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Dezember 2007


 

Die klassische Frauenzeitschrift etwa sei ein reines Wohnzimmersofa-Medium, “bei dem es auf das haptische Moment des Blätterns” ankomme,

zitiert die Sueddeutsche einen “Kilian Müller”. Wie kommen die Qualitätsjournalisten bloß immer an solche Experten? Auf dem Sofa entblättern? Haptisch? Weiber? Sowas gibt es im Internet natürlich nicht. Jedenfalls fühlt sich der Mann in mir einmal mehr bestätigt: Frauen kann man nicht verstehen, aber prima begreifen.

Heute Morgen war ich wieder müde wie ein halbtot Gefolteter. Dennoch schleppte ich mich ins Bad, um mein von jahrzehntelangem Martyrium durch Rauchen und Saufen gezeichnet Gesicht so gut wie möglich zu ignorieren, um eine Depression zu vermeiden. Es hat schon genug grauenhafte Selbstmorde gegeben, da muß ich nicht auch noch unvorstellbar verstümmelt in der Diele herumliegen. Nach einem Frühstück, das nur die Hunger-Agonie hineintreibt, setze ich mich also in mein Auto, um mich in den täglichen Verkehrsholocaust zu begeben. Zum Völkermord entschlossene Piledriver überall, die mir beinahe die Laune verderben, versuchen sich gegenseitig auszuradieren. Wenn sie könnten, würden sie die ganze Welt in den Schlund ihres Terrors ziehen, aber ihr gnadenloser Hass reicht heute nur dafür, den Blinker nicht zu setzen und ein paar km/h zu schnell zu fahren.
Womit wir schon lange beim Thema sind:
Einen “Vernichtungskrieg” gegen die deutschen Autobauer wirft Michel Glos der EU vor. Damit hat er wieder einmal bewiesen, daß er sich in Sachen Doof von niemandem übertrumpfen läßt. Zwar sind die Pläne der EU-Kommission schon bemerkenswert hirntaub, aber mit seinem rhetorisch souveränen Griff ins Klo stellt der Michel sie locker in den Schatten.
Und die deutsche Autoindustrie? Die kann sich bedanken, daß ihre Modellpalette nicht die Würdigung erhält, die sie verdient. Mit einem vernünftigen Vorschlag zur CO²-Reduzierung hätte sie nämlich dieselben Probleme – und kein Argument mehr dagegen. Wie schon vor der Einführung des Katalysators reagieren sie nur, anstatt sich rechtzeitig umzuorientieren. Wie wäre es, einmal mit gutem Beispiel voranzugehen? Undeutsch vermutlich.

Im April 2006 erschien bei SpOn ein Artikel mit dem Titel “Steinbrück gegen Mindestlohn“. Heute schreiben sie: “Steinbrück fordert gleichen Mindestlohn für alle“. Der erste Artikel wurde damals unkritisch vom deutschen Qualitätsjournalismus zitiert, so von der RP, der “Welt”, der Berliner Morgenpost, dem Tagesspiegel und anderen.
Tatsächlich hat Steinbrück im Hamburger Abendblatt gesagt:
Ich kann mir einen bundeseinheitlichen gesetzlichen Mindestlohn bei den völlig unterschiedlichen Produktivitätsverhältnissen von einzelnen Branchen und auch bei unterschiedlichen Lebenshaltungskosten etwa in Stralsund und München nur schwer vorstellen. Aber die Tarifpartner könnten da was tun“. Diese Haltung deckt sich weitgehend mit dem Bericht des “Spiegel”, weicht aber insofern ab, als daß Steinbrück keinen “Konfrontationskurs” zu den Genossen fuhr, sondern sich in Sichtweite zür Hintertür positionierte. Er war klar dagegen, ließ aber durchblicken, daß er sich einer Übermacht nicht in den Weg stellt.
Jetzt geht ausgerechnet dieses Knetgummimännchen hin und trommelt für den Mindestlohn. Es ist ja zu begrüßen, daß die SPD sich inzwischen einige Positionen gönnt und diese auch vertritt. Aber es ist nicht eben überzeugend, einen Parteisoldaten vorzuschicken, der auch seine eigene Hinrichtung anpreisen würde wie Sauerbier, bloß, weil er an seinen Parteipöstchen hängt.
Achja, der Qualitätsjournalismus scheint sich übrigens nicht zu erinnern. Die Frage nach dem Grund von Steinbrücks Sinneswandel suche ich jedenfalls vergeblich.

