zum Beispiel, sein Leben zu riskieren, indem er sich in die Nähe eines qualmenden Nikotinverbrechers begibt.

Wohlgemerkt: Aktiv darf geraucht werden – noch. Nur passiv nicht; nie, niemand, nirgends. “Null Toleranz” ist das Motto aller Hobbyfaschisten, gern kombiniert mit “härtere Strafen”. Ihr Triumph ist am größten, wenn das in schwachsinnige gesetzliche Verbote mündet.

Was kann man künftig noch tun, wenn man sich mit Rauchern in der Öffentlichkeit treffen will? Ich empfehle: Rauchen. Sobald das Gesetz in Kraft tritt, wird jeder Wirt seine Gäste auffordern, das zu lassen. Als nächstes wird er sie bitten müssen, das Etablissement zu verlassen, schließlich die Polizei rufen, um seine Pflicht zu erfüllen. Tut’s! Ruft alle zwei Minuten 110, um die Hausfriedensbrecher zur Ordnung bringen zu lassen. Lasst unerbittlich die Staatsgewalt aufmarschieren bis sie die weiße Fahne schwenkt!
Oder fügt euch. Wie immer.

 
Die FAZ meldet, die Financial Times Deutschland werde eingestellt. Auch schade, es bleibt also am Ende vermutlich nur solche ‘Wirtschaftspresse’ übrig, die devotes Gelulle an Hochglanz und Luxusartikelwerbung bietet. Online sind das eh Pfeifen, ausgerechnet der Link aufs Abo lässt einen aufs Totenglöckchen warten, und der Brüller ist das “Werbefrei-Sonderabo“.

Man soll also 6,90 Euro bezahlen, um die Werbung ausblenden zu können. Die muss ja ganz schön nervig sein. Das kann ich allerdings kaum simulieren, denn selbst wenn ich den Adblocker abschalte, passiert kaum etwas. Die glauben doch nicht, ich lasse jetzt jedes Skript laufen, dass die ihren Lesern um die Ohren ballern, damit ich sehe, was ich für 6,90 für ein tolles Feature bekomme? Haben die noch nie davon gehört, dass man Java Script nicht einschalten muss? Dass man es sogar selektiv ein- und abschalten kann? Dass es für Leute, die so abgenervt sind von blöder Werbung, dass sie satte sieben Euro monatlich zahlen würden, um nur ein einziges Webangebot ohne betrachten können, längst eine Lösung gibt?

Fachoberexperten on the line

Ganz abgesehen davon, dass die Fachexperten, die solche Angebote entwerfen lassen, schon mal gar keine Ahnung von der generellen Pest “Java Script” zu haben scheinen, eine allerdings bedauerlich weit verbreitete Haltung. Gäbe es nicht für vernunftbegabte Menschen ohnehin zwingende Gründe, Scripte zu blockieren, spätestens die Verlage mit ihren hemmungslosen Scriptschleudern zwängen einen zum Einsatz von NoScript oder Alternativen. Es ist schon ziemlich frech, die Doofen jetzt damit quasi noch erpressen zu wollen.

Wundert mich aber kein Stück. Ich spreche regelmäßig mit einer aus der Branche, die aus dem Fazialpalmieren gar nicht herauskommt. Zitat: “Die haben alle alle keine Ahnung”. Weitere Zitate, die noch deutlicher werden, klemme ich mir mal. Man kann sich also darauf verlassen, dass die Landschaft sich mächtig ausdünnen wird. Noch weniger Angebote mit noch weniger Manpower, noch weniger Kompetenz und noch mehr Einflussnahme. Wir werden eine große Offensive erleben, in der uns erklärt werden wird, warum der Qualitätsjournalismus jetzt noch wichtiger, noch besser und noch qualitätsjournalistischer sein wird.

 
niebelBeinahe wäre mir eine bestürzend irrelevante Nachricht entgangen, die nämlich, dass ein Dirk Niebel aus Hamburg zum “Spitzenkandidaten” der “Südwest-FDP” gewählt worden ist. Nachdem der Wirtschaftsminister, ein gewisser Philipp Rösler, Kanzlerkandidat der niedersächsischen FDP wurde, tritt Vetternwirtschaftminister Niebel, der dem Ministerium für die wirtschaftliche Entwicklung seiner Parteifreunde vorsteht, für “Südwest” an. Da war doch was? Richtig: Der Landser aus Berufung tritt gern auf wie Oppa Wehrmacht in “Deutsch-Südwest”.

