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2008


Der Nobelpreisträger für Wirtschaft, Paul Krugman, pflegt nach wie vor die deutlichen Worte und nennt die Deutsche Regierung, namentlich Peer Steinbrück, “dumm”. Die faden Worthülsen des Finanzminis begründen wie immer alles und nichts, er und seine Kanzlerin schwafeln von “Augenmaß”, anstatt auch nur den Ansatz einer Strategie zur Lösung eines überwältigenden Problems zu erarbeiten. Sie haben keine Ahnung, betreiben weiterhin Lobbypolitik und zeichnen sich aus durch roboterhaftes Laborieren nach “Schema F”. Weil sie der Lage intellektuell nicht im entferntesten gewachsen sind, schotten sie sich gegen die Realität ab. Das geht so weit, daß sie sich weder mit der EU noch mit den USA oder sonstwem in der Welt koordinieren. Der Begriff “Vogel-Strauß-Politik” findet in diesen Tagen eine Manifestation in mythischen Dimensionen.
Die Folgen dieser irgendwie-weiter-so-Mentalität erläutert weissgarnix sehr anschaulich, der die Krise des Kapitalismus recht nüchtern analysiert, durchaus mit dem Blick für die Dramatik der Situation. Er legt dar, daß eine “Überakkumulation” zum Zusammenbruch der “Investitionsnachfrage” führt und bringt dies auf die Formel:
Geld wäre zwar da, aber wohin damit?
Ich erlaube mir, dies brachial zu vereinfachen:
Es ist kein Geld vorhanden, das zu Konsum führt. Es liegt Geld in unfaßbarer Menge herum, das darauf wartet, vermehrt zu werden. Es bestehen Gewinnansprüche bei den Besitzern dieses Geldes, die nicht mehr befriedigt werden können, weil es keine Märkte mehr gibt, die entsprechende Gewinne erwirtschaften könnten. Darauf zu setzen, daß dennoch igrendwie irgendwo solche Märkte wieder entstehen, um dem Exportweltmeister wieder seine fabulösen Produkte abzukaufen, ist purer Irrsinn. Stattdessen muß die Verteilung der Mittel in Richtung der Konsumenten stattfinden, und zwar in einem unerhörten Umfang.
weissgarnix formuliert es so:
Die Bundesregierung, wenn sie auch nur einen Funken Verstand besitzt, nutzt die aktuelle Zäsur für einen “Einstieg zum Ausstieg” aus der Nachkriegs-Architektur der deutschen Wirtschaft, und pumpt ihre Mittel primär in die Expansion des deutschen Binnenmarkts. Dort müssen Beschäftigungs- und Einkommensmöglichkeiten geschaffen werden! Das ist nicht nur effizienter, es ist vor allem auch verteilungsgerechter. Und ermöglicht zudem in Sachen Sozialpolitik gänzlich neue, realistische Perspektiven, die aus dem Blickwinkel unseres aktuellen Systems als “utopisch” abgetan werden müßten“.
Angesichts der Dilettanten, die sich hinter der freundlichen Formulierung “Die Bundesregierung” verbergen, ist dieser Gedanke selbst utopisch. Der Geist von Hans-Werner Sinn ist das Gespenst, das in der noch stärksten Wirtschaftsmacht in Europa umgeht, ein Gespenst, vor dem man wahrlich Angst haben muß.
Wenn es um die Mittel geht, die da in den Binnenmarkt gepumpt werden müßten, kommt man an Spar Steinbrück nicht vorbei. Das könte sogar gut sein, denn wenn er zitternd den Staatsbankrott herausbeschwört, ist er zwar immer noch anhnungslos, behält damit aber eine durchaus reale Gefahr im Auge. Woher soll der Staat das Geld nehmen, das er für den notwendigen Umbruch benötigt? Sinnigerweise von dort, wo es herumliegt und damit die Gefahr des Zusammenbruchs birgt. Wie groß soll der Notstand werden, bis man endlich die FDP ernstnimmt und begreift, daß Steuern eine Form der Enteignung sind? Und was muß passieren, damit man diejenigen enteignet, die reichlich profitiert haben und inzwischen sprichwörtlich auf ihrem Geld sitzen (bleiben)?
Eine Erbschafts-und Vermögenssteuer, die so brutal ist, wie das schon immer von den Besserverdienenden an die Wand gemalt wird, tut not. Die Mittel zur Abwendung der Katastrophe sind da, es ist an der Zeit, daß der Staat sie sich holt. Das erbärmliche Gejammer der Betroffenen wird man aushalten, nicht zuletzt, weil deren Wohlstand und nacktes Leben damit zuallererst gesichert würde.
Das sei utopisch? Na klar. Aber wenn schon, denn schon.