In einem Interview mit der rheinland-pfälzischen Arbeitsministerin Malu Dreyer zum Mindestlohn versucht die FAZ, alle dazu bekannten Klischees in Anschlag zu bringen, aber sie werden souverän abgewehrt. So kommt sogar die FAZ zur der Überschrift: “Es gibt kaum Hinweise auf negative Beschäftigungseffekte“.
Zu demselben Ergebnis kam schon im Jahr 2004 eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Mindestlohn in Großbritannien:
Es gibt keine Hinweise auf eine nachhaltige negative Beeinträchtigung des Beschäftigungsniveaus. Die Anhebungen des NMW hatten nur geringe Auswirkungen auf das generelle Lohnniveau des Landes. Der NMW hat sich als effektiveres Mittel der Umverteilung erwiesen als einige Kritiker vorhergesehen haben.” und
Insgesamt war der NMW [Mindestlohn] eine der größten Leistungen der gegenwärtigen Regierung. Er hat einen effektiven Lohnsockel geschaffen, die Einkommen der am niedrigsten bezahlten Beschäftigten angehoben und einen Konsens zwischen Wirtschaft und Gewerkschaften darüber hergestellt, dass die Festlegung eines Mindestlohns legitim ist“.
Großbritannien gilt wahrlich nicht als die Heimat des romantischen Sozialismus’, vielmehr hatten sogar viele in der Labour-Party anfangs große Befürchtungen, insbesondere im Hinblick auf die Beschäftigungslage. Aber dort hat sich, wie es hier auch sein wird, gezeigt: Es macht Sinn, nicht zwanghaft mit Niedrigstlohnländern zu konkurrieren. In vielen Sektoren wie dem Handwerk und der Gastronomie spielt internationale Konkurrenz ohnehin kaum eine Rolle, und die Effekte des Mindestlohnes sind durchweg positiv. Die Auswirkungen auf den Binnenmarkt sind nur zu erahnen, aber ich kenne niemanden, der die Wirkung höherer Löhne in diesem Kontext für schädlich hält.
Es spricht vieles für den allgemeinen Mindestlohn: Größere Kaufkraft, weniger Lohnsubvention durch HartzIV, zufriedenere Arbeitnehmer, mehr Geld für Frauen und Familien und vor allem die Möglichkeit, von seinem Job zu leben. Diese ist vielen heute nicht gegeben.
Was angeblich dagegen spricht, sind meist schlechte Argumente, vor allem dieses:
Es seien Arbeitsplätze gefährdet.
Das ist in den meisten Branchen nicht der Fall, weil die Arbeit halt gemacht werden muß. Hier sinken die Margen, und die Leistung wird teurer. Beides ist verkraftbar. In Produktionsbetrieben, die im internationalen Wettbewerb stehen, mag die Gefahr bestehen, daß es im Ausland billiger ist. Wie sich aber längst zeigt, sind die Risiken solcher Verlagerungen und ebenso die Kollateralkosten oft zu hoch. Für chinesiches Spielzeug ist jeder Cent zu viel investiert. Hier ist es an der Zeit, noch mehr auf Qualität zu setzen. Höhere Preise sind für Deutschland der bessere Weg, und wer sich einmal die Preisunterschiede diverser Produkte anschaut, sieht, daß es beinahe in allen Zweigen unterschiedliche Preiskategorien gibt. Billig können wir eben nicht, na und?
Der Zug ist in Bewegung, und diejenigen, die ihn partout verpassen wollen, machen einen großen Fehler. Sollte sich nämlich endlich ein Trend hin zu anständiger Bezahlung und höherer Qualität (von Produkten und Service) durchsetzen, entsteht eine Dynamik, die die Billigheimer abhängen könnte. Wer nicht den billigsten Ramsch kaufen muß und sich ungern von unmotiviertem Personal anranzen läßt, geht woanders hin. Das ist die Perspektive, die der Mindestlohn bietet. Höhere Preise und kleinere Margen ermöglichen eine andere Kultur des Marktes. Das gefällt allerdings denen überhaupt nicht, die möglichst hohe Margen anpeilen. Sie sind die letzten, die nicht wahrhaben wollen, daß “die Festlegung eines Mindestlohns legitim ist“. Sie beschreien die totale Verelendung Deutschlands und machen den Leuten weis, es ginge uns am besten, wenn es ihren Auftraggebern gut geht. Diese Lüge glaubt ihnen aber bald niemand mehr.