Eine seiner besten Leistungen als Regierungsmitglied war folgerichtig die Abwesenheit bei Muttis Reise ins Nachbarland Angola. Und was tat sie da? Genau: Kanonenboote verkaufen. Der Afrikaner ist nämlich auch nur ein Grieche, jammert aber weniger. Während Südeuropa sich an Hunger und Kindersterblichkeit erst noch gewöhnen muss, kennt sich die alte Kolonie schon bestens damit aus. Entscheidend ist aber, was hintenrum rauskommt: Deutsches Rüstungsgut trifft auf Rohstoffe. Besser kann’s der Dirk auch nicht, denn das ist genau das, was er unter “Entwicklungshilfe” versteht.

Shock and Awe

Die FDP tritt also zur kommenden Bundestagswahl mit den Sympathen Rösler, Niebel und Brüderle als Kanzlerkandidaten an. Wie meinen? Es können gar nicht drei Mann zum Kanzler gewählt werden? Aber einer aus der FDP oder wie?! Alle, die noch ein paar Latten am Zaun haben, halten sich diesmal zurück und treten lieber erst zur Reinkarnation der Partei wieder an. Einige haben bereits Asylanträge beim Aufsichtsrat der Substantia AG gestellt. Aus gut unterrichteten Kreisen verlautet allerdings, Familie von Finck sei zwar korrupt, aber nicht bescheuert. Nützliche Idioten würden dort grundsätzlich nach Gebrauch entsorgt und nicht versorgt. Sollte es künftig keine Ministerien mehr geben für die FDP, müssten deren Funktionäre gegebenenfalls arbeiten gehen wie alle anderen auch, die für den Wohlstand der Mövenpick Group sorgen.

Empörung und Schrecken hätten nicht größer sein können bei den Experten für Fall- und Rettungsschirme. Unverzüglich wurde eine Kommission gebildet, die einen Gesetzentwurf für die Existenzsicherung von Leistungsträgern erabeitet hat. Wie es heißt, sollen die Bezüge für Arbeitslose im nächsten Jahr verdreifacht werden. Strittig ist nur noch die Mindesthöhe des Gehalts, das vor dem Ende der Beschäftigung bezogen wurde.

 
Als ich zuletzt schrub, Aneignung stehe “in keinem logischen Zusammenhang mit Arbeit”, war das sehr wörtlich zu nehmen. Grundsätzlich steht zunächst nur Lohnarbeit im Zusammenhang mit dem Gegenteil, nämlich Enteignung. Dies zu betonen, ist keine akademische Übung, sondern ein fundamentaler Widerspruch zu dem, was gemeinhin von “Arbeit” – die zumeist (nicht immer!) Lohnarbeit meint, behauptet wird. Falsche Zuschreibungen sind u.a.:

- Wer arbeitet, bekommt eine Gegenleistung
- Wer mehr arbeitet, bekommt mehr
- Wer fleißig ist, kommt zu Wohlstand
- Wer faul ist, kommt nicht zu Wohlstand
- Wer nicht zu Wohlstand kommt, ist faul.

Letztere ist eine radikale These, die nicht von jedem vertreten wird, sich aber abscheulicher Beliebtheit erfreut und illustriert, wie ideologisch aufgeladen die Konnotationen zu “Arbeit” sind.

Arbeit war über eine kurze Periode für viele Menschen eine Möglichkeit, zu bescheidenem Wohlstand zu kommen. Es war hier zwischen den 50ern und 80ern möglich, als durchschnittlicher Werktätiger eine Familie zu ernähren, ein wenig zur Seite zu legen und im Alter eine auskömmliche Rente zu beziehen. Diese Zeiten sind passé, und es ist wieder wie in den Jahrzehnten zuvor so, dass das Gros der Beschäftigten gerade über die Runden kommt und im Alter von Armut bedroht ist. Minijobs, Leiharbeit, Zeiten von Arbeitslosigkeit, Niedriglöhne werden inzwischen als regulär akzeptiert. Davon kann man aber nicht leben.

Wem gehört der Fortschritt?

Die Entwicklung kann man aus unterschiedlichen Perspektiven beschreiben; hier soll die Enteignung der Werktätigen durch die Abkoppelung von der Produktivität betrachtet werden. Wer’s gern graphisch hat, möge z.B. hier, hier und hier schauen.

