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Juli 2011


 
hwsDie Phrasenautomaten sterben nicht aus, und wenn es ein neoliberaler übertreibt, wird er Wirtschaftsminister. Mit Michel Glos hatten wir einen, den haben sie einfach hingesetzt und ihm gesagt: “Tu einfach nichts, und wenn jemand was fragt, sag einen der Sprüche von diesem Zettel hier auf!”. “Vollbeschäftigung” stand schon zu dessen Zeiten drauf, danach haben Guttenberg, Brüderle und die Kanzlerin selbst das Sprüchlein ebenfalls immer wieder fein aufgesagt: Wenn wir alle brav sind, kommt eines schönen Tages die Vollbeschäftigung zu uns.

Da die INSM Ende Mai eine Kampagne losgetreten hat, mittels der sie das Paradies der Werktätigen trotz millionenfacher Erwerbsarmut ausrief, nutzt Gebrauchtsprüchehändler und Misswirtschaftsnister Rösler das Sommerloch, um seinerseits Ochs und Esel vor die Glückseligkeit des Aufschwungskarrens zu spannen. Mein Gott, ist das langweilig!

Paradies vs. Gulag

Dass nämlich nichts, aber auch gar nichts davon bei denen ankommt, die noch ein Ticket für den Fensterplatz in der Galeere ergattern konnten, ist auch schon seit Jahrzehnten wahr, da kann der Flassbeck sich das Maul fusselig quatschen und am Ende wie immer recht haben, das ficht uns nicht an, der darf nämlich nicht mitspielen. Der will nur umverteilen. Dabei weiß doch jeder: Aufschwung, Wettbewerb, Globalisierung, Wachstum, Arbeitsplätze, Aufschwung und Wachstum! War da was mit Löhnen? Also bitte, die vernichten Arbeitsplätze. Not, Elend, Rezession!

Denn Amen ich sage euch: Je leerer die Lohntüte desto voller die Beschäftigung. Das ist doch auch jedem Laien zu erklären, dass man für fünf Euro Stundenlohn doppelt so viele Leute beschäftigen kann wie für zehn. Dass der Gewinn dadurch steigt, Investitionen nach sich zieht, die noch weitere Gewinne und Wachstum Aufschwung Arbeitsplätze herrgottnochmal. Es sei denn, man will das alles nicht mehr. Man will eine “Gesellschaft” anstelle einer “Wirtschaftsgesellschaft“, wie Hans-Jürgen Arlt von der TAZ. Der aber ist was? Richtig: Sozialismus, Kommunismus, Mauer Stacheldraht. Hier steht die Freiheitsstatue der deutschen demokratischen Republik. Sie lebe hoch hoch hoch!

 
spdvorwAls Negerkritiker lasse ich mir vom linken Mainstream nicht vorschreiben, was zu sagen erlaubt ist und was nicht. Der Neger ist weniger gebildet und weniger intelligent als der Weiße, das haben Studien seit den 30er Jahren immer wieder bestätigt. 80% davon sind genetisch bedingt. Es ist eine Tatsache, dass die häufigste Todesursache bei Negern in den Großstädten der USA Schusswunden sind. Die allermeisten davon bringen sich die Neger gegenseitig bei. Der Neger ist also erwiesenermaßen eine tödliche Bedrohung für sich und andere. Man muss ihn kontrollieren und in die Schranken weisen. Da er stets zum Töten bereit ist, kann man nicht umhin, dieselben Mittel einzusetzen, und zwar bevor der Neger selbst schießt.

Was daran ist falsch? Für die einen nichts, für die anderen alles. Was auch immer man über derartige Auswürfe denkt, eines ist nicht verhandelbar: Wer sich einer Sprache bedienen will, die noch zu irgendwelchen Aussagen taugt, nennt so etwas nicht “Kritik”.

Im Zusammenhang mit sogenannter “Islamkritik” muss niemand suchen, um einen Diskurs zu finden, der von Ressentiments, Rassismus, Hass, Projektionen und Paranoia geprägt ist. Egal ob PI, die Kommentarspalte der “Welt”, die “Bild”-Hetze, Sarrazins Buch, Haider, Wilders, Fortuyn oder sonst etwas, das scheinheilig “islamkritisch” genannt wird, es handelt sich flächendeckend um plumpe Hetze. Was wäre auch spezifisch “islamkritisch”? Keine dieser Quellen befasst sich auch nur annähernd mit ernstzunehmender Religionskritik. Man vergleiche Sarrazin mit Max Weber. Man vergleiche einen Faustkeil mit einem Uhrwerk. Im Kampf Faustkeil gegen Uhrwerk sind die Chancen einseitig verteilt. Die Gutmenschen haben halt das Kämpfen verlernt.