Inspiration… liegt es am Alter? Ich kann mich immerhin noch erinnern, daß ich einmal voller Inspiration war und nichts draus gemacht habe – sei es, daß ich sie nicht filtern konnte, sei es, daß ich zu faul war. Das hat dazu geführt, daß es ziemlich viele Talente gibt, die ich verschlissen habe. Ich kann von allem ein bißchen und nichts wirklich gut. Es gibt Tage, da denke ich, Jimi H. lebt in mir weiter, an anderen Tagen verfluche ich mich, weil ich bis heute nicht anständig Gitarre spiele. Ich bin in diversen Sportarten gut unterwegs gewesen, ohne je auch nur in die Nähe der Hoffnung auf Perfektion gekommen zu sein. Eine zeitlang habe ich nicht schlecht Pool gespielt, inzwischen behandle ich das Queue, als sei es ein Baseballschläger. Ähnliches gilt für die Darts. Eine 180, sonst nichts. Ich habe keine Geduld für dieses Spiel, rege mich auf und treffe dann keinen Möbelwagen mehr.
Ich habe Bücher geschrieben, die mir alle nicht gefallen. Schreiben kann ich. Aber Dramaturgie, Tempo, das Feilen an Charakteren lassen mich immer wieder zweifeln, ob ich mehr bin als ein weinerlicher Dilettant, der sich nicht entscheiden kann, ob er ehrgeizig sein soll oder sich bei einem Bier zuviel als verkanntes Genie feiern, das halt keine Zeit hat für seine große Kunst.
Dann sind da diese Tage, wenn es auch noch grau, kalt und madig ist, an denen ich mich an der ganz großen Horrorkante hochziehe: Wie habe ich nur diesen oder jenen Artikel zustande gebracht, wie kommt man nur auf Ideen? Sicher degeneriere ich zum dauernörgelnden Begleiter eines widerwärtigen Kulturzustandes. Ein frühseniler Grantel, der mangels Eingebung auf Wrackteilen surft und nicht untergeht, weil die See ihn zu unappetitlich findet. Ja, das gefällt mir.

