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April 2007


Während die Bundesregierung und die ihr angehörenden Parteien bedauerlicherweise noch immer nicht die notwendigen Schritte zur Abschaffung der Arbeitsämter eingeleitet haben, dulden sie, und das ist löblich, derartige Bürokratie in der EU nicht. Zwar nennt SpOn das eine “Lachnummer”, aber was dort beschrieben wird, ist doch nur ein kleines Beispiel für den Irrsinn, der in Brüssel täglich vermurkst wird. Vielleicht hat der eine oder andere bald das Einsehen, daß man die vergrößerte EU nicht mehr verwalten kann wie den heimischen Aktenzoo.

Wie auch der Öffinger feststellt, gibt es Bestürzung, Empörung, ja “Entsetzen” über eine satirische Aktion von Stefan Raab. Er stellt den Musiker Buskohl dar, wie ehedem Schleyer von der RAF abgebildet wurde. Das Thema “RAF aktuell” ist mir in dem Zusammenhang zu blöd, dazu wurde genug geschrieben. Was aber die Deutschen und den Humor anbetrifft, fällt mir einiges ein. Vorab: Ich mag Raab nicht. Sein Humor geht zu oft auf Kosten anderer, er ist flach, beliebig und proletenhaft. Gerade aber weil das nicht my cup of tea ist, liegt mir etwas an der Feststellung, daß auch solcher Humor zulässig und sicher nicht politischen Gesichtspunkten zu unterwerfen ist.
Der Öffinger stellt zurecht fest, daß sogar der Nationalsozialismus veralbert wird, hierüber ist die Empörung in der Tat übersichtlich. Auch dazu habe ich meine Meinung: Ich kann nicht darüber lachen, daß jemand wie Hitler herumschreit, sich ein Chaplin-Bärtchen anklebt und dann Belanglosigkeiten von sich gibt. Ich bin der Ansicht, daß derartiger Blödsinn verkennt, wo Satire aufhört und dumme Ignoranz beginnt. Letztere finde ich überflüssig, gelegentlich verdammenswert, aber für Empörung reicht das nicht aus.
Nun lag ich ganz zufällig gestern im Wachkoma vor dem Fernseher und durchlitt eine ungemein stumpfsinnige Rankingshow, in der demonstriert wurde, warum der deutsche Humor selbst dann todernst ist, wenn er gut ist. Da saß ein Freak wie Pocher auf einer Couch mit Loriot und Dieter Nuhr, da wurde jeder, über den jemals im TV gelacht wurde, gerankt, geränkt, gerenkt, und am Ende gewann Loriot vor Heinz Erhardt, wen interessiert das schon? Das Beste aber war die für das ZDF unerläßliche Moderation durch Johannes Baptist Kerner. Tiefsinnig und doch offenherzig, freundlich, aber gern auch sarkastisch, voller Selbstironie und Souveränität. So kennen wir den Deutschen Humor, so kennen wir auch die Sportreportagen und die Talkshow Kerners leider nicht. [edit] Und so hat er die Granden und Sternchen des Deutschen Humors denn in seiner bekannt desinteressierten Art öffentlich verwaltet. Fragen ohne Sinn und Verstand, ein Abfertigen der Befragten, das Zuhören nicht vorsieht, schleimiges Getue, mit dem ein hellwacher alter Mann wie ein Schwachsinniger angesprochen wurde, und überhaupt: Völlig humorfrei zog der Talkinator das Ding bis zum bitteren Ende durch.
Was lernen wir daraus? Es gibt durchaus witzige Deutsche und sogar eine Menge mit Humor. Aber das geht nur gut, solange alle, die Lachen, über dasselbe lachen. Man ist gern unter sich und pflegt den reinrassigen Humor. Wer es hingegen wagt, mit seinen abartigen Vorstellungen eines abweichenden Humors an die große Öffentlichkeit zu gehen, kann sich des Zorns und der Verachtung aller anderen sicher sein.

Ein sehr lesenswerter Artikel findet sich heute bei FR-online. Die Autoren nehmen sich der fatalen Dynamik der Märkte an, die durch neoliberale Ideologien und Strategien geprägt sind. Besonders das Auseinanderdriften von Produktivitätszuwachs und Produktionszuwachs führt zu volkswirtschaftlich unerwünschten Effekten, wie ich neulich bereits schilderte.
Es kommt noch ein Aspekt hinzu, der selbst Neoliberalen aufgehen dürfte und nur von den verbohrtesten Ideologen geleugnet werden kann: Ein Übermaß an Aneignung schadet der Marktdynamik. Werden Konzerne oder Personen also aufgrund ungeregelter Eigentumszuwächse zu mächtig, wird Konkurrenz als tragende Säule der Wirtschaft außer Kraft gesetzt. Gegen Monopolbildung gibt es (schwache) Gesetze, die Aneignung selbst darf weiterhin ungebremst stattfinden. Daraus folgt, daß Entscheidungen häufig nicht mehr an Rationalität gebunden sind und die ohnehin in den Konzernhierarchien angelegten autokratischen Strukturen noch durch das Treiben einzelner Marktdespoten überboten werden. Eine Kontrolle wirtschaftlichen Handelns findet so nicht mehr statt, weder personell noch strukturell. Während nun neoliberale Demagogen bei jeder Besteuerung von “Enteignung” sprechen und das Abendland untergehen sehen, entgeht ihnen vollkommen die Gefahr ungeregelter Aneignung. Letztere ist die aktuelle Gefahr, und man kann eben nicht alles dem Markt selbst überlassen. Überlegungen, die zu mehr Kontrolle über die Märkte führen sollen, sind also sehr im Sinne des Funktionierens der Marktwirtschaft und keineswegs zwangsläufig bürokratische Schikane.

