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Juni 2012


 
Auch in diesem Jahr wurde der Abschwung wieder durch Minusschrumpfung gebremst.

Bösartig formuliert, könnte man sagen, das Bundesverfassungsgericht sei eine der entscheidenden Instanzen der Gesetzesfindung, zumindest seit Angela Merkel regiert. Was sie an verfassungswidrigem Plunder von ihrem Vorgänger Schröder übernehmen konnte, hat sie seitdem mit Zähnen und Klauen verteidigt, was sie selbst noch hat zerstören können am Grundgesetz oder auch schlicht ignorieren, hat sie mit großer Freude vorangetrieben. Die Hartz-Gesetze und die Regelsätze, der ESM, das Wahlrecht, die Vorratsdatenspeicherung, der Marineeinsatz in Somalia, Tornados in Afghanistan, die Videoüberwachung privater Wohnungen, die Pläne zum “Nationalen Sicherheitsrat”, die Liste ist lang. Merke: Am besten lässt es sich ohne Grundgesetz unter dem Arm regieren.

Ja, wäre da nicht dieses lästige Gericht, diese Spaßbremsen in ihren roten Roben, die einem weder Putsch noch Schlamperei durchgehen lassen. Die Übergänge zwischen beidem sind fließend, so weiß man auch bei der sogenannten Reform des Wahlrechts, die übrigens in verfassungswidriger Weise überfällig ist, nicht, wem das dienen soll. Genau wie bei HartzIV stellen sich die Juristen und Parlamentarier einfach mal doof, beschließen den schon abgewatschten Unsinn in neuer Formulierung noch einmal und rennen damit mutig vor dieselbe Wand. Ceterum censeo: Ich bin für ein”Three Strikes”-Modell. Wer dreimal in Karlsruhe scheitert, ist abgesetzt. Oder wozu ist das Grundgesetz sonst da?

Entspannt drüber weg regieren

Diese Frage stellen die Schweizer sich übrigens nicht mehr. Die Eidgenossen sind recht entspannt und lassen einfach das Geld regieren. Wenn sie einen fähigen (Acker)Mann übrig haben, schicken sie ihn gen Norden und lassen ihn dort regieren. Von ihm dürfte die Bleiernde einiges gelernt haben. Kennt jemand einen Schweizer Politiker? Von Blocher hat man gehört, der hat sich mit seinen rassistischen Wahlkämpfen hervorgetan, in denen er Millionen dafür begeistern konnte, die drei Minarette in der Schweiz zu verbieten. Aber sonst? Irgend einen? Regierungschef, Repräsentant, so etwas? Nein? Das liegt vielleicht daran, dass das System dort völlig undurchschaubar ist und den Leuten selbst offenbar schnurz. Solange ihnen keiner Moscheen in die Vorgärten baut.

Und diese tapferen Teilzeitdemokraten haben jetzt Bahnbrechendes geleistet: Sie beschlossen, dass Gesetze, die gegen ihre Verfassung verstoßen, weiterhin von den Gerichten umgesetzt werden müssen. Ein Verfassungsgericht kommt ihnen nicht ins Haus. Kein langes Lamentieren, ob das Rechtssystem noch irgend einen Sinn ergibt oder ein Paragraph dem nächsten widerspricht. Nein, die Gesetze des Staates in Einklang zu halten auf dem Boden der Verfassung, das wäre ein “Richterstaat”, meinen die Jura-Alpinisten.

“Verfassung? Haben wir! Aber die brauchen wir nicht. Die liegt dauernd im Weg herum, dann muss man darum herum laufen, drüber klettern oder drunter durch schlüpfen. Das ist viel zu anstrengend”. Mit dieser Haltung sind sie ganz nahe bei Merkels, nur in der Konsequenz sind sie konsequenter. Im Zweifel einfach nicht ignorieren! Dass die anderen Gerichte dennoch und vermutlich umso gnadenloser die losgelassene Willkür des Gesetzgebers vollstrecken werden, macht die Ermächtigung erst richtig rund. Was wären wir für Deutsche, nähmen wir uns daran nicht ein höchst motivierendes Beispiel?