Es ist, als ob das letzte Gefecht anstünde. Der Untergang der PIN-Group soll noch einmal gestoppt werden, begleitet von dem wohlbekannten Krach, den “Unternehmer” einer gewissen Losigkeit im Umgang mit Human Ressources immer schlagen, wenn es um ihre Geschäfte geht. In den blechernen Klang tatsächlicher und nur vorgetäuschter Katastrophen stimmt auch wieder die Garde der F.D.P. ein, hier besonders erwähnenswert das krächzende Falsetto des Guido Westerwelle: Mindestlöhne und DDR, das sei ein und dasselbe, “nur ohne Mauer”.
Ja, so wird es sein: Wenn wir Mindestlöhne einführen, kehren Stacheldraht und Schießbefahl zurück, Stasi und Staatsrat, Planwirtschaft und Unterwerfung. Genau wie in den anderen 18 europäischen Staaten, in denen Mindestlöhne gelten. Solche Worte findet die Prominenz der politischen Wirtschaftselite als Reaktion auf ein Phänomen, das sie offenbar für schützenswert hält: Ausbeutung. PIN versucht alles, um gegen geltendes Recht weiter Hungerlöhne zu zahlen: Die Gründung einer “Gewerkschaft” von ihren Gnaden, damit die Gesellschaft mit sich selbst Tarifverträge abschließen kann. Den Mißbrauch eines gigantischen Medienkonzerns, der seine Lügen aus durchsichtigen Motiven unters Volk streut. Derart die Mißachtung geltender Gesetze und nicht zuletzt die Pflege einer menschenverachtenden Ideologie.
Die neuste Wende, die noch gar keine Beachtung findet, setzt dem Ganzen aber die Krone der Unverschämtheit auf: Günter Thiel, Vorstandsvorsitzender der PIN Group, will den Laden übernehmen, und zwar für “einen symbolischen Kaufpreis“. Das könnte Schule machen und wäre eine erstklassige Beschäftigung für Manager, die ebenso skrupellos wie unfähig sind. Die PIN-Group ist hoch verschuldet, es ist die Rede von Insolvenz. Der Mann, der völlig unabhängig von Mindestlöhnen, die ja nie bezahlt wurden, seine Gesellschaft in den Abgrund geführt hat, will jetzt genau davon profitieren. Was soll man sich auch die Mühe machen, eine Firma anständig zu führen, wenn man von systematischem Gemurkse viel mehr hat? Noch einmal im Klartext: Da wird ein Unternehmen gegründet, das dann aufgrund von schweren Fehlern des Managements in die Krise trudelt. Der Verantwortliche, der damit viel Geld verdient hat, kauft das Unternehmen zu einem Spottpreis, nachdem er selbst dafür gesorgt hat, daß es nichts mehr wert ist. Womöglich bettelt er noch um Subventionen, völlig selbstlos natürlich, denn es geht ja um “Arbeitsplätze”. Um solche Arbeitsplätze, die der Steuerzahler ohnehin subventioniert, da viele der Mitarbeiter zusätzlich von Sozialleistungen abhängig sind.
Damit das alles nicht auffällt, rührt man die ganz große Trommel der bösen “Mindestlöhne” und findet bei den üblichen Verdächtigen Mitstreiter, die das sanktionieren und ihre Wähler nach Strich und Faden belügen.
Die einzigen, denen allmählich ein Licht aufgeht in der Koalition der Hirnlosen, sitzen ausgerechnet im Springer-Konzern. Die Sache wird nun auch Springer-Chef Mathias Döpfner zu bunt, der Thiels Geld gern nimmt, aber nicht, um sich veralbern zu lassen:
Der hierfür angemessene Weg” sei aber nicht die Übernahme, sondern “allein die Erhöhung des gezeichneten Gesellschaftskapitals“. Wäre ich auf diesem Schiff gewesen, ich hätte mich schon lange nach einem Rettungsboot umgeschaut. Nicht so Westerwelle und seine Komparsen. Sie setzten wie immer darauf, daß man ihre Inkompetenz für höhere Logik hält.
Vom Lebensalltag der ausgebeuteten Mitarbeiter spricht derweil noch niemand.

Anfangs hatte ich vor, ein Blog im Wortsinne zu führen, in vor allem satirischer Absicht, womöglich, nennen wir es despektierlich “kulturkritisch”. Ein Tagebuch im Netz, in dem ich das Tagesgeschehen kommentiere. Nun ist dieses erstrangig politisch, jedenfalls in meiner Denke. Ganz folgerichtig hat es sich zu einem “politischen” Blog entwickelt – mehr als die Hälfte der Beiträge firmieren unter dieser Rubrik, und der Rest hat auch meist mit Politik zu tun. Nicht zuletzt weil das so ist, stellt sich die Frage, wo der Sinn liegt.
Will man Erfolg im Sinne hoher Besucherzahlen haben, ist die Idee, politische Gedanken in einem Blog zu äußern und sich dabei noch differenziert zu äußern (bei aller persönlichen Färbung), ganz schlecht. Noch interessiert das kaum jemanden in diesem Land. Das liegt keineswegs daran, daß Blogs nicht informativ wären. Ich wage zu behaupten, daß mein Archiv einen besseren Überblick über das politische Geschehen in Deutschland seit Ende 2005 bietet als manche Zeitung. Ich bin der Überzeugung, daß es einfach noch nicht so weit ist, damit mehr Menschen zu erreichen. Immerhin einige tausend echte Leser tun sich das hier jeden Monat an, aber verglichen mit den Großen ist das ein Karnickelschiß.
Was tun? Das Streben nach Bedeutung der besagten Art bietet viele Wege, die gemeinhin bekannt sind: Die Zeit, die man zum Kommentieren anderer Blogs hat, auf die großen konzentrieren, dort möglichst auffallen und immer einen Link hinterlassen. In eigenen Artikeln verlinken, bis der Notarzt kommt, so macht man auf sich aufmerksam, und viele werden sich zu Dank verpflichtet fühlen. Dementsprechend gehört auch nicht auf die Blogroll, was man selbst liest, sondern wo man ankommen will. Das geht immer, aber einem politischen Blog wird es nicht viel Glaubwürdigkeit bescheren.
Was sehr gut geht, ist der Bezug auf Themen, die mit dem Netz selbst zu tun haben. Nichts ist erfolgreicher, nichts interessiert die Gemeinde mehr als der Bezug auf sie selbst. Vor allem auf Webangebote zwonull, die riesigen Zulauf haben, konzentrieren – das bringt Klicks en masse. Wenn man Glück hat, sogar Leser. Mein gefragtester Artikel ist nicht zufällig der über SchülerVZ. Mir ist mehr als recht, daß er häufig gelesen und gar von der FAS/FAZ werlinkt wird, aber mit meinem Blog hat er eigentlich recht wenig zu tun. Mein Blogpreis “Feynsinn Underdog” hat deutlich mehr Kommentare als alle früheren, es geht darin halt um Blogs. Auch nicht wirklich mein Thema.
“Politische” Blogs werden darüberhinaus besonders gut gelesen, wenn sie völlig starr eine Linie verfolgen, ein eingefahrenes Klientel bedienen und dabei möglichst radikal daherkommen. Es gibt Ausnahmen, den “Spiegelfechter” etwa, den ich persönlich für überschätzt halte, der aber trotzdem ein verdammt guter Auftritt ist. Aber selbst der wird noch von rechtsradikalen Schmierfinken an “Polularität” übertroffen. Dort trifft sich ein losgelassener Mob, der in keiner Kneipe derart auftrumpfen würde.
Meine Konsequenz aus all dem? Keine. So ist halt das Netz, und wie in allen Medien sind die meist vorn, die das Medium selbst bedienen, anstatt es sich nutzbar zu machen. Ein politisches Blog ist für mich aber Politik pur, die Gesamtheit der erntzunehmenden Blogs sind die Polis oder der Ort der res publica. Hier findet das statt, was “Politik” jenseits verkrusteter Strukturen ausmacht. Hier kann sich jeder äußern, und zwar auf dem Niveau, das er für angemessen hält.