Ach, herrlich, es gibt noch verlässliche Instanzen in dieser schnellebigen Welt. Wie etwa Reinhard Müller in der FAZ fabuliert, die “Macht der RAF” sei “ungebrochen”, das ist ganz großes Kino der alten Schule. Der Mann meint das ernst. Er sieht in der aktuellen Debatte die “Republik erzittern” vor der “Mörderbande”. Schon in den Siebzigern wiesen sich die mit der rechten Gesinnung dadurch aus, daß sie nicht “RAF” oder “Baader-Meinhof-Gruppe” sagten, sondern “Baader-Meinhof-Bande“. Der kompetente Kriminologe weiß also: Es handelt sich hier um Bandenkriminalität. Alles Müller oder was?
Aber es geht ja nicht um Kriminologie, es geht um Gerechtigkeit. Daher palavert Müller auch herum, was wohl wäre, wenn Peymann einem Säuglingsmörder eine Stelle angeboten hätte, räsoniert über “Mengenrabatt” für “Massenmörder”, vergleicht die RAF-Täter mit NS-Verbrechern und läßt “sogenannte Intellektuelle” auflaufen, die für die “monströsen Taten” “Verständnis” haben . Die Schreibe ist einfach geil, und ich werde demnächst öfter bei der FAZ vorbeischauen, denn dort bekommt man Geschichte live geboten von Leuten, in deren Köpfen sich seit Jahrzehnten nichts mehr bewegt hat. Lesenswert!

Die Menschheit wird einen zweiten Planeten besiedeln. Die erste Mission ist bereits geplant, dabei werden Russen, Amerikaner, Chinesen, Araber und Deutsche gemeinsam ins All starten. Während die Russen die Ausbeutung der Bodenschätze organisieren, wird der arabische Kollege das Magnetfeld der “Zwerde” gen Mekka ausrichten. Die Amerikaner beanspruchen vier der fünf Kontinente und werden erstmals ihre neue Fahne aufstellen, auf der sich ein Kreis zwischen den Sternen befindet. Die Chinesen schicken lediglich einen Beobachter mit, der für die vollständige Dokumentation verantwortlich ist.
Für Deutschland wird ein Mitarbeiter an Bord sein, der einen Überwachungssateliten in die Umlaufbahn der Zwerde bringt. Wir wünschen gutes Gelingen!

Wenn tausende Menschenleben gerettet werden können, muß die Freiheit eingeschränkt werden.
“Im März erwischte der Besitzer eines Internet-Cafés in Algerien einen Gast beim Surfen auf islamistischen Websites. Daraufhin sperrte er den Mann in sein Café ein und holte die Polizei. Es stellte sich nach Polizeiangaben heraus, dass es sich bei dem Mann um einen Dschihadistenführer handelte – in den folgenden Wochen nahm die Polizei 24 seiner Gefolgsleute fest.”
Ergo: Wer für ein freies Internet ist, unterstützt die Mörder.