Ich kann es schon lange nicht mehr hören und schweige meist dazu, weil man sich ja zwangsläufig gewöhnen muss an das Geplapper der Kuhjournalisten, aber dieses Blabla von den “Reformern” oder “Realos” gegenüber den “Fundamentalisten” ist unterste Schublade. Die Einteilung Fundis/Realos geht auf die Medienkampagne eines Teils der Grünen gegen den Rest der Partei zurück, das ist historisch verbrieft. Aber jegliches Geschichtsbewusstsein ist in den Redaktionsstuben ja verpönt, da weht allenfalls der Geist von Guido Knopp.
 

 

Journaillistischer Zwiesprech

Schlimmer aber noch das Wort “Reformer”, stülpt es doch den neoliberalen Zwiesprech auch der Linken noch über, wobei es gleichzeitig der einfachsten Nachfrage nicht standhält. Was zur Hölle reformiert er denn, der Herr Bartsch? Oder unterstellen die ihn so nennen ihm, er sei desselben Geistes wie sogenannte “Reformen” bei Steuern, Gesundheitssystem und Arbeitslosenbehandlung? Obwohl ich ihn persönlich für eine Fehlbesetzung seiner selbst halte, hat es Dietmar Bartsch nicht verdient, als einer von euch dargestellt zu werden.

Sonst reformiert er leider nichts, vor allem nicht die Partei, deren Bundesgeschäftsführer er war. Es sei denn, das Aufreißen von Gräben und entfachen von Kleinkriegen gälte schon als Reform. Schließlich könnte man ggf. noch auf die Idee kommen, Bartsch wolle die Gesellschaft reformieren und andere einen Umsturz. Dies wiederum entspricht dann zwar der Wahrnehmung jener Schreiberlinge, die sich für die “Mitte” halten, dann aber auch einer völligen Ahnungslosigkeit von den Problemen linker Politik. Am Ende ist aber völlig klar: Bartsch gut, Lafontaine böse. Schön, dass wir drüber geredet haben.

So geht Partei

Wo wir gerade bei der Linken sind: Was sie selbst anbetrifft, so hat Gregor Gysi die Probleme vollständig benannt und angemessen illustriert (siehe Video). Ich weiß sehr genau, was er meint, wenn er von westdeutschen Linken spricht und ihrer Arroganz (gegenüber einer Volkspartei im Osten). Die Hoffnung, dass die jemals so erwachsen werden, sich kultiviert zu streiten, habe ich leider nicht. Man kann sich streiten, kämpfen, auch böse Grätschen ansetzen, wenn man sich nachher einigt und so viel demokratischen Geist belegt, dass man sich der Mehrheit beugt. Nur so geht Partei, und nur so geht eine organisierte Gemeinschaft. Wer das nicht haben will, soll austreten, Punkt.

Und genau so, nur so kann jede Parteiführung nach innen und außen repräsentieren: Wir sind uns nicht einig, aber wir einigen uns. Wir streiten, aber das gehört zur Entscheidungsfindung. Wir entscheiden gemeinsam und tragen gemeinsam. Das hat nichts mit einer Fraktionsdisziplin zu tun, die einem von korrupten Funktionären auferlegt wird; es ist die Disziplin, die sich die Mitglieder, Delegierten und Abgeordneten auferlegen. So geht Partei. Nichts für mich, glaube ich, aber darum bin ich auch kein Mitglied. Sollte ich aber jemals eines werden, dann bin ich auch eines. Und wenn die anderen anders entscheiden, dann halte ich irgendwann einfach mal die Fresse anstatt in die nächste Talkshow zu dackeln.

Das obige Zitat ist aus Heiner Flassbecks Vortrag, zu sehen und zu hören im folgenden Video. Wer Flassbecks Ansichten noch nicht kennt, findet sie hier in einem sehr kurzweiligen gut einstündigen Vortrag. Flassbeck argumentiert am Rande dessen, was den Kapitalismus noch stabilisieren könnte. Gerade deshalb gefällt mir das, weil jemand hier ohne jede ideologische Ablehnung das Ende des Spiels erkennt. Im Gegensatz zu ihm bin ich der Ansicht, dass “das Fenster” für Lösungen innerhalb des Systems längst geschlossen ist.
 

Wer nicht so viel Zeit aufwenden möchte, möge sich das Ganze ab Minute 58 anschauen, da kommen einige zentrale Phänomene zur Sprache.