Ich hatte die Pläne zum Mißbrauchsgesetz, so unsinnig sie auch sind, bislang nicht weiter beachtet, weil ich dachte, es handele sich dabei um eine Diskussion, die ohnehin im Sande verliefe. Wenn aber die juristischen Hasardeure um Frau Zypries und die CDU-Paranoiker ernst machen mit ihrer Umsetzung der schon hanebüchenen EU-Vorlage, dann wird es spannend. Zugespitzt formuliert, wird in Zukunft jede sexuell anmutende Handlung Jugendlicher strafbar. Das ist die Quintessenz eines Gesetzes, das von verkalkten weltfremden Moralaposteln gemacht wurde, um in eine Lebenswelt hineinzuregieren, von der sie vermutlich noch nie eine Ahnung hatten. Was Orwells “Jugendliga gegen Sexualität” in 1984, sind die Jünger Zypries’ im Jahr 2007. Das Abscheuliche an diesem wie an den meisten anderen Gesetzen, die Freiheit nicht nur beschränken, sondern ihre Nutzung unter Strafe stellen, ist, daß es jederzeit jeden treffen kann. Man kann sich nicht mehr richtig verhalten, wenn man sich überhaupt verhält. Jeder Kuß, das Outfit, Fotos, eine Einladung ins Kino, ein Geschenk, kann unter Umständen als strafbar betrachtet werden.
Lächerlich die Beschwichtigungen, das sei ja so nicht gemeint. Ein Gesetz ist nicht dazu da, nur in Ausnahmen angewendet zu werden, die es selbst nicht definiert. Ein Gesetz hat die Regel zu definieren, die allzeit Anwendung findet. De facto wird also ein Gesetz beschlossen, das Millionen Menschen zu Kriminellen stempelt, die gestern noch gesetzestreue Bürger waren.
Ich nehme das zwiegespalten zur Kenntnis. Einerseits ist ein weiterer juritischer Baustein eingefügt worden, der einer Diktatur alle Ehre macht, andererseits betrifft das eine Gruppe, der ich noch zutraue, etwas dagegen zu tun: Es ist die klare Aufforderung zu einer Jugendrevolte.