Thomas Öchsner berichtet für Sueddeutsche.de über den Umgang mit Praktikanten im Parlamentsviertel. Die Bigotterie in der Diskussion um die Bezahlung von Praktikanten könnte alberner nicht sein. Während die Minister von einem “besseren Schutz für Praktikanten” fabulieren, wirft Volker Wissing (FDP) ihnen beinahe zurecht vor, daß Praktikanten in den Ministerien bislang nicht bezahlt werden. Derselbe hat zum Thema eine weitere Meinung. Er gibt zu Protokoll,
“dass er in seinem Abgeordnetenbüro nur Praktikanten honoriere, die ihm ‘einen Mehrwert bringen’ “.
Die Abgeordnetenentschädigung hält monatlich 13360 Euro für die Bezahlung der Mitarbeiter vor. Davon kann man sich natürlich keinen bezahlten Praktikanten leisten, der keinen Mehrwert generiert.
Der Wirtschaftsstandort Spreebogen darf nicht gefährdet werden, sonst wandern die Minister und Abgeordneten ruckzuck nach Rumänien aus, das leuchtet ein. Man könnte nun einwenden, daß Praktikanten auch Menschen sind, die von etwas leben wollten und auch gern das Gefühl hätten, ihre Arbeit sei etwas mehr wert als ihr Mehrwert. Aber Hand aufs Herz: Wer glaubt auch nur im Traum daran, die politische “Elite” würde je Leute beschäftigen, die das Geld zum Leben nötig hätten? Alles in Butter auf dem Spreebogenkutter!