Herr Gabriel macht fast etwas richtig

Eine Diskussion findet nicht statt. Zusammenhänge sind der Tod der Propaganda, deshalb werden sie kurzerhand für nicht existent erklärt. Die Reaktion der Reaktion ist eindeutig: Wer auch nur versucht, Extreme als Erscheinung derselben Welt zu erklären, in der sie auftauchen, wird exkommuniziert. Die mit den Großbuchstaben hetzen über eine “Killerbestie”, etwas, das außerhalb jedes Zusammenhangs steht, ein Tier, das gejagt und erlegt gehört. Ähnlichkeiten mit den Denkmustern der Bestie selbst sind wohl unvermeidlich.

In der “WAZ” watscht ein Simpel namens Wilhelm Klümper Gabriel als “dumm” ab. Begründung: “Schmidt, von Dohnanyi und Steinbrück” hätten Sarrazin “gestützt”, darum sei Gabriel der “Verlierer”. Er fabuliert über ein “Parteiausschlussverfahren” gegen Gabriel. Er steht in einer Reihe mit jenen Lügnern, die verschweigen, dass Sarrazin keinen Islam und keine “Integration” kritisiert hat, sondern mit erfundenen Zahlen, widerlegten Theoremen und Anleihen aus der Rassentheorie “Araber und Türken” für genetisch verblödet erklärt hat. Triumphierend nennt er halbgare Entschuldigungen durch Prominente (und) Neoliberale einen Sieg.

Zusammenhänge und Breitmaulfrösche nicht nachweisbar

Die SPD nannte Rassismus nicht Rassismus, darauf stützen sich Rechtsausleger in Journaille und Kommentariat, auf die sich wiederum Rechtsextreme berufen können, die das so ja schon immer gesehen haben. Das ist kein Zusammenhang? Gabriel überlässt das Feld nach einer überfälligen Selbstkritik wieder den Kritikern der Menschenwürde. Bürgerrechtsgegner Wiefelspütz meint: “Alles wird mit allem verrührt. Es fehlt dann an der Präzision der Analyse“. Damit meint er nicht etwa das unsägliche Schwadronieren Sarrazins, sondern die Kritik daran durch Gabriel, der sich erlaubt hat, einen Satz dazu zu sagen.

Anstatt zu seinem Wort zu stehen, wofür ich ihn gern gelobt hätte, lässt sich der SPD-Chef von einer Hanswurstiade überrollen. Es sind solche Situationen, in denen man stehen kann und etwas bewegen oder sich beugen und niemandem im Weg sein wollen. Man ist Mann oder Maus. Wieder einmal scheint das, was bei Gabriel gelegentlich aussieht wie ein Rückgrat, doch bloß eine biegsame Fahnenstange zu sein. Niemand ist für nichts verantwortlich. Man kann über alles reden. Solange es in keinem “Zusammenhang” steht oder irgendwo links daneben.

Eine simple Idee, angesichts derer niedere Ressourcen in mir aktiviert werden und mir ein Grinsen abverlangen, das gar nicht so fies aussehen kann, wie es gemeint ist: Sich die ‘Identität’ eines Trolls zu eigen machen, um heikle Botschaften zu streuen, schlägt einige Fliegen mit einer Klappe. Trolling the Trolls, das gefällt mir. Bei so manchem Provokateur könnte das für Laune sorgen. Vielleicht loggt man sich ja mal bei demselben Provider ein, in der Gegend, aus der sein Müll kommt und dann mal all das tun, was man sich sonst aus guten Gründen verkneift.

