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November 2009


Das war sie jetzt also, die große Regierungserklärung, auf die wir Wochen warten mußten. Sabine Henkel stellte heute im WDR lapidar fest, die Kanzlerin sei halt “keine große Rednerin”. Wie charmant gesagt. Das kann sie also auch nicht.
Die öde Ansprache wurde dem entsprechend auch über weite Strecken von Schnarchgeräuschen begleitet. Nur an einer Stelle brach Jubel bei den Lobbyralen aus: Als sie sich dazu verstieg, den peinlichen Slogan “niedriger, einfacher und gerechter” herunter zu beten. Ja genau, die Phrase, mit der Guy d’Eau die Leute seit Jahren nervt, das verlogene Credo der besteuerten Besserverdiener.

Wie es schon allein “einfacher und gerechter” gehen soll, ist nur demjenigen zu vermitteln, der “Gerechtigkeit” als Begünstigung der Richtigen versteht. Der eine oder andere findet das überhaupt nicht witzig, “höher” statt “niedriger” zu erwischen und es ist ihm dann völlig wurscht, wie “einfach” das sein soll, er findet er es vermutlich nicht so “gerecht”. Damit das wiederum nicht in falschem Wahlverhalten endet, werden dann doch wieder hier Ausnahmen und da Subventionen verabreicht, womit wir dort sind, wo es von vornherein langhoppelt: Es ist einfach ungerecht.

“Niedriger”, dafür steht schon das Niveau der Argumente, wird natürlich die “Belastung” der Eigentümer und Vermögensbildner. Die Blaupause für diese neue soziale Gerechtigkeit bildet die hirnlose Kopfpauschale, die der Impfpimpf und Lobbysoldat Rösler in Stellung bringt. Er habe “nichts zu sagen”, erklärt die FTD, aber das war für die Ahnungslosen noch nie ein Grund zu schweigen. Beten dürfen sie eifrig, und so murmelt auch der supertalentierte Jungstar das Mantra derer, die ihn ausgewählt haben. Ganz “einfach” dürfen nach den Plänen seiner Befehlshaber die Bürger einkommensunabhängig zahlen, was sie nicht wollen oder können. Damit dann doch nicht die Kranken ihr unappetitliches Leben in den Straßen aushauchen, muß irgendwie gegenversteuert werden. Das ist schon dann mehr als kompliziert, wenn man nicht gleichzeitig Steuern senken und mehr davon ausgeben will.

Den Kitt für diesen volkswirtschaftlichen Alchimismus der Neoliberalen liefert die christliche Heilslehre der Tiefgläubigen aus der Union. Das Problem der Theodizee haben solche schon immer souverän kniefällig gelöst. Gott ist groß und gerecht. Sollte das einmal so gar nicht mit der Lebenswirklichkeit in Einklang zu bringen sein, haben wir es einfach nicht besser verdient. Weiterbeten, mehr vom Selben, dann wird alles gut. Wenn wir nur fest stehen im Glauben, gehören wir am jüngsten Tag alle zu den Besserverdienenden.

Die Mauer muß weg,

sagen sich auch die Palästinenser. Obwohl niemand die Absicht hatte, eine zu errichten und es sich um einen antiterroristischen Schutzwall handelt.

Kurz und peinlich für Sloterdijk

Replik und Resümee des geschätzten Kollegen Stephan Hebel.

Absurde Methode

noch immer in Mode. Geruchsproben, heute mit der Angst im Nacken.

Freud am Brandenburger Tor

Daß sie “Progrom” sagte statt Pogrom, mag ihrer Volksnähe geschuldet sein. Bildleser wissen es auch nicht besser. Daß die Kanzleuse aber in ihrer gefühlt vierstündigen Lobrede auf die “Freiheit” (der Tigerenten-Begriff für “Privateigentum”) selbige “das kotzbarste Gut” nannte, halte ich nicht für einen Zufall.

Eben flimmerte an meinem Halbschlaf ein empörter Wolfgang Thierse vorbei. Er echauffierte sich über “absurde Methoden der Stasi”, womit die Geruchsproben gemeint waren, die bei der Diensthundestaffel gesammelt worden waren. Unerhört, mit welchen Methoden diese Diktatur zu Werke ging.