Nun ist es raus, was nicht anders zu erwarten war. Das BVerfG hat die Regelung der Pendlerpauschale gekippt. Die Politik nach Gutsherrenart, die diese Bundesregierung betreibt, rennt immer wieder vor denselben Aktenschrank. Sie sehen sich als Macher und Sparer im Dienste dessen, was sie und ihr favorisiertes Klientel gerade für das Richtige halten. Dabei kommt ihnen nicht in den Sinn, daß sie als Gesetzesschmiede zu einem Höchstmaß an Verantwortung und Weitsicht verpflichtet sind. Die Wurtschtelei hat Kalkül, ihnen ist die Verfassung genauso wurscht wie die essenziellen Interessen der Bürger. So wie Wallenstein seine Strategie von seinem Astrologen hat beeinflussen lassen, ist der politischen “Elite” das Orakeln der Wirtschaftslobbyisten der Maßstab. Nicht nur, daß sie keine Idee davon haben, was ihre Politik für das Volk bedeutet, sie setzen sich permanent und penetrant über die Regeln hinweg, deren Hüter und Bewahrer sie zu sein hätten.
Zum Hintergrund der Pendlerpauschale bleiben die Medien wie so oft an der Oberfläche und kritisieren im Trüben.
Für die “ZEIT” schreibt Katharina Schuler:
Darüber hinaus stellt sich grundsätzlich die Frage, weshalb der Staat dafür aufkommen soll, wo jemand sich niederlässt. Auch die Karlsruher Richter anerkennen in ihrer Urteilsbegründung, dass Fahrtkosten nur zum Teil beruflich bedingt sind.
Dieses Argument von der Stange hat nichts mit der Wirklichkeit der Angestellten zu tun. Abenteuerlich ist im Jahr 2008 die Vorstellung, jemand habe einen gut dotierten sicheren Job in einer Stadt und ließe sich dann im Grünen nieder, um seinen doppelten Vorteil daraus zu ziehen. Dies berücksichtigt nicht die Tatsache, daß es auch den umgekehrten Fall gibt und suggeriert, die Menschen würden eher ihren Wohnort wechseln als die Arbeitsstätte. Daß sie vielmehr in aller Regel dazu gezwungen sind, irgendwo eine Beschäftigung anzutreten, die alles andere als sicher ist, ignoriert solches “Denken”. Es hat verinnerlicht, was der Neoliberalismus den Menschen aufzwingt, als sei dies das Interesse der Betroffenen selbst. Im Gegenteil: Der Mensch braucht und will ein Zuhause. Er ist kein Nomade, der Steuern sparen will, sondern ein Flüchtling, der nicht bleiben darf, wenn er anständig leben will.
Für SpOn erläutert Dietmat Hipp:
Dafür lässt sich laut Gericht die Faustformel verwenden: Je geringer die Entfernung zum Arbeitsplatz, um so eher sind die Kosten für den Weg als “unausweichlich beruflich bedingter Aufwand zu werten”. Was aber auch umgekehrt heißt: Je weiter die Wege, desto eher ist das Privatvergnügen.
Dahinter steckt die eigentliche schallende Ohrfeige für Steinbrücks Geniestreich: Das Abkassieren gerade bei denen, die garantiert nichts davon haben, wo sie wohnen, offenbart, daß es nur darum ging, bei allen und so viel wie möglich zu kassieren. Es trifft gerade diejenigen, die in Wohnortnähe arbeiten und niedrige Einkommen haben. Denen wurde bis heute auch das als “Einkommen” besteuert, was sie aufwenden müssen, um zur Arbeit zu fahren.
Die dumme Diskussion um eine “Subvention” der Doppelsparer ist das eigentliche Problem der öffentlichen Meinung: Die Kosten fürs Wohnen und Arbeiten. Was will der Bürger ohne Lobby? Ein Dach über dem Kopf, einen vollen Kühlschrank und ein Leben mit möglichst wenig Zwang und Angst. Wenn man verhindern will, daß die Steuerzahler sich ihren Luxus vom Staat finanzieren lassen, muß man zusehen, daß man das Nötigste dazu per Gesetz leistet. Die Möglichkeit, sich niederzulassen und dabei halbwegs angstfrei zu leben, sich eine Arbeit zu suchen, von der man leben und die man akzeptieren kann, bedarf der Förderung. Es geht um Geben und Nehmen. Wenn Politik nicht dafür sorgt, daß den Menschen das Wichtigste gegeben wird, kann sie sich nicht obendrein erdreisten, ihnen etwas zu nehmen.
Es geht nicht um “Privatvergnügen”, nicht um Luxus. Leider kennen die hohen Damen und Herren offenbar nicht mehr die Welt, in der es um die schlichte Existenz geht. Es ist zum Gotterbarmen einmal mehr einem “Sozialdemokraten” vorbehalten, an seiner Ignoranz zu scheitern. Er kennt keine Regeln, keine Vernunft und vor allem nicht mehr das Leben der anderen, irgendwo da unten.

