Archiv

Juli 2007


atom
Mit alten Kernreaktoren läßt sich vortrefflich Geld verdienen. Während die Betreiber die Gewinne einstreichen, trägt der Steuerzahler das Gros der Kosten. Die staatlichen Mittel für Bau und Betrieb von Atomanlagen in Deutschland, also die Kosten für den Bau von Forschungsreaktoren, Castortransporte und Atomanlagen, die nie in Betrieb gingen, belaufen sich laut Eurosolar allein auf 32 Milliarden Euro. Die Aufwendungen für Zwischen- und Endlagerung sind überhaupt nicht abzusehen. Je nach Material muß der radioaktive Abfall für Jahrtausende gelagert werden. Gerade diejenigen, die gern so panisch mögliche Terroranschläge beschreien, verschleiern die Kosten der Bewachung von Material, das zumindest zum Bau einer verdammt schmutzigen Bombe geeignet ist. Wirtschaftlich disqualifizieren diese Kosten den Betrieb von Kernanlagen daher vollkommen. Da aber die Arbeitsteilung eben so läuft, daß die Betreiber für einige Jahrzehnte die Anlagen betreiben und kräftig kassieren, während der Steuerzahler für alles aufkommt, das außergwöhnliche Kosten verursacht, wird Atomkraft noch immer als brauchbare Energie angepriesen. Tatsächlich ist sie ein Vehikel, um Steuergelder in private Taschen umzuleiten. Im Grunde sind Energiegewinnung und Störfallrisiken nur Kollateralerscheinungen des Kernkraftkreislaufs.
Wenn der Umweltminister sich also derzeit vehement für den Atomausstieg stark macht, dann auch deshalb, weil er weiß, wer die Kosten trägt. Und daß sein Klientel eben nicht davon profitiert.

In aktuellen Umfragen kriegt’s die SPD derzeit knüppeldick, sie liegt noch bei gerade 24%, während die Union auf 39% kommt. Damit hätte Schwarzgelb derzeit die Nase vorn. Hätte, denn bei einer Wahl kommt es bekanntlich anders. Dennoch ist dieses historische Tief der Spezialdemokraten ein Zeichen, und wie ich finde, kein schlechtes.
Daß die Union trotz oder gerade wegen des Raubbaus am Grundgesetz, den ihr Innenminister mit Zustimmung der Kanzlerin treibt, sich recht gut hält, zeigt zweierlei: Erstens ist das Klientel nicht unzufrieden, ihnen geht Sicherheit vor Recht. Zweitens: Es ist nützlich, ein Freak zu sein. Besser unangenehem auffallen und sich überall Feinde machen, als aalglatt jeden Blödsinn abzunicken und es nachher als Erfolg zu verkaufen.
Genau das ist nämlich derzeit die Strategie der SPD, und sie fährt damit von Wand zu Wand. Man wundert sich, daß von der alten Mühle überhaupt noch etwas übrig ist und wäre nicht überrascht, wenn sie demnächst drittstärkste Kraft im Bund wäre.
Kurz zu den anderen: Die “Linke” ist schwer im Aufwind, ihre Anhänger sind entsprechend begeistert, und Zulauf sorgt für Zulauf. Das wird sich wieder einpendeln, aber sicher deutlich über fünf Prozent. Mit ihnen muß in den nächsten Jahren gerechnet werden.
Die F.D.P. hat ihr Stammklientel, das sich von der Koalition am schlechtesten regiert fühlt. Ihre Anhänger stehen Gewehr bei Fuß, und wer etwas anderes will als die GroKo, ist bei ihr gut aufgehoben. Nichts Neues von daher. Strukturell hat die F.D.P. einen so guten Stand, daß sie auch ohne fähiges Personal zurechtkommt. Das ist sehr bedauerlich, denn sie hätte eine Erneuerung dringend nötig. Wobei “Erneuerung” vor allem hieße, sich auf ihre Wurzeln zu besinnen. Die schwache Stimme der Brürgerrechtler wird bei ihnen nur von denen erhoben, die in der Partei wenig bis gar nichts zu sagen haben: Leutheuser-Schnarrenberger, Baum, Hirsch. Aber auch hier zeigt sich deutlich: Charakter wird von der Öffentlichkeit honoriert.
Ähnlich sieht es bei den Grünen aus, mit dem Unterschied, daß sie zwar nicht immer schreien, aber doch immer die Bürgerrechte verteidigen. Nur konsequent ist es daher, daß Claudia Roth als erste den Rücktritt Schäubles gefordert hat. Mit Christian Ströbele haben sie, quasi gegen ihren Willen, ein Aushängeschild, das sich durch einen eigenen Kopf sehr hervorgetan hat. Nach Joschka Fischer fehlt es hier an einem kantigen Charakter, der von der Partei auch getragen wird. Insgesamt aber sind die Grünen eine recht agile Truppe, der man nicht vorwerfen kann, sie bringe nur Funktionäre hervor. Auch das honoriert der Wähler nachhaltig.
Sie werden nicht vom Himmel fallen, die Querdenker, die Unangepaßten und Unbequemen. Im Gegenteil ist die Binnenstruktur der politischen Organisationen ja längst so bürokratisch, daß sie seelenlose Roboter fördert und Menschen mit einer echten Meinung abschreckt. Allerdings wird diese Struktur zunehmend zu einem Hemmnis für den Erfolg beim Volk. Lafontaine wird nicht zuletzt deshalb so angefeindet, weil er ein leidenschaftlicher Politiker ist. Und die Leute haben derart dem Kaffee auf von rhetorisch unterbelichteten Funktionsmöbeln, daß ihnen ein überzeugter Demagoge lieber ist als ein zurechtgebogener staatstragender Schwätzer. Die etablierten Parteien haben daher zwei Möglichkeiten: Entweder sie öffnen sich und lassen den Streit um die besten Ideen wieder zu oder sie setzen weiter auf Parteiräson und Fraktionszwang. Letzteres kann zu erschreckender Erosion führen.