Etwas anderes ist das natürlich, wenn eine demokratische deutsche Republik wie die BRD gegen gefährliche Verschwörer ermittelt. Dann ist das nämlich angemessen, denn
Wir haben es mit außerordentlich konspirativen Gruppen zu tun. Da müssen wir alle zur Verfügung stehenden legalen Ermittlungsmethoden nutzen.

Schon wieder einmal ist Lohnverzicht die grandiose Idee, um ein Unternehmen zu “retten”. Diesmal verzichten die Karstadt-Mitarbeiter, was an ihnen gespart wird, geht auf din Treuhandkonto und verschwindet, wenn ich es recht verstehe, bei erfolgreicher “Rettung” im Unternehmensvermögen.

Ich habe das noch nie so recht verstanden. Wenn eine Bank einen Kredit gibt, will sie Sicherheiten. Je höher das Risiko für sie ist, desto höher sind die Zinsen. Und wenn es sich lohnt, steigt die Bank auch gern bei Unternehmen ein.
Die Gläubiger wollen ihr Geld zurück haben. Ihre Forderungen werden so gut es eben geht befriedigt.
Verzichten die Arbeitnehmer aber auf Lohn, so wird ihnen das nicht als Einlage gutgeschrieben? Obwohl sie nichts anderes tun, als ihr Vermögen in den Betrieb zu investieren? Kann mir das jemand erklären?

Von einem bizarren Fall mutmaßlichen Schmierens berichtet die FR: Demnach soll die Jury des “Dokupreises der Gesellschaft für Technische Kommunikation“, der für besonders gelungene Gebrauchsanweisungen verliehen wird, ausgerechnet Pistolen von H&K ausgezeichnet haben, nachdem die Firma ganz zufällig nämliche Jury als Beratungsquelle entdeckt hatte. Tausendzweihundert Euro pro Tag brachte das einem der Juroren ein.

Haben sie das nötig? Muß man sich wirklich derart ins Gespräch bringen, wo doch weltweit die Geschosse der Marke in den Herzen und Köpfen der Menschen längst einen Platz gefunden haben? Natürlich reden wir hier nicht von Peanuts, sondern von Krümeln der Schale einer Erdnuß. Was aber ist so erstrebenswert an dem Preis? Und steht in der Anleitung auch, wie man sich zu verhalten hat, wenn man auf der Seite steht, der die Mündung zugewandt ist?

Mal wieder keine Idee. Im Fernsehen spielt Jan Josef Liefers wie immer Jan Josef Liefers. In einer Talkshow, die ich einmal gut fand. Inzwischen quakt dort eine gewisse Charlotte Roche ihr fürchterliches Quaken, grinst ihr gräßliches Grinsen und labert ihr fürchterliches Labern. Was Anne Will und nicht kann, was “ill Maibrit”, wie der Brite sagt, verbrät, ist nichts gegen diese talentfreie Inkarnation des Untergangs von Literatur und Kultur im hiesigen Lalaland. Da guck ich lieber meinen Zehennägeln beim Wachsen zu. Und weil die Welt das nicht besser verdient hat, poste ich heute auch sinnfrei, ein Geschwätz von vorgestern, das ich in meiner Rumpelkammer fand:

Der Kreter, der angeblich gesagt haben soll: „Alle Kreter lügen“, hat der Welt nicht etwa ein Paradoxon hinterlassen, sondern eine Lüge. Abgesehen davon, daß, hätte er wirklich diesen Spruch getan, das Problem mit einer simplen Fallunterscheidung gelöst wäre (er hätte dann eben gelogen), hat der Kreter dies so nie behauptet.

Er meinte vielmehr, und damit hatte er zweifellos Recht: „Alle Schweizer lügen“. Das gilt nicht nur für gewisse Banker, sondern sogar für Paola und Kurt Felix oder DJ Bobo, obwohl diese mangels Verstand kaum etwas hervorzuwürgen wissen, dem man einen Wahrheitswert zuordnen könnte. Gelingt es ihnen aber einmal, lügen sie. Immer.