Es ist aberwitzig, wie die öffentliche Meinung inzwischen bestellt wird. Nachdem in allen Massenmedien völlig unkritisch das Gerücht verbreitet wurde, die Landtagsfraktion der Hessen-SPD habe unter Beweiszwang gestanden hinsichtlich ihrer Loyalität bei der Wahl von Ypsilanti, wird jetzt von Seiten der Medien zurückgerudert. Die illegitim herrschende Landesregierung und die ihr anhängenden Parteien nutzen den Pseudo-Skandal weidlich aus, um Böller in den Ruinen der SPD zu zünden, deren Echo wiederum massenmedial zu Bombendröhnen verstärkt wird. Der angebliche Druck, per Handyfoto das Wahlverhalten zu dokumentieren, wird von den Abweichlern, deren Verhalten damit in den vergangenen Tagen erklärt werden sollte, schlicht geleugnet. Das ist ihnen immerhin zugute zu halten. Es handelte sich wahrscheinlich um einen zynischen Scherz, der da erschütternd unverantwortlich vom Kuhjournalismus zum Skandal erhoben wurde. Daß hinter solchen Witzen eine sehr reale Paranoia hervorlugt, die einige verunsicherte Abgeordnete ergriffen hat, nimmt nicht wunder. Es ändert nichts: Der neoliberale Lobbyismus, dem sich die SPD-Rechte im Gleichschritt mit der Journaille verschrieben hat, ist symptomatisch nicht nur für den desaströsen Zustand der SPD, sondern für den Zustand der politischen Kultur im Westen.

Worauf das hinausläuft, zeigen die Unruhen in Griechenland, dessen korruptes Regime sich weder um ein marodes Sozialsystem schert, noch um die Ausbeutung der oft hoch gebildeten Berufseinsteiger. Wenn von tausenden “Autonomen” die Rede ist, hat das zwar mit der merkwürdigen Tradition von Protesten in Griechenland zu tun, es erklärt aber nicht im Mindesten, wie so plötzlich und massiv eine Spirale der Gewalt in Gang gesetzt werden konnte. Die Abgehobenheit der “Eliten” in Europa, ihr Desinteresse für den Frust ihrer Bürger und die Schönschreiberei der begleitenden “vierten Gewalt“, die zur fünften Kolonne der Interessenpolitik degeneriert ist, rächt sich. Was sollen die Bürger tun, wenn niemand mehr sie sieht und hört? Depression ist bislang die Standardreaktion. Einige finden sich nicht ab und erregen Aufmerksamkeit. Das ihnen einzig verbleibende Mittel ist Gewalt. Es ist richtig, daß sie nur auf einen Vorwand gewartet haben, um zuzuschlagen. Es ist absehbar, daß einige nicht einmal mehr auf einen solchen warten werden.

Huschhusch zu weißgarnix!

Und das geht so:
Der Regierungschef der deutschen Bundesrepublik heißt “Kanzlerin”. Sie regiert wie ein erfolgreicher Präsident: Merkel läßt die anderen machen, sagt ab und an salbungsvolle Worte, auf die sich jeder nach Gusto seinen Reim machen kann und tut – nichts. Um Merkels “Image” macht die Sueddeutsche sich daher Gedanken, nicht etwa um die Frage, ob man von ihr etwas anderes erwarten dürfe.

Helmut Schmidt darf sich also bestätigt fühlen, wenn er im Interview mit der FAZ fehlende “Führungskraft” bemäkelt. Dies und die Tatsache, daß in Deutschland das Verhältniswahlrecht gilt, macht er unter anderem für das Aufkommen der Linkspartei verantwortlich. Es ist ja nicht neu, daß sich Schmidt selbt für den einzig wahren und allergrößten Kanzler aller Zeiten hält, aber seine Sicht dieser Dinge ist doch so kapriziös, daß man ihm nicht ganz folgen will. Hat er vielleicht seinen Hut in den Ring geworfen und will’s noch einmal wissen?
Weniger undifferenziert und erfreulich deutlich sind übrigens seine Äußerungen zu militärischer Gewalt im Allgemeinen und der Kosovo-Krise im Besonderen – ebenfalls im nämlichen Interview.