Er weiß wie es geht, und deshalb wird er von den Granden des ehemals alten Europa hofiert. Der Mann hat Öl. Der Mann ist nicht gegen uns. Der Mann weiß, wie man Menschen schindet und auch noch Erfolg damit hat. Ein Winnertyp. Mit solchen Leuten macht man gern Geschäfte. Wie war das noch mit den Menschenrechten? Richtig, darüber kann man nicht jeden Tag quatschen, es gibt ja auch noch andere Themen. Zum Beispiel Atomkraft: Einen klitzekleinen Reaktor wünscht sich der liebe Muammar zum Geburtstag seiner ehemals todgeweihten Geiseln. Das ist natürlich kein Problem, denn er gehört jetzt zu den Guten. Wenn er verspricht, keine Flugzeuge und Discos mehr zu sprengen und auch beim Ölpreis nicht geizt, darf er wieder mitspielen. Dann kriegt er sogar eigene Flugzeuge, das ist pädagogisch wertvoll, denn was einem selbst gehört, macht man nicht so schnell kaputt. Vielleicht erkennt er ja sogar bald das Existenzrecht Israels an, dann kriegt er noch ein paar schicke Düsenjets frei Haus und vielleicht ein paar von den netten bunten Streubomben, die kann er dann auf die Sahelneger schmeißen, damit sie nicht überall herumlaufen und am Ende den Weg nach Europa finden.
So ein befreundeter Hurensohn ist wirklich Gold wert. Wenn er sich nicht eines Tages doch wieder anders überlegt.

Angela Merkel hat in bezug die Situation in Simbabwe gesagt:
Wir dürfen nicht wegschauen, wenn Menschenrechte mit Füßen getreten werden“.
Ihr Innenminister hat in bezug auf die Situation in Deutschland gesagt:
Diejenigen, die sagen, Guantanamo ist nicht die richtige Lösung, müssen bereit sein, darüber nachzudenken, was die bessere Lösung ist. Denn allein mit der Kritik ist kein Problem gelöst“.
Daraus kann man im Grunde nur schließen: Wir dürfen nicht wegschauen, wenn Menschenrechte mit Füßen getreten werden – wir müssen mittreten. Menschenrechtsverletzungen interessieren uns schon nur sehr am Rand, wenn es um China geht oder um Rußland. Wenn im Auftrag der US-Regierung die CIA oder privat angeheuerte Truppen Menschen schänden, kann das einen guten Grund haben. So etwas darf nicht kritisiert werden, wenn man keine bessere Lösung hat.
Wenn man nun unterstellt, Merkels Attacke gegen Mugabe sei kein souveräner Zynismus, sondern ernst gemeint, kommt man zu einem anderen Schluß: Im Orwelljahr 2007 ist nicht nur Überwachung wieder en vogue, sondern auch die Erkenntnis, daß einige gleicher sind als andere. Was erlaubt sich der Neger? Was gibt ihm das Recht? Ist er relevanter Handelspartner? Hat sein Land strategische Bedeutung? Nein. Dann muß er kritisiert werden, und zwar aufs Schärfste!
Wie sieht das nun aus mit den Menschenrechten? Sie müssen geachtet werden, und zwar zuerst von denen, die sonst zu nichts taugen. Dann von denen, die zwar keine Freunde sind, aber etwas zu bieten zu haben. Schließlich auch von den Freunden. Allerdings nicht gegen Jedermann: Bei der Bekämpfung von Feinden und Terroristen dürfen die Menscherechte schon mal hier und da ein wenig gedehnt und flexibel ausgelegt werden. Daraus könnte man eine Punkteskala bilden: Je enger der Freund, desto mehr Punkte, je schlimmer der Feind, desto mehr Punkte, je bedeutender ein Staats-und Geschäftspartner, desto mehr Punkte. Verletzt also ein nicht befreundeter, unbedeutender Despot die Menschenrechte, so ist das vollkommen inakzeptabel. Ihm fehlen die Punkte dazu. Muß hingegen ein guter potenter Freund ein bißchen foltern und verschleppen, dann geht das in Ordnung.
Das Regime vom Mugabe ist furchtbar. Der Mann ist ein widerlicher geistesgestörter Schlächter, der das eigene Volk verhungern läßt. Das darf und muß jeder sagen, dem die Menschenrechte am Herzen liegen. Merkel hingegen darf das nicht.
Der katastrophale Trend zur Relativierung der Menschenrechte, der sich aus Washington über die westliche Welt ausgebreitet hat, muß dringend umgekehrt werden. Sonst wird es bald nicht einmal mehr ein “altes Europa” geben, das noch das Recht hätte, Despoten zu kritisieren.

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