So ist natürlich auch die Geschichte vom Wilhelm Tell erlogen. Der einfältige Friedrich Schiller, von Fischliebhabern seiner Locken wegen auch zärtlich „von“ Schiller genannt, ist den perfiden Alpensäcken natürlich auf den Leim gegangen und hat den ganzen Mist aufgeschrieben. Wie hieß der Sohn des Tell? Niemand weiß es, es ist auch völlig unwichtig, weil schon der Name „Tell“ aus alter Tradition erlogen sein dürfte. „Tell“ heißt schließlich im Englischen auch „Erzählen“, was ja schon so viel sagt wie „Wer’s glaubt, wird selig“. Neuere geomorphologische Studien haben ergeben, daß wahrscheinlich sogar der Teil der Alpen, in dem die Lochkäsefresser wohnen, eine Fake ist. Und dann diese angeblichen “Städte” Bern, Luzern, Zürich? Was soll das sein? Erstunken und erlogen, billig wie Bergisch-Bielefeld.

Doch zurück zum Tell: Der Vater, also Wilhelm, war tatsächlich einer, der es nicht ertragen konnte, daß ein gewisser Geßler Landvogt war, weil er einen Hut auf einen Stock hängen konnte. Ein Kunststück, das der Rest der gestutzten Bande eben nicht beherrschte. Also wollte der Tell auch ein tolles Kunststück zeigen, nämlich seinem Sohn einen Apfel von der Birne schießen. Unglücklicherweise traf er denselben zufällig genau in der Mitte, als sein Filius, nicht sonderlich klug, weil eben Schweizer, gerade hineinbiß. Der Pfeil sauste darob durch Apfel und Birne, trat hinterkopfs wieder aus und hinterließ einen qiuetschvergnügten Tell Junior.

Das Schauspiel wurde damals beobachtet von einem Badenser Braumeister, der schon aus Vorsicht und Erfahrung nicht glaubte, was er sah. Immerhin inspirierte ihn das dazu, ein Getränk durch Destillation herzustellen, das ähnliche Schmerzfreiheit hinterläßt (jedenfalls vorläufig) wie der Pfeil des Tell sen. beim Tell jun.. Daher heißt das Zeug auch „Apfel- und Birnenschnaps“. Es hat nie einen Apfel oder eine Birne gesehen. Es dient einzig dazu, sich selbst oder mißliebige Gäste wegzubeamen. Schaltet den Schmerz, den Spalt, den Gast ab. Alles andere auch. Sofort.

Ich muß an dieser Stelle spontan eingeschlafen sein oder sonstwie autoimmun reagiert haben. Einiges deutet darauf hin, daß ich rund um das hermetisch abgeriegelte Areal meines Denkschwamms, dem dieser Nonsens entsprang, die Schädelfliesen mit Ätznatron zu schrubben begonnen habe. Bis heute blitzblank, die Ecke. Ich kann mich nicht erinnern, wann warum und in welcher Absicht ich zu dieser rüden Grätsche gegen mögliche Leser angesetzt habe. Was soll’s, irgendwer sollte wegen irgendwas bluten. Jetzt trifft es halt Blogleser. So ist das nun mal in der Gratisküche, liebe Agenturkunden: Hier wird gelesen, was auf die Tafel kommt. Wenn ihr euch auch partout den Qualitätsjounalismus aus der Oberstadt nicht leisten wollt.

Der Standort muß gesichert werden. Ausnahmsweise einmal nicht der “Standort Deutschland”, sondern der Fußballstandort Spanien. Die spanische Regierung hat ein aberwitziges Gesetz gekippt, das eigens für David Beckham eingeführt wurde und von dem seit 2004 die Multimillionäre der Primera Division profitieren. Nur 24% Steuern zahlte demnach ein ausländischer Spitzenverdiener in Spanien, der “nur kurzfristig” dort wohnt.