SPD-Fraktionsguru “Peitsche” Struck hat weniger Schmerzen, wenn es um “Kampfeinsätze” geht, ums schnöde Töten und Sterben. Legal, illegal, scheißegal werden jetzt “Piraten gejagt”. Er macht sich nicht einmal mehr die Mühe, einen Verteidigungszweck zu heucheln, ihm reicht es als Begründung aus, “deutsche Reeder” “schützen” zu wollen:
Es kann nicht sein, dass wir tatenlos zusehen, wie Schiffe gekapert werden und Lösegeld erpresst wird für Geiseln und auch für die Ladung.
Eben, dann muß Krieg geführt werden. Zur Verteidigung der Grenzen der Bundesrepublik, welche gelegentlich mit denen der Geduld deutscher Reeder identisch sind. Die erfolgversprechendsten Mittel gegen Schiffsentführungen sind übrigens passiver Natur. Es gibt Mittel, die es verhindern, daß Piraten an Bord eines Schiffes gelangen oder daß sie sich an Bord noch bewegen können. Diese werden allerdings nicht auf Kosten des Steuerzahlers installiert.
Das Motto “Kein Blut für Öl” hat eine ganz neue Aktualität gewonnen.

Und wo wir gerade bei Struck sind: Er weiß wohl, wem er und seine Seeheim-gesegneten und Agenda-approbierten Koaldemokraten ihre Posten zu verdanken haben. Sicher nicht den sozialdemokratischen Wählern, sondern den Seilschaften der oberen Mitte, die durch die CDU derzeit am besten vertreten werden. Deshalb will er eine Fortführung der “großen” Koalition. Regieren will er, nicht gewinnen oder gewählt werden. Daher fördert er nach Kräften die Verstümmelung der SPD zur Ersatz-FDP. Unerhört peinlich, daß der nervige Polit-Bot Pofalla sogar recht hat, wenn er feixt, daß es sich bei Strucks Anbiederung um eine “Kapitulation” handelt.

Wer das schon für trostlos hält, dem sei die Lichtgestalt der neuen Spezialdemokratie wärmstens ans Herz gelegt: Der Thorsten, der Schäfer, der Gümbel. Es ist zwar, auch das kennen wir, glatt gelogen, wenn SpOn behauptet, er bitte “um Verzeihung”, aber sein erbärmlicher Kniefall vor der vielverkauften Wortbruch-Mythologie ist um nichts besser. Ein echtes Dilemma ist die Frage, was man mehr verachten soll: Die Hanswurstigkeit des Gümbel oder die unappetitlich autoerotische Beziehung des “Spiegel” zu seinem eigenen Kampagnenjournalismus.

Die ruhige Hand regiert. Das Platzen der Ideologieblase “Neoliberalismus” ist traumatisch, Lethargie das Symptom. Die Therapeuten, selbst ratlos, weil sie die Phase der blinden Euphorie einer kranken Wirtschaftspolitik für pure Gesundheit gehalten haben, moderieren schwerfällig die erste Aufarbeitung der Krise. “Das ist gut, daß Sie etwas tun”, sprechen sie dem Patienten zu, dunkel ahnend, daß sie ihm nicht helfen können.
Die Lethargie des Patienten ist nur das erste Symptom und Heilung nicht in Sicht, weil weder der Kranke noch die Therapeuten annähernd die Ressourcen haben, um Hoffnung gedeihen zu lassen. Der Patient kennt nur die Strategien, die er von seinen Ratgebern übernommen hat. Die Ratgeber selbst haben weder die volle Einsicht in ihr Versagen, noch eine Idee, wie sie ihren Strategiewechsel einem Klienten nahebringen sollen, dessen Ich-Schwäche eklatant ist. Der Patient hat nie selbst gehandelt, sich in die totale Abhängigkeit von seinen Ratgebern begeben und ein völlig eindimensionales Handeln entwickelt.
Daß die politischen Handlanger einer neoliberalen Ideologie ratlos sind, ist verständlich. Daß den gescheiterten Theoretikern immerhin dämmert, daß sie falsch lagen, wäre beinahe löblich. Wenn sie in diesen Zeiten dennoch glauben, sie seien qualifiziert, mit ihrer Behandlung fortzufahren, anstatt endlich abzutreten, zementieren sie die Hoffnungslosigkeit.
Daß dieselben Kostensenkungsapostel und Profitanbeter, die maßgeblich die Krise heraufbeschworen haben, jetzt als Besserwisser in Sachen Konsumförderung auftreten, ist eine geradezu tragische Anmaßung. Wer wirklich Rat sucht, fragt nicht mehr den, der sich als ahnunglos, verbohrt und unverantwortlich erwiesen hat. Dabei reicht es nicht, den dümmsten der Dummen von der Liste der Experten zu streichen, es ist vielmehr an der Zeit, diejenigen um Hilfe zu bitten, die man nie gefragt hat und von denen man eine ehrliche Meinung erwarten kann. Die selbsternannten “Weisen” gehören definitv nicht dazu.