Ganz allgemein kann ich ein solches Vorgehen natürlich nicht befürworten. Billige Rache, um einen armen Wirrschädel am Odem der behördlichen Hölle schnuppern zu lassen, ist weder angemessen noch vernünftig. In speziellen Einzelfällen aber vielleicht ein probates Mittel. Sportspammer und Großmäuler sind oft völlig rücksichtslos: Sie pfeifen darauf, dass ihr vermeintlich anonym hinterlassener Dung die Betreiber der von ihnen heimgesuchten Sites in arge Schwierigkeiten bringen kann. Womöglich finden sie sich noch echt großartig, wenn sie die Opfer und Gutmenschen in die Bredouille faseln. Der Schuss kann furchtbar nach hinten losgehen, weil mangelnde Umsicht sie selbst angreifbar macht. Da kannst du jetzt mal ne Viertelstunde drüber nachdenken, xyz@xyz.de.

Bei der Gelegenheit sei allen Überfliegern von Nutzungsbedingungen und Sorglosen, die sich auch unter den hoch geschätzten unter meinen Kommentatoren befinden noch einmal empfohlen: Seid nicht so fahrlässig beim Surfen! Ich sehe in meinen Statistiken – da kann ich noch soviel löschen – dass manche sich offenbar gar keinen Kopp machen. Löscht z.B. wenigstens sporadisch eure Cookies. Mancher, der seit Monaten nicht mehr hier kommentiert hat, wird trotzdem erkannt. Mir würde das stinken. Ein bisschen Kenntnis von NoScript, BetterPrivacy und dergleichen erhöht die Sicherheit, ohne dass es gleich unkomfortabel werden muss. Es reicht ja, wenn ein Blog gehackt wird, dann kann der Betreiber noch so nett sein, und eure Daten sind trotzdem ein Grund, schlecht zu schlafen. Mal ganz abgesehen davon, dass ihr sicher auch Leuten vertraut, die wirklich Übles im Schilde führen.

In den nächsten Tagen werden bundesweit Alarmknöpfe versandt, die die Bürger in ihr häusliches Internet einbauen sollen. Wenn Sie dieses Paket bekommen, mit der Aufschrift “Bundesministerium des Äußersten/Terrorabwehr”, öffnen Sie es mit einem handelsüblichen Brieföffner, nehmen Sie den Alarmknopf heraus und befestigen Sie diesen in Ihrem Internet. Sie können dazu beliebige Befestigungsmethoden zur Anwendung bringen: Kleben, Schrauben, Nageln, Dübeln oder Dranfummeln.

Sollten Sie dann einer Gefahr begegnen, drücken Sie den Alarmknopf und warten Sie, bis die Polizei erscheint. Gefahren können u.a. sein: Linksextremismus, Rechtsextermismus, Radikalismus, Islamismus, Terrorismus, Autonomie, Widerstand, Pornographie, Kinder, Anleitungen zur Beschaffung oder Verbreitung, Chemikalien, scheinbare Distanzierung, Kunstdünger und Gentrifizierung. Die Liste mit den Schlüsselgefahren wird unter BKA.de/Alarm täglich aktualisiert, bitte halten Sie sich auf dem laufenden.

Melden Sie mit!

Unter Meldung@BKA.de können Sie überdies melden, was Ihnen sonst noch auffällt. Natürlich können Sie auch in dem Fall, in dem Ihnen etwas nicht rechtens erscheint, merkwürdig, fremd, gefährlich oder abartig, den Alarmknopf drücken. Facebook-Nutzer werden um besondere Aufmerksamkeit gebeten. Versäumen Sie nicht die Gelegenheit, verbotene Feiern, in der Szene so genannte “Partys” zu melden. Drücken Sie dazu bitte den Alarmknopf mit mittelstarkem bis starkem Druck, um sicher zu gehen, dass Ihre Meldung abgeschickt wird.

Schwere Verstöße und Gefahren kennzeichnen Sie bitte deutlich auf Ihrem Bildschirm. Verwenden Sie dazu geeignete Hilfsmittel wie Fasermaler, Lack- oder Lippenstifte, um die Stellen festzuhalten, an denen die Rechtsverletzung stattgefunden hat. Betätigen Sie dann den Alarm und suchen Sie einen Raum auf, der von den Darstellungen der Internetverbrecher nicht erreicht werden kann, idealerweise einen voll ausgestatteten Schutzraum. Öffnen Sie niemandem. Verharren Sie dort, bis die Internetalarmbehörde über Lautsprecherwagen Entwarnung gibt. Weitere Informationen erhalten Sie unter Brüllmückenalarm@CDU.de.