Dieses wunderbare Beispiel der Begünstigung von Superreichen und Konzernen, in diesem Falle Spieler und Clubs, ist ein Fanal der krankhaften Standort-Argumentation, mit der jede noch so wahnhafte Begünstigung Wohlhabender begründet wird. Es geht dabei nie um einen wirtschaftlichen Aspekt, der noch annähernd rational wäre, es ist ein an Dummheit nicht zu überbietendes Totschlagargument. Daß jetzt spanische Clubs mit einem “Streik” drohen, ist ein weiteres Symptom aus dem Weltbild jener Irren, die das “Privateigentum” zum Götzen machen. Dabei kommen alle Begriffe, alle sozialen Errungenschaften, alle Kategorien unter die Räder, die politisches Denken noch erlauben würden. Diese Ideologie stiehlt den Menschen die Sprache, die Logik und die Würde.

Selbstverständlich geht das einher mit der postmodernen Form von panem et circenses, die dem Volk höchstens das Notwendigste an Brot noch zuerkennt und sie mit aberwitzigen Spielen bei der Stange hält. Die völlig Verblendeten betteln womöglich noch um den Schimmel auf ihrem Brot, auf das man ihnen bloß ihre Trugbilder lasse. Hier wählen sie die FDP und begeben sich in die Knechtschaft des Lohnverzichts, in Spanien werden sie womöglich auf die Straße gehen, um ihren kickenden Sonderschülern deren wohlverdiente Millionen zu sichern.

Es ist Zeit für einen Generalstreik. Banker deutscher Länder, Anleger der Welt, hört die Signale! Wenn ihr die Völker schon nicht abwählen könnt, droht ihnen mit dem Entzug ihrer Lebensgrundlage, schickt sie ohne Essen ins Bett! Schlimmer noch: Ohne Essen und Fernsehen!

Was regen sie sich jetz auf, dabei haben sie es sich nicht nur selbst zuzuschreiben, sondern es ist wohl auch einfach besser so.
Die “deutsche” Lösung mit einem Österreicher an der Spitze, der einen Pakt mit dem Russen schließt, ist nicht immer die beste Idee, auch wenn man dabei scheinbar zunächst Land gewinnt. Ich habe nie verstanden, warum ausgerechnet eine Kooperation mit einem russischen Konglomerat aus einer Vertrau-mir Bank und einem steinzeitlichen Autobauer das große Los sein sollte.

GM mag planlos gewirtschaftet und Opel mit herabgezogen haben. Man stelle sich aber einmal vor, der Konzern hätte Qualität nach Art von “Gaz” hergestellt. Wenn zu befürchten war, daß Fiat als Interessent einen Konkurrenten ausschalten wollte, dann war es so gut wie sicher, daß Gazopel eine Totgeburt gewesen wäre. Das kam in den Medien nie so recht zur Sprache, denn es war ja Wahlkampf und die großen Experten von zu Guttenberg über Steinbrück, Rüttgers und Merkel haben Opel “gerettet”. Ein paar lose Milliarden von der Resterampe für einige Jahre Opelproduktion in Deutschland – wem hilft das?

Wir haben schon so lange die Patentlösung für alles: Gewerkschaften und Betriebsräte essen kleine Brötchen, Steuergelder werden einer Dinosaurier-Industrie nachgeworfen und schon sind wir wieder Exportweltmeister. Das ist so nachhaltig wie die Weltbetriebswirtschaft der Ideenlehre von Hans-Werner Sinn. Gut, wenn es anders kommt.

Ob es Opel in fünf oder zehn Jahren noch geben wird, weiß niemand, und scheinbar will das auch niemand wissen. Immerhin sind jetzt die bösen Amis schuld, und weil das so ist, kehrt Vernunft ein in Form der finalen Idiotie: Jetzt wollen wir nicht mehr, das ist mit uns nicht zu machen. Was gestern als richtig galt, ist heute perdu: Kein Entgegegenkommen von Arbeitnehmerseite, keine Steuergelder. Gut, daß es tatsächlich schon gestern kompletter Unsinn war und noch besser, wenn es jetzt nicht stattfindet.