Das aktuelle revolutionäre Subjekt, Prekariat oder auch schlicht die Unterschicht beschreibt Franz Walter in SpOn. Er stellt fest, daß im Pool der Abgehängten die Bereitschaft zur Gewalt steigt:
“Schon jetzt findet es ein Viertel der modernen Unterschichtangehörigen – im krassen Unterschied zu den eingehegten traditionellen Arbeiterschichten der altbundesdeutschen Industriegesellschaft – keineswegs verwerflich, Gewalt beim Verfolgen der eigenen Interessen einzusetzen.”
Die Warnung vor “Krawall” ist berechtigt, zumal auch in Deutschland bereits derartige Tendenzen deutlich sichtbar werden. Nicht nur in vereinzelten Pogromen, auch und gerade die vor allem von Jugendlichen gepflegten Revierbehauptungskämpfe in den Großstädten bringen ähnliche Verhaltensstrategien ans Zwielicht wie in den Banlieues, wenngleich bislang noch weniger nachhatig und öffentlichkeitswirksam. Was auffällt, ist, daß diese Menschen nicht nur zum Extremismus gedrängt werden, da ihnen von den etablierten Parteien (mit ausnahme der “Linken”) keine Angebote mehr gemacht werden, sondern, daß auch umgekehrt die politische Linke, so sie sich dieses Klientels annimmt, genau deshalb als “extremistisch” gebrandmarkt wird.
Es sieht auch sehr schwierig aus, und hier leistet die Soziologie gerade den Simpeln traurige Schützenhilfe, die sie hernach kritisert. Und das geht so:
Zur Underclass zählen sie diejenigen mit einem Nettoeinkommen unter 600 Euro, einer geringstufigen Schulbildung und der soziokulturellen Entkopplung von den Möglichkeiten der Mehrheitsgesellschaft.” (Franz Walter)
So sehr ich seine Artikel schätze, hier rutscht er auf der Prophezeiung aus, die er selbst aus der Schublade zieht. Diese Definition der “Underclass” ist nämlich Resultat einer ideologisch instrumentalisierten Statistik. Die “klassichen” Unterschichten hatten eine physikalische Realität. Sie fand man in Stadtteilen, sie repräsentierten sich in Parteien, man fand sie auf den Volks-und Hauptschulen, von wo aus sie sich aber immer noch aufmachen konnten, um die Welt zu erobern.
Heute geht das schon aus Gründen der Betrachtung nicht mehr. Wer aus einer Familie von asozialen Säufern kommt und trotzdem das Gymnasium schafft (das kann das System ja nicht immer verhindern), fällt aus der Statistik heraus. Wer gut verdient, weil er eine gewinnbringende Idee hat, für die kein höherer Schulabschluß nötig ist, ist ebenfalls aus dem Rennen. Wer unterschichtsuntypische Interessen hat und sich womöglich freiwillig bildet, gehört auch nicht mehr dazu. Als Definitionsmenge bleiben also nur die hochqualifiziert Faulen, die unbeirrbar Asozialen und die chancenlosen Habenichtse übrig. Diese nur in der Statistik existierende “Schicht” wiederum wird seit Schröder zum Adressaten gemacht für den Haß und die Angst der Aufgestiegenen vor denen, die sie zurücklassen mußten. Sie sind das Objekt der Verachtung jener, die es nicht nötig haben, sich um Fürsorge zu kümmern, weil sie sonst ihren Fetisch “Eigennutz” nicht mehr rechtfertigen können. So weit, so schlecht.
Aber selbst dort, wo sich “Unterschicht” ob fehlender Integration in die Gesellschaft des eigenen Landes (dessen “Volk” sie sind) und ob fehlender Infrastruktur wieder physikalisch bildet, macht sich niemand auf und versucht, diese Leute abzuholen. Sie werden vielmehr marginalisiert, ignoriert und vielleicht, als Gipfel der Aufmerksamkeit, überwacht.
Muß man Angst davor haben, daß diese Menschen gewalttätig werden? Als Blutsdeutscher nicht wirklich. Muß man überhaupt Angst vor ihnen haben? Ja. Denn sie könnten schon bei der nächsten Wahl das tun, was man ihnen am wenigsten zutraut: Wählen. Then panic!

Nur knapp ein Drittel der Wahlberechtigten haben bei den Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt ihre Stimme abgegeben. Damit haben unsere Brüder und Schwestern in der Zone belegt, daß Demokratie nichts ist für sie. Erst lassen sie sich vom Dicken einlullen und sich blühende Phantasielandschaften für die Wahrheit andrehen, und kaum bemerken sie, daß man sie verarscht hat, stellen sie auf “stur”. Ihr seid das Volk? Na großartig!

In dem Maße, wie der SPIEGEL die alten Qualitäten vermissen läßt, springt die Sueddeutsche in die Bresche, zuvorderst in Person von Heribert Prantl. Der Mann läßt nicht locker, und wenn den Leuten sein notwendiges Insistieren schon zu den Ohren herauskommt. Eine hervorragende Umschau auf die Welt der Sicherheitsgesetze liefert er aktuell, setzt die zur Debatte stehenden Maßnahmen in den gegebenen Kontext und schafft es dabei, nicht persönlich zu werden. Es ist zu hoffen, daß sein Artikel dazu beiträgt, die Verfolgungswahnsinnigen um den Minister des Terrors aufzuhalten. In diesen Tagen ist die Frage: “Schäuble oder der Rechtsstaat”. Mit jedem Tag, den dieser monströse Peiniger der Bürgerrechte weiterhin im Amt verbringt, wird die Frage lauter, ob die Kanzlerin selbst sich nach einer anderen Republik zurücksehnt.

Während die Extremisten in den westlichen Regierungen Deutschland darauf vorbereiten, daß der Muslim das Tor zur Hölle aufstößt (oder zumindest das einer US-Botschaft), befassen sich die Hüter der Christenheit ganz akademisch mit dem Highway to Hell: Sie haben nunmehr beschlossen, selbst nicht mehr ans Fegefeuer zu glauben. Ungetaufte Kinder dürfen jetzt aufatmen, ehe sie sterben, und auch der Ablaßhandel hat sich damit wohl endgültig erledigt. Wo wären wir heute, hätte es diesen nicht gegeben? Gutenberg, Fugger, Medici, die Säulen der Wall Street quasi, sie wären ohne Fegefeuer nicht errichtet worden. Das alles wurde schmählich der Vergessenheit überantwortet. Sic transit gloria mundi!

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