“Rechtsradikal” nennt der Standard die Politik der sogenannten “Republikaner” in den USA, bei denen der Schwanz “Tea-Party” mit dem Hund wackelt, um den Staatsfinanzen den Gnadenschuss zu geben. Zurecht weist Eric Frey darauf hin, dass nur mehr ein “Nachtwächterstaat” übrig bleiben soll, wenn sich die manischen Verschlanker und paranoiden Steuersenker durchsetzen.

Die völlige Ignoranz gegenüber den Folgen nicht nur für die Ordnung, die man ja gewaltsam herstellen kann, sondern vor allem für die Menschen, ist stets der Begleiter der extremistischen Jünger der Aneignung. Der Kern ihrer Ideologie ist fürwahr rechtsextremistisch: Ihm ist jedes Mittel recht, er vertritt ohne jede Gnade die Interessen einer selbsternannten Elite, er ist militant und setzt auf uneingeschränkte Machtpolitik.

Die Auswüchse, die das derzeit in den USA nimmt, sind prototypisch für das Endstadium des Kapitalismus, der Neoliberalismus setzt auf die Konfrontation von Oberklasse und Staat, der am Ende abgeschafft werden soll. Die Opposition zur manischen Beschleunigung dieses Niedergangs ist Chicago-Boy Obama, welch eine Ironie.

Der totale Wettbewerb

Es ist banal. Worauf die scheinbare Debatte um Steuern und Schulden zuläuft, ist keine Grundsatzentscheidung und keine Weichenstellung. Es geht schon oberflächlich bloß um einen Termin, wobei es völlig müßig ist, ob der mit sogenannten “Wahlen” zu tun hat oder sonst einen Unsinn ergibt. Es geht ums Tempo. Der Zug fährt in Richtung “totaler Wettbewerb”.

Das Höchste der Gefühle von Solidarität ist das nationale, die Mittel sind alle recht, und selbstverständlich ist noch das Diskriminieren in Nationen, Schichten, Herkunft, Glaube oder was auch immer nur eine Zwischenstation. Das Motto ist “Jeder gegen jeden”, nichts anderes bedeutet “Wettbewerb”. Dass der “global” sei, suggeriert einen äußeren Gegner, ein weiterer Etikettenschwindel. Er ist universell angelegt. Erst der letzte Mensch auf Erden ist der wahre Sieger. Danach kann Frieden einkehren.

Was die FAZ Georg Paul Hefty anlässlich der arisch-christlichen Tat faseln lässt, zieht einem die Schuhe aus. Zuerst natürlich ist der Täter für ihn ein “Irrer” – das hätte ich gern einmal gelesen, wenn so getan wurde, als sei Terror muslimische Folklore. Täter aus dem Kulturkreis galten bis dato eher als Vollstrecker einer finsteren Rationalität des Bösen.

Dann wirft Hefty dem „Irren“ vor, dass der sich nicht selbst getötet hat. WTF? Weil der Schreiberling sich dann nicht weiterhin anhören muss, was er selbst verbreitet? Weil die Bösen ausradiert gehören? Nein, weil der arme Irre sonst unerträgliche Gewissensbisse hätte! Da ruft der empathische Journalist nach Do-it-yourself-Euthanasie.

Als nächstes wird die Ideologie entschuldigt, in deren Namen der Hass sich freien Lauf verschafft hat. Was hat “Mein Kampf” mit den Nazis zu tun, das ist doch nur ein Buch. Wohlwissend werden nur vermeintlich harmlose Quellen wiedergegeben, auch die FAZ verschweigt den Bezug auf Rechtspopulisten von Wilders bis Broder. Und selbst wenn die wirklich missbraucht worden wären, bliebe die Frage, warum sie denn zitiert wurden.

Wir waren’s nicht

Nicht das geringste Bemühen, nach Spuren zu suchen, die in einer Kultur und ihrer aktuellen Entwicklung liegen. Einer Kultur, die Hass befördert, sogenannte “Notwendigkeiten” oder Sachzwänge über die Würde der Menschen stellt und für die ganze Bevölkerungsgruppen als minderwertig gelten.
Und dann die Konklusion, die nicht fehlen darf, das krönende Stereotyp für den verblödeten Leser, die einfache Lösung, die schon vorher richtig war:

Eine wesentlich ausgebreitete Beobachtung des Internets, das offenbar zum Ankündigungs- und in gewisser Weise sogar zum Übungsfeld von zum Massenmord entschlossenen Wahnsinnigen geworden ist“, ist das gebot der Stunde.
Da kommt das, was ich schon gestern als Karikatur der sprichwörtlich reaktionären Reflexjournaille gezeichnet habe: Kinderpornographie und Massenmord als Krankheit, mit der man im Internet infiziert wird. Das meint dieser Hanswurst ernst.