Nicht ganz ohne Stolz stelle ich fest, dass ich offenbar schon vor einigen Jahren, nämlich in 2006, einige grundsätzliche Zusammenhänge ganz richtig eingeschätzt hatte. Damals wusste ich noch nicht annähernd so viel über Volkswirtschaft wie ich inzwischen quasi zwangsläufig gelernt habe. Defizite hat der Text vor allem, wo ich mir noch eingebildet hatte, es gäbe Lösungen auf der Ebene von Haushaltsentscheidungen.

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Die ewige Diskussion, ob ein Staat noch Steuern erheben darf, bricht sich spätestens in der Frage um Staatsschulden. Dazu werden gelegentlich große Zahlen publiziert, die Angst und Schrecken verbreiten. In Wahlkämpfen wird es jedesmal wüst, wenn es sich um die Finanzen dreht, denn hier geht alles und nichts:
Wir erhöhen die Steuern nicht, das ist Gift für die Konjunktur!
Wir machen keine Schulden, denn wir Leben nicht auf Kosten der nächsten Generation!
Wir sparen und bauen Schulden ab!

Diese Merksätze waren nicht nur schon immer gelogen, sie sind auch völlig unsinnig. Nicht erst, weil sie der Erfahrung widersprechen, sondern weil sie als Totschlagargumente nichts taugen.
Wer Schulden verteufelt, lügt, weil die Wirtschaft, die sie damit belastet sieht, auf Schulden basiert. Schuldenfreiheit? Wirtschaften auf Guthabenbasis? Wo gibt es das denn?

Wer ewig die Steuern senken will, sollte sich einmal die Geschichte der Staatswirtschaft anschauen und zwei Fragen klar beantworten: Warum hat das bis heute nicht funktioniert, und wie soll eine Steuersenkung finanziert werden, wenn die Ausgaben unabhängig vom Haushaltsentwurf steigen? Letzteres gilt unausweichlich für eine überalterte Gesellschaft mit hoher Arbeitslosigkeit. Da ist zumindest mittelfristig kein schlanker Haushalt drin. Das “Sparen” schließlich kann man sich sparen, wenn es unmittelbar Kaufkraft zerstört. In dem Zusammenhang ist eine Mehrwertsteuererhöhung freilich auch ganz großes Kino, zumal, wenn die privaten Haushalte dadurch nicht anderswo entlastet werden.

Was will der Dichter uns sagen? Die Lage ist kompliziert, und wenn eines nicht hilft, sind es Vereinfachungen und tumbe Versprechungen.Wir werden mit einer erheblichen Steuerlast leben müssen, und es ist dringend erforderlich, private Haushalte mit niedrigem Einkommen zu entlasten. Auch die Schuldenlast wird vorläufig hoch bleiben, aber das kann eine selbst nur schwach wachsende Konjunktur aushalten.

Selbstverständlich sind Verschwendung und Bürokratie Übel, mit denen man sich nicht abfinden darf. Daher dürfte das größte Potential in der Vereinfachung von Gesetzen und dem Abbau von Subventionen liegen. Dazu waren aber bisher alle Regierungen zu feige, weil sie ihren Lobbys damit auf die Füße gestiegen wären. Und schließlich: Wie mehrfach erwähnt, sticht bei den Debatten um die öffentlichen Haushalte eine Partei hervor, die schon immer die einfachen Lösungen angeboten und nie ein Versprechen eingehalten hat. Deren Adepten werden gebeten, einfach mal den Rand zu halten!

Die Kommunistische Partei hat sich nach der großen Schlacht ihrer Demagogen auf eher unbekannte Führer geeinigt, die künftig verantwortlich die antidemokratische Hetze verbreiten sollen. Das ist gut für Deutschland, denn so haben alle ihre Autorität verloren – sowohl die redegewandten Verführer, denen es nicht gelungen ist, die Speerspitze der Rotfront zu behaupten, als auch die unerfahrenen Neukader, welche sicher lächerlich erscheinen werden im Vergleich zu den grauen Eminenzen mit ihren teuflischen Talenten. Die Feinde der Demokratie und des Wachstums, die uns nur in Schulden stürzen wollen, dürfen damit als geschwächt gelten. Es gibt Grund zu der Hoffnung, dass der linksextreme Spuk bald vorbei ist.

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