Ich komme zu nichts, ich habe Urlaub. Mehrere Artikel spuken in mir und drohen mit Überlänge, mein nächstes unveröffentlichtes Buch ruft mich vergeblich, und die Späße in der Blogosphäre bescheren mir Besucherrekorde. Ich danke euch für eure Geduld! Daher wieder nur ein Häppchen, damit ihr mir nicht vom Fleisch fallt:

Hochkonzentriert an meinem Wasser saugend hing ich heute (also quasi gestern) vor der Glotze und hörte mir an, wie ein berufsjugendlicher “Personal Trainer” faselte, Buddhismus fände er ganz Klasse, aber nur ein bißchen, nicht zu streng, versteht sich. Da kann die PR-Brangsche noch ein weites Feld besetzen: Religion als Accessoir – der Personal Style Hype im nächsten Jahr?

Aus ungemein böswilligen Quellen wurde mir folgendes Zitat zugespielt:

Wenn wir warten, bis diese islamischtischen Terrorischten die Windel vom Hintern nehmen und sich um dem Kopf wickeln, isch es zu schpät.

horny
Feynsinn wurde heute von keinem Geringeren als dem Weltherrscher selbst mit dem “Bloghorny” ausgezeichnet. Die völlig neutrale Jury hat aus guten und ausschließlich ehrenwerten Gründen das verdienteste Blog ausgewählt. Wir sind stolz auf mich!

hund
Jetzt hilft nur noch nachnominieren oder Rücktritt vom Rücktritt: Die Entscheidung über die Preisträger ist gefallen. Wer hebt sie wieder auf? In einer Woche findet die Preisverleihung auf einem Schrottplatz im www. statt. Schon vorab wird allerdings der Preisträger des Publikumspreises bekannt werden, einer Indiskretion zufolge. Sein Blog ist aber auch wirklich zu geil.

[Edit 09.07.]Und nachdem es die Spatzen schon von den Dächern pfeifen: Sieger ist mit 100% der abgegebenen Stimmen der Weltherrscher. Ganz ohne Hintergedanken. Ganz sicher nicht, weil ich den “Bloghorny” haben will. Wer behauptet so was??!

Jeden Tag etwas Neues vom Möchtegerndiktator Schäuble. Noch sagt er es durch die Blume, aber er möchte nicht nur eine zentrale Geheimpolizei, er möchte auch, daß sie daß sie töten darf:
Als “rechtliches Problem” bezeichnete der Innenminister auch die gezielte Tötung von Verdächtigen durch den Staat.“; “Wir sollten versuchen, solche Fragen möglichst präzise verfassungsrechtlich zu klären und Rechtsgrundlagen schaffen, die uns die nötigen Freiheiten im Kampf gegen den Terrorismus bieten.” (Schäuble im Spiegel-Interview).
Die schwachsinnige Illustration, die der oberste Verfassungsfeind dazu liefert: Man stelle sich vor, Osama Bin Laden tauchte in Deutschland auf! Was Schäuble da in seinem Fieberwahn fordert, ist das Recht des Staates, Verdächtige zu töten! Abgesehen davon, daß er ganz selbstverständlich, wie die Amerikaner, Verdächtige internieren will, ohne Gerichtsurteil und ebenfalls auf Verdacht. Während selbst die Amerikaner längst soweit sind, ihren unsäglich antidemokratischen Präsidenten davonzujagen, will der deutsche Innenminister noch weiter gehen.
Man darf getrost feststellen, daß der Eifer dieses Mannes den schlimmsten Stalinisten und Faschisten in nichts nachsteht. Man muß inzwischen feststellen, daß seine aggressiven Versuche, das Grundgesetz abzuschaffen, durch die Kanzlerin gedeckt sind. Auf sie kann keiner hoffen, das hat sie kürzlich deutlich gemacht. Und was ist mit der SPD? Es ist zu befürchten, daß sie die Koalition nicht verlassen wird, daß sie nicht einmal den Rücktritt dieses Agitators des Unrechtsregimes fordern wird. Zwar ist auch nicht zu erwarten, daß sie im Sinne Schäubles das Grundgesetz ändern wird. Aber es ist schlimm genug, mit anzusehen, wie weit einer da geht und daß womöglich um des Koalitionsfriedens Willen am Ende nur ein bißchen Bundeswehr im Inneren herausspringt.
Das muß nun die Stunde der Opposition sein, nicht zuletzt der F.D.P., wenn diese noch irgend einen Bezug zu den Grundrechten hat. Die Zeit der freundlichen Ermahnungen ist definitiv vorbei.