Die anderen waren’s

Allein die windelweiche Floskel „in gewisser Weise“ deutet schon darauf hin, dass einer nicht so verstanden werden will wie er schwadroniert. Das wird halt irgendwie passend gemacht. Hinter dem schlechten Stil steckt aber mehr: Ein heillos dämliches Weltbild, das sich selbst durch Bomben nicht erschüttern lässt. „Es waren die anderen“, ist stets die Diagnose. Die Therapie ist dann deren Überwachung und Bestrafung. Was anders ist, muss weg. Und jetzt merke er bloß nicht auf, denn genau das ist die Welt des “Manifests”, das ganz zufällig am laufenden Band „konservative“ Quellen zitiert.

Ich ließe mich derzeit nicht mit der FAZ in der Öffentlichkeit blicken. Man würde sich einer zu großen Gefahr aussetzen, für einen Schwachkopf gehalten zu werden.

 
Das Böse ist unser uns. Es heißt “Terror”, seine Verursacher sind Ausländer und Internetnutzer, Killerspieler und Moslems. Die eben, die nicht zur christlichen Leitkultur gehören. Die in Moscheen gehen, von denen bärtige Hassprediger ihre unheimlichen Schreie schreien, anstatt dem Ruf der Glocken zur Sonntagsmesse zu folgen. Die im Dunkeln sitzen und mit dem Computer das Land kaputtmachen.

Für solche Unholde haben wir unsere Experten. Der Experte hat Bücher gelesen, dann eines geschrieben oder sogar mehrere. Darin legt er dar, warum welche so sind wie sie sind. Das folgert er daraus, dass sie tun, was sie tun. Passt das Schema, hat er recht, was sich so gehört, denn er ist ja Experte. Passt es nicht, hat er halt beim nächsten Mal wieder recht.

Dumm Doom 1984

qaedaAls gestern die Meldungen von Anschlägen in Oslo die Runde machten, erfuhren wir aus allen Rohren, was wir schon immer wussten – von Al Qaeda. Dabei hatte das Ziel des Ferienlagers die Vermutung nahegelegt, dass rechtsextreme Schwachköpfe dahinter stecken könnten. Ich habe diese Vermutung auch geäußert, soviel Besserwisserei sei erlaubt, um sie den Experten herzhaft in die Goschn zu schlagen. Vielleicht liege ich auch falsch, aber der tumbe Qaeda-Reflex ist “1984″ pur. Man hat das Gefühl, die mediale Öffentlichkeit freue sich nachgerade über jede Bestätigung ihres Feindbildes. Man wird jetzt hoffentlich wenigstens ein paar ‘Killerspiele’ bei den Tätern finden, die letzte Rettung fürs gepflegte Weltbild.

“Rechtsextrem” oder “christlich-fundamentalistisch” sind die aktuellen Diagnosen, die journalistischerseits angeboten werden. Ob das den “islamkritischen” Rassisten wenigstens ein bisschen wehtut? Wohl kaum. Eher wird es unter den Schmerzbefreiten eine Fraktion geben, die in dem stolzen Normannen einen Märtyrer sieht. Der hat es ihnen gezeigt, den Gutmenschen, und als nächstes sind die Kameltreiber dran. Für die anderen wird er ein Verwirrter sein, ein Irrer, der nicht weiß, was er tut. Als Westmensch nämlich ist er ein Individuum mit Eigenschaften, während die Araber eben der Pool des Bösen sind, der nur eine Eigenschaft hat: Den unbedingten Willen zum Terror.

Experten für fast alles

Zwischen diesen und den anderweitig Psychiatriereifen steht der gemeine Killerspieler, ein schmarotzender Maschinenmensch, der bei den Eltern im Keller haust und im Internet Pornos und das Abschlachten von Menschen genießt. Auch dafür gibt es Experten, die erklären, wie aus Mangel an Verboten und Kontrolle Pädophilie und Blutrausch entstehen. Das alles könnte verhindert werden, wenn Liberale, Linke und 68er nur den politischen Willen dazu hätten.