Nehmen wir an, es gäbe faire Löhne und diese seien einmal bezahlt worden. Dann wäre zu fragen, was hätte geschehen müssen, als die technische Entwicklung Arbeit effizienter gemacht hat. Wenn also ein Auto statt in 100 Stunden in 10 Stunden gebaut werden kann, wer hat dann etwas von der Verzehnfachung der Arbeitsleistung? Wer es für richtig hält, dass “Unternehmer” für Verbesserungen (wie z.B. das Anschaffen von Robotern) belohnt werden müssten, gesteht diesen also nicht nur zu, ihre Kosten für die neuen Maschinen zu amortisieren, sondern auch einen Anteil an der höheren Produktivität. Das muss man schon nicht so sehen, aber selbst dann müsste man fairerweise den Arbeitern zugestehen, einen Anteil auch ihren Löhnen zukommen zu lassen. Vielleicht einen weiteren für das höhere Risiko von Arbeitslosigkeit, weil weniger von ihnen gebraucht werden.

Dem ist aber nicht so, und dementsprechend wird der Kuchen bekanntlich aufgeteilt. Diese Zahlen sind das Manifest einer permanenten Enteignung. Dabei bilden sie aber einige der übelsten Details gar nicht ab. Schauen wir uns die “technische Entwicklung” an: Neuerungen in Produktionsanlagen und Abläufen, Erfindungen, Produktideen, Verbesserungen – werden die durch “Unternehmer” geleistet? Nein. Die Sphären sind im Kapitalismus geteilt zwischen Geldgebern und Produzierenden. Letztere bekommen wie gezeigt immer zu wenig vom Kuchen, wenn auch in unterschiedlicher Höhe. Für besonders Pfiffige, so wird behauptet, gäbe es aber den Weg in die “Selbständigkeit” oder “Unternehmensgründung”. Sie könnten auf diesem Wege reich werden.

Juristische Enteignung

Nun, es gibt Beispiele für solche Karrieren. Grundbedingungen dafür: Eine gute Idee, wenig Konkurrenz und das Glück, nicht von großen Rechteinhabern wahrgenommen zu werden, bis man selbst eine schlagkräftige juristische Abteilung beschäftigen kann. Das ist die traurige Rolle des Staates im höher entwickelten Kapitalismus: Dass er per Gesetz immer mehr Eigentumsansprüche schützt, vor allem gegen aufstrebende Konkurrenz, die sich gerichtliche Auseinandersetzungen schlicht nicht leisten kann. Wer “Glück” hat, wird aufgekauft. Auch darin besteht aber eine Enteignung übelster Sorte, denn fortan werden wieder jene kassieren, deren einzige Leistung darin besteht, schon viel Eigentum angehäuft zu haben.

Insofern sind Aneignung und Arbeit inzwischen beinahe Antagonismen. Sie sind es nicht grundsätzlich, wie die Nachkriegsjahre gezeigt haben. Auch seltene Einzelkarrieren und eine immer schmaler werdende Mittelschicht lassen Ausnahmen zu. Letztere ist wichtig, um noch Innovationen zu ermöglichen, aber gerade in solchen Prozessen ist neben dem wenigen, das sich Kreative und höhere Angestellte aneignen, die Enteignung in solchen Jobs oft am größten. Die Löhne, die hier gezahlt werden, sind oft ein Witz im Vergleich zu dem Zugewinnen, die solche Kreative schaffen.

Eine Ideologie, die entgegen diesen Fakten weiterhin mit der Behauptung, Fleiß und Arbeit seien der Weg zu Wohlstand, hantiert, ist im Kern faul. Die Neoliberalen behaupten aber tagein tagaus nichts anderes, was den Irrsinn auch aus dieser Perspektive offenlegt. Allerdings müssen auch deren Gegner, sofern sie einer “Marktwirtschaft” das Wort reden, erklären, wie derartige Entwicklungen wirksam verhindert werden könnten. Neben rein ökonomischen Fragen wäre da auch noch zu besprechen, wie ein Staat, der sich dem Schutz des Eigentums verpflichtet, den beschriebenen Prozess nicht geradezu provoziert – oder ob es eine Marktwirtschaft ohne solchen Eigentumsschutz werden soll.

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