Die Entgegenkommer von der Funktionärsfront buckelnder Betriebsräte haben noch immer nicht kapiert, daß der Lohnverzicht von heute den Lohnverlust von morgen bedeutet. Die Retter der ministeriellen Medienfüller hat noch nie interessiert, daß ihre Rettungsversuche schon immer schief gegangen sind. Solange sie “retten”, tanken sie Jubel, und wenn der Sprit dann verpulvert ist, glaubt der blöde Michel, sie hätten es doch ganz dolle versucht. Loser, so weit das Auge sieht, und alle feiern sich.

Jetzt ist der Ärger groß, wieso eigentlich? Alle haben gewonnen, wenn ein Autokonzern weniger überflüssiges Blech zusammen nietet, und wenn er doch überlebt, war er besser als vermutet. Manchmal kann Marktwirtschaft sogar für etwas gut sein.
Daß die Politkasperles sich erregen, weil das böse Krokodil schlauer war als sie, ist verständlich. Alle Beteiligten stehen nun da als Versager und machtlose Staffage für ein Spiel, daß sie so gern selbst erfunden hätten, von dem sie aber nicht die geringste Ahnung haben. Das sollte eigentlich niemand wissen, darum muß jetzt umso lauter gedröhnt werden, daß die anderen “menschenverachtend”, grausam und brutal sind. Derzeit kommen sie nicht einmal bei den Mainstream-Medien mit dieser Show durch. Es wäre schön, wenn das so bliebe und sich nicht am Ende doch wieder die übliche nationale Front bildet, die ihre Inkompetenz durch Schuldzuweisungen kaschiert.

Die Hoffnung ist groß, denn es sind ja keine Araber, keine faulen Arbeitslosen oder linken Spinner, die den Plan durchkreuzen, sondern knallharte Kapitalisten aus dem Land der großen Ehre, die ironischerweise den größten Schwachsinn verhindern. Nach dem großen Geschrei, das die Neoliberalalas mit nationalistischem Einschlag heute angestimmt haben, bin ich gespannt, wie sie das ihren Wählern erklären werden. Die üblichen Formeln für Verblödete sind in diesem Fall verballert. Womöglich kommt sogar zaghaft die Frage auf, wie die Schlagworte “Export”, “Nation” und “Weltmeister” noch unter einen Sombrero passen sollen. So schlank macht nicht einmal schwarzrotgold Gestreift.

Ich weiß, ich wirke leicht gereizt in diesen Tagen. Vermutlich liegt das an der Jahreszeit. Heute zum Beispiel hätte ich gern mein Radio mit den Auto überfahren. Blöd nur, daß das Teil im Innenraum der Karre steckt.
Ich fasse einmal die zwanzig “Nachrichten”-Sendungen zusammen, die ich heute gehört habe, nein, ich zitiere sie einfach vollständig:
Seit Konrad Adenauer, seit über fünfzig Jahren wurde Angela Merkel die Ehre zuteil, die Ehre, die große Ehre und zuteil, daß sie seit über fünfzig Jahren und damit seit Konrad Adenauer die erste deutsche ist, der die Ehre zuteil wurde, vor beiden Häusern des US-Kongresses die Ehre zu haben, nach über fünfzig Jahren und damit Konrad Adenauer zu sprechen.

Heute Abend dann die Erlösung, ich lese nur einen Artikel kurz an, den in der TAZ:
Zu Beginn ihrer Rede bedankte sich Merkel für die große Ehre, vor dem versammelten Kapitol sprechen zu dürfen. Sie erinnerte an Konrad Adenauer, der vor mehr als 50 Jahren, im Mai 1957, vor dem US-Kongress gesprochen hatte – allerdings nacheinander in beiden Häusern.”
Potztausend, wer hätte das gedacht?