Wieder nicht im Mittelpunkt stehen wird die Frage, wie unsere Irren und all die Moslems an ihre Waffen kommen. Warum diese überhaupt kilotonnenweise produziert und verhökert werden. Wer daran verdient und wer dafür stirbt und ob das Ganze irgend ein System hat. Dafür haben wir nämlich keine Experten. Wer sollte die auch bezahlen?

 
crime21Was waren wir demokratisch! Eine öffentliche Debatte mit Unbefugten haben wir geführt, einen Stresstest angeordnet, der jeder abgesprochenen Mauschelei widerspricht. Wir haben völlig neue Mauschelregeln erfunden. Einen “Schlichter” gar hatten wir, der in Teilen der Schlichtung unparteiisch war. Was wollt ihr denn noch? Gerechtigkeit? Transparenz? Ehrlichkeit? Ihr glaubt wohl, Stuttgart sei jetzt ein politischer Ponyhof oder wie? Mitreden dürft ihr gern, das ist Demokratie. Von “Mitentscheiden” hat niemand gesprochen.

Natürlich hat Heiner Geißler recht, wenn er den Gegnern von Stuttgart-21 vorhält, sie seien völlig irrational. “Naiv” wäre zwar noch treffender gewesen, aber wer beim Milliarden-Kaschperletheater wirklich glaubt, das Krokodil kriegte auf die Mütze, wenn das Publikum nur laut genug schriee, dem ist doch nicht mehr zu helfen. Kollektives Verlassen des Zuschauerraums ändert dann auch nichts mehr am Verlauf der Geschichte. Ach, schon wieder geirrt: Ihr dachtet, ihr wäret mehr als Zuschauer? Schenkelklopfer!

Mehr als fair

Und dann sind da noch diese “Aufklärer”, die an die Macht der Rationalität glauben. Ihre Argumente seien besser, ihre Rechnungen realistischer, ihre Position unabhängiger und ihre Konzepte besser durchdacht. So? Und nu? Weisen sie einmal mehr darauf hin, dass die Bahn nicht nur mit gezinkten Karten spielt, sondern selbst längst erkannt und dokumentiert hat, dass ihre äußerst optimistischen Annahmen Luftnummern sind. Da schien der Sieg doch nur noch eine Frage des Termins.

Diese Gutgläubigen wird Geißler zuallererst gemeint haben, als er “irrational” sagte. Rationalität als Macht, das ehrliche Argument als entscheidendes Kriterium? Wo kommen die denn her? Das letzte Argument zählt. Und das ist nun einmal der “Stresstest”, der besagt, dass frühere Lügen und Widersprüche außer Kraft gesetzt sind. Es gelten ab sofort die neuen. Über die wird dann bald ganz demokratisch abgestimmt. Milliardenschwere Industrie, Medien und die parlamentarische Mehrheit gegen ein paar mündige Bürger. Das ist mehr an politischer Fairness, als man je verlangen konnte. Dass ein grüner Ministerpräsident das “Recht” durchzusetzen hat, das am Ende dabei herauskommt, ist ein unerhörter Glücksfall für alle. Nicht allzu oft sind den Verrätern von vorneherein und wirklich die Hände gebunden.

[update: Für Ponyreiter und Aufklärer gibt es hier ein Wiki. Und hier noch eins. Vielleicht kann jemand in den Kommentaren erklären, wieso es schon 2 gibt?]


 
Warum der explosive Anstieg und Verfall von Nahrungsmittelpreisen kein Naturphänomen ist. Weitere Informationen hier.

SpOn schafft es heute tatsächlich, einen Artikel über das Elend in Somalia zu publizieren, ohne die Entwicklungshilfe durch die deutsche Kriegsmarine zu erwähnen. Um ‘deutsche’ Schiffe unter Billigflagge gegen Piraten zu schützen, zahlen wir jährlich Millionen. Vor gut zwei Jahren habe ich im Zusammenhang mit einem Artikel in der “Zeit” einige Hintergründe erwähnt (Leseempfehlung), die hungernde Menschen zu “Piraten” machen. Vielleicht schickt die Bundesregierung wenigstens ein paar Fischkonserven aus dem Fang vor dem Horn von Afrika. Gegen gewisse Reformversprechen und ein Waffen-Abo vielleicht.

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