Noch einmal sei daran erinnert, was der dümmste der Dummen noch Anfang 2007 von sich gab:

Konsum ist schädlich für das wirtschaftliche Wachstum und unnötig für die Konjunktur. Der derzeitige Boom der deutschen Wirtschaft ist der beste Beweis dafür, dass es für eine gute Konjunktur auf eine sofortige Erhöhung der Konsumgüternachfrage gar nicht ankommt.

Da helfen keine Pillen.

“ist Deutsch”, will die CDU ins Grundgesetz schreiben. Damit wäre die furchtbare Bedrohung abgewendet, daß Gazprom das Grundgesetz kauft und wir alle russisch beten müssen. Dieser Vorschlag ist so dämlich, daß er dringend von einigen ähnlichen Ideen flankiert werden muß, damit sich ein Kommentar lohnt:
“Der Deutsche als Deutscher ist Mensch im Sinne des Artikels 1″.
“Auch für Nichtdeutsche ist Deutsch die Sprache der Bundesrepublik”.
“Die Sprache des Deutschen Volkes ist Deutsch”.
“Gegen jeden, der es unternimmt, die deutsche Sprache (Deutsch) zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist”.
“Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg in deutscher Sprache (Deutsch) offen”.
“Wer die Freiheit der Meinungsäußerung durch den Gebrauch nicht deutscher Sprache (Deutsch), insbesondere die Pressefreiheit (Artikel 5 Absatz 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5 Absatz 3), die Versammlungsfreiheit (Artikel 8), die Vereinigungsfreiheit (Artikel 9), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10), das Eigentum (Artikel 14) oder das Asylrecht (Artikel 16a) zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt diese Grundrechte. Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen.”
“Das Briefgeheimnis in deutscher Sprache (Deutsch) sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.”
“Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort und Schrift frei und in deutscher Sprache (Deutsch) zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten”.

So war’s doch gemeint, oder?

Mein Blog laboriert in diesen Tagen an Schreibzurückhaltung meinerseits, die folgerichtig zu Lesezurückhaltung führt. Ich gehe aktuell auf dem Zahnfleisch, bin desolat, mein Privateben führt mich an den Rand einer Depression, aber ich halte, so gut es eben geht, dagegen.
Heute wieder nur Kurzes, eine Leseempfehlung und eine interessante Frage:

Die FAZ befaßt sich mit dem bevorstehnden CDU-Parteitag und weist unter anderem auf das Problem der Blockflöten hin, ganz im Trend der Zeit. Schäuble wird im verlinkten Artikel zitiert mit einem Satz, der antiker Dialektik alle Ehre machte:
Zunächst ist es gut, dass die Kanzlerin nicht den Eindruck erweckt, alle Auswirkungen überblicken zu können“.
Wenn er das so meint, wie er es sagt, ist ihm da ein echtes Highlight gelungen.