Wen interessiert da schon, was Merkel sagt, warum und wem sie es sagt? Als sei sie Gott selbst begegnet, wird eine öde Rede vor Halbhirnen gefeiert, die noch jeden Krieg abgenickt und zuletzt ein furchtbares Regime gestützt haben. Daß sie dort überhaupt sprechen darf, gilt als unerhörte “Ehre”. Das nenne ich “Demokratie”, wenn eine Großmacht alle paar Dekaden ihrem Vasallen zuhört. Gejubelt haben sie gar für ein bißchen Klima-Blabla, wissen sie doch, daß Angela viel ankündigt, nichts durchsetzt und mit Klimaschutz “mehr AKWs” meint.
Genug damit über diese Nullveranstaltung, die “Symbolpolitik” zu nennen schon zu hoch gegriffen wäre.

Erfreuliches gab es allerdings auch zu lesen. Ein wenig nervig als Klickstrecke aufgebaut, lohnt es sich dennoch, einen Blick in den Überblick zu werfen, den Markus Sievers für die FR und über die Lobbypolitik der neuen Bundesregierung gibt. Die Reihe schamloser Begünstigungen von Klienten und Parteienförderern ist beeindruckend.

Sarina Pfauth schließlich traut sich, seine Peinlichkeit den Guy d’Eau als den Schleimer vorzuführen und gar zu bezeichnen, der er halt ist. Hut ab, wir hoffen, der Kopf bleibt dran, denn leider fällt man beim Establishment ja so leicht auf mit einer Meinung. Da ist doch jetzt ein Anruf aus dem Auswärtigen Amt fällig. Oder wenigstens aus der widerwärtigen Parteizentrale.

Vor einem Jahr stand die hessische SPD zwischen einem Minister Jürgen Walter und dem hinterhältigsten “Gewissen” der deutschen Parlamentsgeschichte.
Bis zum 24.10.2008 hatte Walter, der schon die Koalitionsverhandlungen maßgeblich geführt hatte, um sein Ressort gefeilscht. Er wollte Minister für Wirtschaft und Verkehr werden, um seine Ideen oder die der ihm nahestehenden Lobbyisten umzusetzen. Da ihm aber eine solche Machtfülle nicht geboten wurde, sprang er eine Woche vor der Wahl der Ministerpräsidentin ab und entdeckte gemeinsam mit zwei weiteren Heckenschützen kurz darauf sein “Gewissen”.

Ich schrieb dazu einen Tag vor der Wahl im Parlament:

Wenn Jürgen Walter Karriere macht, dann als Büchsenspanner unter seinesgleichen. Und er macht alles richtig: Die hessische Koalition ist schon desavouiert, ganz gleich, ob sie zustande kommt oder nicht. Der Agenda-Fraktion liefert er genau das Chaos, das dem Versuch einer Linken Mehrheit angedichtet werden soll. Die zugeschaltete Presse wartet nur darauf, Ypsilanti das anzukreiden, was die SPD vollends ruiniert hat: Die Intrigen einer potitischen Machtelite, die keinen Wert auf die Meinung der Basis und der Bürger legt. Steinmeier und Münterfering ist es gelungen, ganz im Sinne Schröders zu verhindern, daß in der SPD noch jemand halbwegs sozialdemokratische Politik macht. Ihre Mietmaulwürfe sitzen überall und haben Narrenfreiheit.

Und ganz selbstverständlich haben die Medien in Presse, Funk und Demoskopie diesen Verrat nicht nur Andrea Ypsilanti angekreidet, sondern sie nach allen Regeln der Kunst niedergemacht. Noch heute dürften die meisten Deutschen Ypsilanti mit “Wortbruch” und Beck mit “muß weg” assoziieren. Der neoliberale Demoskop und Zahlendemagoge Güllner hat noch nach der Bundestagswahl ernsthaft Beck und Ypsilanti für die Niederlage verantwortlich gemacht und wird nach wie vor fleißig von willfährigen Abschreibern zitiert.

Für die allermeisten Leser ist das nichts Neues, warum also der eitle Verweis auf mein Geschwätz von gestern?
Ganz einfach: Weil die Fakten in Vergessenheit geraten und die Propaganda bleibt. An die Slogans erinnern sich noch alle, von den Hintergünden will niemand etwas wissen, und ich bezweifle auch, daß dieses Schmierentheater von der neuen Parteiführung aufgearbeitet wird. Dabei ist es noch lange nicht Geschichte, sondern wirksame Gegenwart.

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