Edit: Warum ist es bei den Großen immer nur der Prantl, der die Dinge beim Namen nennt?

atom
“Alles roger, wir müssen nur den Kompressor abkühlen!”

Nun müssen sie ihre Nebeneinkünfte offenlegen, und das Gezeter ist groß. In den Chor derer, die den guten Ruf der MdB gefährdet sehen, fällt nun bedauerlicherweise auch die Sueddeutsche ein. Barbara Vorsamer, deren Namen wir uns wohl nicht merken müssen, kann sich gar der Phrase “übertriebene Neiddebatte” nicht entblöden. Wäre eine nicht übertriebene Neiddebatte denn eher genehm?
Nicht nur, daß sie sich damit in Spiegel-Manier der hohen Herrschaft andient wie der Frosch der Schuhsohle, sie verfehlt auch völlig das Thema. Worum geht es? Es geht um Transparenz. Es geht darum, daß die Parlamentarier den Bürgern auskunftspflichtig sind. Diese sollen wissen dürfen, wer wo die Hand aufhält und wofür sich Abgeordnete entgeltlich engagieren. Es geht darum, weder Einkünfte zu verheimlichen, die offenbar keine Gegenleistung erfordern, noch zu verschweigen, daß man andernorts eingebunden ist und daher sein Mandat nicht ausfüllen kann. Letzteres trifft übrigens auch jeden Arbeitnehmer in diesem Land. Angestellte sind in ihrer Freizeit sogar erholungspflichtig, und ganz selbstverständlich dürfen sie während ihrer Arbeitszeit nicht privaten Geschäften nachgehen.
Daß aus dem Mehr an Information, das sich aus der Offenlegung der Einkünfte ergibt, auch ein Mehr an Kommentaren entsteht, ist nur logisch, zumal, wenn es neue Informationen sind. Daß sich immer jemand findet, der solche Informationen in unangemessener Weise auslegt, um Aufmerksamkeit zu erregen oder Ressentiments zu pflegen, kann auch niemanden überraschen. Letztendlich aber sind diese Informationen und die Offenlegungspflicht ein gutes Mittel gegen Korruption und Ämterhäufung, vor allem aber das, was eine gute Demokratie ausmacht: Ein Stück Transparenz.
Wenn es daran Kritik gibt, wenn die Modalitäten verbesserungswürdig sind, dann ist das diskutabel. Deshalb hätten sich vor allem auch diejenigen besser an der Diskussion beteiligt, die das Gesetz von Anfang an nur torpediert haben. Aber ihnen ging und geht es um etwas anderes: In ihrer Vorstellung von Staat ist der Bürger transparent, und das Treiben des Abgeordneten ist seine Privatangelegenheit. Umgekehrt wird eine Demokratie draus.

Mensch, Schäuble, da kannste dir ne Scheibe von abschneiden: Gazprom bekommt seine Privatpolizei. Das sollte man auch in Deutschland einführen, und zu derart schlankem Staat kann auch die F.D.P. ganz sicher nicht “nein” sagen. Wenn man schon das Grundgesetz umkrempelt, dann aber auch richtig! Weg mit dem ganzen verkrusteten Krempel von Polizei, Bundeswehr, Geheimdiensten und dem ollen Beamtenmuff! Eine große frei verkäufliche Geheimpolizei, an der Börse notiert und stets dem effizientesten Einsatz verpflichtet. Die parlamentarische Kontrolle hat eh versagt, warum sie dann nur partiell abschaffen? Der Markt regelt das schon.
Bei den kommenden Heimspielen von Putin 04 auf Schalke sollte man den Ordnern mal genau zuschauen. Da schlägt sicher zusammen, was zusammen gehört.

« Vorherige SeiteNächste Seite »