Die TAZ fragt,
wie eine Handvoll Terroristen ein derartiges Blutbad anrichten konnte“.
Mir stellt sich da die Frage nach den Motiven von Gewalttätern, der Reaktion in den Medien und dem Kalkül im Umgang mit Gewalt und der Angst vor ihr. Was sich in Bombay zugetragen hat, trägt viele Züge eines Amoklaufs. Was unterscheidet einen solchen von “Terror”? Die Motive der Täter und Prävention durch Einwirken auf die Motive sind selten ernsthaft Gegenstand der Debatte. Wir kennen nur äußerst unterschiedliche “Strategien” gegen Gewalt, gemeinhin Einschränkung von Freiheiten. Gegen “Terror” soll Überwachung helfen, gegen “Amokläufe” das Verbot von “Killerspielen”. Wie kommt man aber den Ursachen von Gewalt auf die Spur, anstatt das Symptom mit unwirksamen Mitteln zu bekämpfen?
Ich lasse die Frage offen, für mehr reicht es heute nicht.

Was finanziert der sogenannte “Rettungsfonds” eigentlich? Er sollte ein Instrument sein, das Banken ermöglicht, sich gegenseiitig wieder Geld zu leihen, da das Risiko einer Pleite und damit des Verlusts verliehenen Geldes durch staatliche Bürgschaften (und Kredite) verringert wird. Nun war die Commerzbank eine der ersten, die Mittel aus dem Fonds in Anspruch nahm. Danach hat sie nichts Besseres zu tun, als die Dresdner Bank zu kaufen. Man kann darüber schon deshalb dem Kopf schütteln, weil man sich fragt, ob die Steuermittel dazu gedacht waren, Banken zum Shoppen zu schicken. Dem mag dann entgegengehalten werden, die Fusion nütze den Banken und mache sie zukunftssicher, was wiederum die staatlichen Mittel vor Verlust schützen würde. Das Gegenteil ist aber der Fall, die Übernahme der Dresdner ist riskant, und niemand weiß so recht, wie riskant. Das Management der Commerzbank hat also den Schneid, seine Geschäfte durch Steuermittel absichern zu lassen und sogleich wieder Kopf und Kragen zu riskieren:

Ist es nicht ziemlich riskant, ausgerechnet im beginnenden Konjunkturabschwung zwei auf Deutschland konzentrierte Mittelstandsfinanzierer zu fusionieren?

Doch. Bevor die Commerzbank den Antrag auf Staatsgeld gestellt hatte, war die Übernahme der Dresdner Bank in meinen Augen sogar existenzbedrohend. Und zwar nicht nur, weil in den nächsten Jahren die Zahl der Kreditausfälle steigen wird, sondern auch, weil immer noch nicht klar ist, welche Risiken noch in den Büchern der Dresdner Bank schlummern. [...]

Wäre es dann nicht besser gewesen, die Übernahme abzublasen?

Dank der Milliarden aus dem Sonderfonds der Bundesregierung kann die Commerzbank viel gelassener agieren. Mit diesem Geld kann sie die Allianz ja auch gleich ausbezahlen. Und aus Sicht der Allgemeinheit ist es doch wünschenswert, dass durch die Fusion ein neuer Marktführer auf dem deutschen Markt entsteht.”

Dieter Hein (“fairesearch”) hält es für überzeugend, daß ein “Marktführer” entsteht. Das ist was ganz doll Großes und Wichtiges, also Gutes. Ich persönlich habe als Allgemeinheit hingegen nicht das geringste Interesse an einem Marktführer, auf dessen tönerne Füße Lasten gepackt werden, die ich nachher abtragen darf, wenn es schiefgeht. Hein sagt es ganz ungeniert: Existenzbedrohend ist diese Fusion, weil niemand glaubt, daß die beteiligten Banken aus eigener Kraft aus den roten Zahlen kommen. Ein Marktführer am Rande des Zusammenbruchs, gestützt durch Staat und Steuermittel. Und wenn der Laden in fünfzehn Jahren dann doch wieder Gewinne abwirft, was dann? Gibt es dann auf Kosten der neuen Commerzbank eine Steuerbefreiung für die edlen Bürgen, die Bürger?
Ihr habt ja recht: Wovon träume ich nachts?

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